Augsburg
Tolles Drumherum, schlechte Partie

Ausgerechnet der Videoassistent rettet am Retrospieltag das 0:0 des FC Augsburg gegen RB Leipzig

21.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:44 Uhr
Retrospieltag: Der FC Augsburg trat gegen Leipzig mit historischer Bedruckung der Trikots auf. Die Partie endete allerdings trotzdem 0:0. −Foto: Stache/AFP

Augsburg (DK) 111 Jahre FC Augsburg - deshalb Retrospieltag mit Retrotrikot, tollem Rahmenprogramm, super Choreografie, und so weiter, und so weiter. Es hätte alles so schön sein können - wäre nur nicht das Hauptereignis an sich gewesen, das Heimmatch der Schwaben gegen RB Leipzig. Ausgerechnet dieses hatte nämlich so gut wie keinen Unterhaltungswert - und endete dadurch irgendwie folgerichtig torlos unentschieden.

Einen Michael Gregoritsch mögen sie am Lech. Weil er nicht nur stets leidenschaftlich bei der Sache ist, nicht nur regelmäßig Tore schießt, sondern auch von Grund auf ehrlich daherkommt. So wie eben nach der Nullnummer am Samstag. "Wenn ich oben auf der Tribüne gesessen wäre, hätte ich ganz laut gepfiffen", gab der gebürtige Grazer unumwunden zu. Kopfschüttelnd tat er das. Es hatte tatsächlich fast den Anschein, als ob sich der Österreicher ein bisschen schämte. "Das war nicht das Spiel, das zu diesem Drumherum passte. Was soll ich jetzt groß erzählen? Das Match war schlichtweg schlecht."
Teamkollege Rani Khedira wollte da nicht widersprechen: "Gefühltermaßen spielte sich das Geschehen zu 95 Prozent nur im Mittelkreis oder jeweils fünf Meter links beziehungsweise rechts davon ab. Für das Publikum wurde somit das Ganze zu keinem Zuckerschlecken."

Tatsächlich ähnelten sich die Spielideen massiv. Beide Seiten wussten um die Stärken des Gegners in der schnellen Umschaltbewegung - und versuchten daher alles, um genau ein solches zu verhindern. Die Konsequenz daraus war K(r)ampf pur vor allem in der neutralen Zone, ein gegenseitiges Neutralisieren zwischen den Strafräumen - wobei Schiedsrichter Tobias Welz mit seiner (zu) kleinlichen Regelauslegung ein Übriges dafür tat, dass kein Spielfluss aufkommen konnte.
Schon in der zehnten Minute wollte er bei einem eigentlich harmlosen Laufduell zwischen Jeffrey Gouweleeuw und Timo Werner ein Foul des FCA-Innenverteidigers im eigenen Strafraum gesehen haben. Dank des Videoassistenten in Köln, der richtigerweise auf eine vorherige Abseitsposition der Leipziger hinwies, gab es dann zwar doch keinen Elfmeter - aber weshalb der Unparteiische für seine Entscheidungsfindung in dieser Szene über vier Minuten, zahlreiche Gespräche und mehrmalige Blicke in den TV-Monitor benötigte? Vorsichtig formuliert: Souverän sah dies definitiv nicht aus.
"Andererseits ist es mir völlig wurscht, wie lange der Schiri da herumüberlegte. Von mir aus hätte er sogar eine Viertelstunde brauchen können - Hauptsache, es gab keinen unberechtigten Elfmeter für den Gegner", so Gregoritsch. RB-Cheftrainer Ralf Rangnick sah es nicht ganz so locker: "Ich bin ganz klar ein Befürworter des Videobeweises. Aber vier Minuten darauf warten? Ich bitte Sie. Irgendwann sind's vielleicht sogar mal sechs Minuten, dann können die Mannschaften zwischenzeitlich ja gleich in die Kabinen gehen."
Sein Augsburger Kollege Manuel Baum lächelte in diesem Moment nur. "Ich finde es schon sehr interessant, dass uns am Retrospieltag ausgerechnet der Videoassistent half, einen Punkt zu behalten." Zuvor hatte der 39-Jährige wieder 90 intensive Minuten in seiner Coaching-Zone verbracht - mit angeregten Diskussionen mit dem vierten Offiziellen, mit wildem Gestikulieren, mit engagiertem Auf-und-Ab-Rennen. "Die Freude über unsere gute Defensivleistung überwiegt bei mir an diesem Tag", so das Fazit des gebürtigen Landshuters - wobei er dann auch nicht vergaß, sich für die außergewöhnliche Atmosphäre rund um das Retromatch zu bedanken: "Das war schon außergewöhnlich. Das hat uns noch den einen oder anderen Prozentpunkt zusätzlich gebracht."

Dass sein eigenes Team am Samstag nur eine nennenswerte Großchance besaß - nach einem Kopfball von Gregoritsch musste Stefan Ilsanker kurz vor der RB-Torlinie retten (81.) - darauf ging Baum dagegen lieber nicht ein. Im Gegensatz zu Manager Stefan Reuter: "Es gibt halt auch mal Spiele, in denen es nur wenige Strafraumszenen gibt. Aber trotzdem habe ich eine respektable Leistung von uns gesehen", so der Weltmeister von 1990 zufrieden.

Andre Hahn sah es ähnlich: "RB Leipzig war vor der Partie Tabellenzweiter, ein Punkt gegen so eine Mannschaft ist unter dem Strich absolut in Ordnung, Außerdem tut es enorm gut, dass wir nun erstmals in der laufenden Saison zu Null spielten." Und doch, auch ihm taten die Fans ein bisschen Leid: "Gerade für sie hätte ich an diesem Samstag lieber 4:3 gewonnen als nur 0:0 gespielt. Aber der Ball lief auf beiden Seiten nicht gut, beide Seiten haben nur zerstört."

Im Zwischenklassement hat der FCA jetzt neun Punkte nach acht Partien auf dem Konto - das sieht doch arg nach Mittelmaß aus. Am kommenden Samstag geht es für die Schwaben zu Hannover 96 - "und dort werden wir auch das mit den vielen Torraumszenen nachholen", verspricht Khedira mit einem Augenzwinkern. Nur schade für die meisten der offiziell 28703 Zuschauer vom Retrospieltag, dass sie das dann wohl nicht live im Stadion miterleben werden.

 

Roland Kaufmann