Pfaffenhofen
3525,82 Euro für "Bio-Sonne"

Hofpfisterei fordert Unterlassungserklärung: Bäcker Breitner darf Brot nicht mehr nach der Sonne benennen

29.10.2020 | Stand 02.12.2020, 10:15 Uhr
Mathias Breitner versteht die Welt nicht mehr. "Ich hätte nie gedacht, dass man das Wort Sonne schützen lassen kann", sagt der Pfaffenhofener Bäckermeister. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen - Die Sonne scheint für jeden. Sollte man meinen. Auf Bäcker trifft das nicht zu. Denn für diese Branche hat ein Münchner Großkonzern den Namen des Himmelsgestirns für sich gekapert und überzieht bundesweit jeden noch so kleinen Brezenbäcker mit Unterlassungsklagen, der ein Gebäck aus dem Ofen zieht und ihm die Bezeichnung "Sonne" gibt. Jetzt hat die juristische Keule die Pfaffenhofener Bäckerei Breitner getroffen.

 

Deren Chef Mathias Breitner sitzt in seinem Büro an der Moosburger Straße und versteht die Welt nicht mehr. Gerade hat er die Kostenrechnung einer Münchner Anwalts-Kanzlei für deren Einschreiten in Sachen "Ludwig Stocker Hofpfisterei GmbH ./. Bäckerei Breitner, Markenverletzung ,Sonne'" bekommen: 3525,82 Euro.

"Ich hätte nie gedacht", sagt Mathias Breitner, "dass man das Wort Sonne schützen kann." Vor zwei Wochen haben ihm die Patentanwälte per Fax, E-Mail und zur Sicherheit auch noch per Einschreiben mit Rückschein ein 38-seitiges Schreiben zukommen lassen. "Unsere Mandantin", heißt es da, "ist vor Kurzem darauf aufmerksam geworden, dass Sie Brotwaren unter der Bezeichnung ,Bio-Sonne' anbieten und bewerben." Fatal: Denn diese Bezeichnung hat sich die Hofpfisterei beim Deutschen Patent- und Markenamt schützen lassen, ganz konkret die Begriffe "Sonne", "Öko-Sonne" und "Schwarze Sonne". Und das schon 1974.

Damit Breitner erst gar nicht auf die Idee kommt, mit juristischer Hilfe auf dem Namen "Bio-Sonne" für seine Weizen-Roggen-Sonnenblumen-Mischung zu bestehen, verweisen die Anwälte "nur beispielhaft" auf 21 entsprechende Gerichtsurteile: Klostersonne, Dinkelsonne, Kürbissonne, Kraftsonne, Knuspersonne, Partysonne, Bauernsonne - alles nicht zulässig. Da ist es auch völlig irrelevant, dass Breitners Vater, der 1960 die Bäckerei gründete, schon vor 60 Jahren sein Brot "Sonne" nannte, eben weil's mit Sonnenblumenkernen versetzt war. "Der hat's halt nicht schützen lassen", sagt sein Sohn, "aber wer kommt schon auf eine solche Idee." Sonnenschirm, Sonnenliege, Sonnenuhr, Sonnenrollo - geht alles. Sonnenbrot geht nicht.

"Der Erwerb des Markenschutzes", heißt es im Paragrafen 14 des Markengesetzes, "gewährt dem Inhaber der Marke ein ausschließliches Recht." "Dritten und damit auch Ihrem Unternehmen", schreiben die Anwälte, "ist es untersagt, ohne Zustimmung unserer Mandantin die Bezeichnung ,Sonne' im geschäftlichen Verkehr für Brot- und Backwaren zu benutzen." Wer dagegen verstößt, muss mit Schadensersatzansprüchen rechnen.

Die Hofpfisterei hat den Streitwert mit 200 000 Euro festgesetzt. Es führe "kein Weg an der Feststellung einer Verwechslungsgefahr und somit an der Verletzung der älteren Markenrechte unserer Mandantin vorbei", heißt es im Anwaltsschreiben.

Das muss man als Laie nicht verstehen: Die Pfister-Sonne ist rund und wiegt zwei Kilo, Breitners Sonne ist ein länglicher Brotlaib, der noch nicht mal die Hälfte wiegt. Und wieso das Brot aus Pfaffenhofen dem Münchner Back-Giganten mit fast 200 Filialen und rund 1000 Mitarbeitern Kunden abspenstig machen sollte, ist auch nur schwer nachzuvollziehen: Die Hofpfisterei verkauft von ihrer "Sonne" an die 1500 Tonnen pro Jahr, Breitner backt von seiner Bio-Sonne an drei Tagen in der Woche insgesamt 25 Kilo. "Ein Brot für Liebhaber", sagt Breitner.

Mit einem der bereits abgemahnten Bäcker, einem Kollegen aus Reit im Winkl, ist Breitner befreundet. Der hatte ihn ihm August über seinen Ärger mit der Hofpfisterei informiert, weil er eines seiner Brote "Sonnenkorn" genannte hatte. Mathias Breitner ist kein Prozess-Hansl. "Ich habe umgehend den Namen in Bio-Sonnenblumenbrot geändert. Leider hab' ich das auf unserer Homepage vergessen." Dort hat er's jetzt - zu spät - nachgeholt. Was ihn sauer macht, "dass die auf die kleinen Bäcker losgehen. Da hätte doch auch ein Brief gereicht mit dem Hinweis auf das Markenrecht." Breitner hat sich mit einem Anwalt beraten, "aber der sagte, ich habe keine Chance. Ich darf noch nicht mal ein Plunderstückchen ,Sonne' nennen."

Die ganze Angelegenheit ruft bei der vermeintlich verwechslungsgefährdeten Kundschaft nur Verständnislosigkeit hervor. Der Münchner Großbäcker produziert seit fast zehn Jahren mit den Abmahnungen permanent Negativ-Schlagzeilen, die in den sozialen Netzwerken einen so gewaltigen Shitstorm zur Folge hatten, dass die Hofpfisterei bei ihrem Facebook-Auftritt die Kommentar-Funktion abschaltete. Nachdem auch der BR in seiner Sendung "quer" über das juristische Gebaren berichtet hatte, überschlugen sich im Internet die Kommentare: "Ich finde es unmöglich", heißt es da, "dass man sich ein Namensrecht auf ein Zentralgestirn sichern lassen kann. Getreide reift ja schließlich durch die Kraft der Sonne, damit sind Sonne und Brot quasi eine einsgewordene Verbindung. Sonne = Brot. Genauso gut könnte man sich den Namen ,Brot' sichern lassen." Antwort eines Zuschauers: "Bring die nicht auf solche Ideen!"

PK