"20 Millionen hätten wir nicht akzeptiert"

19.03.2013 | Stand 03.12.2020, 0:22 Uhr
Aufmerksamer Leser: Peter Mosch (Mitte) zu Besuch beim DONAUKURIER. Chefredakteur Gerd Schneider erläutert die aktuelle Ausgabe. −Foto: Richter

Ingolstadt (dk) Im Interview mit dem DONAUKURIER spricht Audi-Betriebsratschef Mosch über das Gehalt von VW-Boss Winterkorn und die Lage bei der Marke mit den vier Ringen.

Herr Mosch, die Erfolgsbeteiligung für die Belegschaft ist im Vergleich zum Vorjahr etwas gesunken. Dafür haben die Vorstände mehr verdient. Wie kommt das?

Peter Mosch: Das ist ganz einfach, da die Berechnung der Ausschüttungssumme fest geregelt ist. Wir haben einen Topf, in den 418 Millionen Euro in diesem Jahr für die Belegschaft hineinkommen. Gleichzeitig ist im vergangenen Jahr die Belegschaft in Deutschland um rund 1500 Anspruchsberechtigte gewachsen. Deshalb ist die Summe pro Kopf etwas zurückgegangen. Die Boni der Vorstände hängen zum Teil von langfristigen Zielen ab und die wurden im vergangenen Jahr erreicht beziehungsweise übertroffen. Außerdem ist die Gesamtvergütung des Vorstands auch durch die Neubesetzung in drei Geschäftsbereichen beeinflusst worden.

Das Unternehmen wächst und wächst, wie auch der Mutterkonzern in Wolfsburg. Wie sehr beeinflusst das Ihre Arbeit?

Mosch: Wir sind stark in den VW-Konzern eingebunden. Wir sind gerade dabei, neue Marken wie MAN, Scania und Porsche in die konzernweite Betriebsratsarbeit zu integrieren. Und auch der Audi-Betriebsrat verknüpft sich stärker mit Arbeitnehmervertretern seiner neuen Töchter, wie Ducati, und den neuen Werken.

Wie nah sind Sie noch an der Belegschaft dran?

Mosch: Der Tag hat leider nur 24 Stunden, aber ich versuche so oft wie möglich, mit der Belegschaft ins Gespräch zu kommen. Vor ein paar Jahren haben wir zudem die Reihe „Betriebsrat im Dialog“ gestartet. Mindestens einmal im Monat gehe ich in eine Abteilung, ohne selbst große Reden zu halten. Die Kollegen stellen ihre Fragen und dann wird gleich Tacheles geredet. Aber ich gebe zu, dass das schon oft ein Spagat ist. Einerseits muss ich an der Basis die Probleme mitbekommen, auf der anderen Seite muss ich über die wirtschaftliche Lage im Unternehmen und im VW-Konzern bestens informiert sein.

Wie schaffen Sie das?

Mosch: Ohne ein gutes Team geht nichts. Die Themenvielfalt nimmt stetig zu und ich kann nicht überall bis ins Detail drin sein. Da der Konzern immer größer wird, ist es wichtig, dass auch das Personal im Betriebsrat wächst.

Das Thema Managergehälter ist seit Monaten in den Schlagzeilen. Gerade VW-Chef Martin Winterkorn wurde in dieser Diskussion oft als extremes Beispiel genannt. Allein für 2011 soll er rund 17 Millionen Euro kassiert haben. Ist das nicht zu viel?

Mosch: Bei dieser Diskussion muss es um Werte gehen und die werden natürlich unterschiedlich wahrgenommen. Aber eines ist klar. Die Managergehälter sind in den vergangenen Jahren gerade im Vergleich zur Lohnentwicklung bei den Arbeitnehmern dramatisch gestiegen. Deshalb besteht hier auch Handlungsbedarf. Bei VW haben wir mit der Neuregelung der Vorstandsgehälter einen ersten Schritt getan. Alle Vorstände haben dies übrigens akzeptiert, obwohl damit bestehende Verträge geändert wurden. Sie können mir glauben, dass wir das im Aufsichtsrat lange diskutiert haben.

Wo liegt für Sie die Grenze?

Mosch: 20 Millionen für Herrn Winterkorn hätten wir Arbeitnehmervertreter nicht mitgetragen, da diese Summe der Belegschaft und auch der Gesellschaft nicht vermittelbar ist. Für mich muss ein Manager das große Ganze im Blick haben. Zum Beispiel die Zufriedenheit und Arbeitsplatzsicherheit der Beschäftigten. Bei VW und Audi haben wir diese Variable gut in den Managerverträgen verankert. Schauen Sie, in den vergangenen fünf Jahren sind bei VW 100 000 neue Arbeitsplätze entstanden und die wirtschaftlichen Ziele hat der Konzern wesentlich schneller erreicht als geplant. Es wurden also nachhaltige Werte geschaffen, für die Vorstände und Manager entlohnt worden sind. Das ist mir viel lieber, wie wenn Bankmanager mit Luftbuchungen Milliarden bewegen, dafür hohe Boni einstreichen und Menschen entlassen.

Lassen Sie uns auf die Situation bei Audi kommen. Bei der Bilanzpresskonferenz hat Personalvorstand Thomas Sigi eine Reihe von Sonderschichten angekündigt. Am Ende des vergangenen Jahres war bei Audi der Krisenmodus bereits aktiviert. Wird 2013 nun doch wieder ein Jahr ohne Rast?

Mosch: Gegenüber den Prognosen des vergangenen Jahres zeigen die Verkäufe der ersten beiden Monate eine Entspannung der Marktsituation. Aber es stimmt, Ende 2012 sah die Perspektive nicht so gut aus. Die positive Entwicklung freut uns natürlich und ich bin auch vorsichtig optimistisch für das laufende Jahr 2013. Und etwas Erholung gibt es sicherlich im Sommer, wenn aufgrund von Umbauarbeiten für neue Modelle bis auf die A3-Linie drei Wochen lang die Bänder stehen müssen. Solche Maßnahmen kennen unsere Kollegen bei Audi bereits aus den vergangenen Jahren.

Das bedeutet, dass der Bedarf an Ferienarbeitern geringer ausfällt?

Mosch: Aus heutiger Sicht benötigen wir deutlich weniger Ferienarbeiter als im vergangenen Jahr.

Heute Nachmittag findet die erste Betriebsversammlung des Jahres statt. Was ist der Schwerpunkt?

Mosch: Ein Hauptaugenmerk liegt auf dem Kampf gegen Stress. Arbeit darf nicht krank machen. Im vergangenen Jahr waren psychische Krankheiten deutschlandweit der häufigste Grund für die Auszahlung einer Erwerbsminderungsrente. Deshalb wollen wir bei Audi bei diesem Problem vorbeugen und rechtzeitig Lösungen erarbeiten. Dazu sind wir bereits mit der Unternehmensleitung in Verhandlungen und werden im Laufe des Jahres gemeinsam eine Betriebsvereinbarung zum Thema Gesundheit abschließen.

Das Interview führten Gerd Schneider und Stefan König.