1 gegen 1

30.06.2011 | Stand 03.12.2020, 2:40 Uhr
Immerhin ohne Gegentor: Ramazan Özcan −Foto: Foto: Schiffmann

Achenkirch (DK) Noch ist nicht mal die Hälfte der Saisonvorbereitung vorbei. Keine Zeit also zum Ausruhen, auch wenn man manchmal auf die Zähne beißen muss. „Ich werde mich weiter voll reinhauen, egal ob ich Schmerzen habe“, sagt Sascha Kirschstein am vierten Tag des Trainingslagers von Achenkirch.

Der bisherige Stammkeeper des FC Ingolstadt mag sich in der Vorbereitung keine Schwäche erlauben, denn seit der Klub mit Ramazan Özcan einen Herausforderer um den Platz im Tor verpflichtet hat, muss der 31-Jährige um seine Position kämpfen. Mehr als zuvor.

Özcan, Sohn türkischer Eltern und selbst gebürtiger Österreicher, weiß, was man in Ingolstadt von ihm erwartet. „Ich bin hier, um dem Team nach einer turbulenten Saison mit meiner Erfahrung zu helfen“, sagt er. Der 27-Jährige kommt von der TSG 1899 Hoffenheim, mit der er 2008 als erster Torwart in die Bundesliga aufgestiegen ist. Zuletzt saß er bei den Sinsheimern aber nur noch auf der Bank oder auf der Tribüne. Auch bei Besiktas Istanbul, wohin er 2010 ausgeliehen wurde, konnte er nicht Fuß fassen. Deshalb sucht er nun in Ingolstadt eine neue Chance. „Ich bin einer, der nie aufgibt.“

Er will wohl auch zeigen, dass er besser ist, als manche Beobachter glauben. So fühlt sich Özcan ungerecht behandelt, wenn man ihn auf sein erstes und bislang einziges Länderspiel für Österreich anspricht. 2008, beim 2:2 gegen den damaligen Weltmeister Italien („Eine Riesenehre gegen die zu spielen“), ist bei vielen lediglich hängengeblieben, dass er eine Flanke ins eigene Tor gefaustet hat. „Die Journalisten merken sich nur so etwas. Ich habe nach meinem Debüt aber auch viele gute Kritiken bekommen, weil ich noch fünf Hundertprozentige abgewehrt habe.“ Noch heute hat er regelmäßigen Kontakt zu Teamchef Dietmar Constantini. Seine Hoffnung, nach seiner EM-Teilnahme 2008 (ohne Einsatz) noch einmal in den Nationalkader zurückzukehren, hat er nicht aufgegeben.

Im Moment zählt für ihn aber nur der FC Ingolstadt. Und der Konkurrenzkampf, den er ja unbedingt forcieren soll, ist kein Zuckerschlecken. „Brano Arsenovic ist sicher einer meiner strengsten Torwarttrainer, die ich je hatte“, erzählt Özcan. Das sagt jemand, der bei Red Bull Salzburg unter dem Trainerduo Giovanni Trapattoni/Lothar Matthäus und in Hoffenheim unter Ralf Rangnick gearbeitet hat. Aber Özcan, der zu Beginn der Woche seinen 27. Geburtstag mit dem Teamkollegen zumindest mit einem kleinen Getränk an der Bar feiern konnte, beißt auf die Zähne „Wehwehchen gibt es immer, das ist egal“, sagt er und setzt weiter auf einen fairen Zweikampf. „Ich habe zu Sascha gesagt, dass ich ihn unterstützen werde, wenn er spielen sollte. Das gleiche erwarte ich im umgekehrten Fall aber auch von ihm.“

Für Chefcoach Benno Möhlmann ist der neu entbrannte „Kampf um die 1“ nur positiv. „Sascha konnte sich in der vergangenen Saison für meinen Geschmack doch etwas zu sichern sein, dass er immer wieder aufgestellt wird.“ Seit Özcan da ist, „sehe ich, dass Sascha sehr konzentriert an sich arbeitet – wie er es allerdings auch schon in der Rückrunde der Vorsaison gemacht hat.“

Eine Entscheidung darüber, wer beim Saisonauftakt gegen St. Pauli (16. Juli in Lübeck) das FC-Tor hütet, wird der Trainer aufgrund der aktuell sehr produktiven Arbeitsatmosphäre, vermutlich recht spät treffen. Eine Tendenz gibt es aber schon. „Wenn Sascha weiter so konzentriert an sich arbeitet, hat er nach der guten Rückrunde in der Vorsaison sicher einen kleinen Bonus, so dass der Trend schon dahin geht, dass er beginnen könnte.“ Könnte, hat Möhlmann ganz bewusst gesagt. Endgültig entschieden ist der „Kampf um die 1“ nämlich noch nicht.