Doppelt erfolgreich

Judoka Daniel Scheller holt Bronze bei der Gehörlosen-EM und wird Mannschaftsmeister mit dem TSV Abensberg

03.12.2019 | Stand 23.09.2023, 9:44 Uhr
Sabine Kaczynski

Abensberg/Ingolstadt - Weil er als Kind sehr viel Energie hatte, wurde der Ingolstädter Daniel Scheller schon als Fünfjähriger zum ersten Mal von seiner Mutter zum Judotraining geschickt.

Bis heute blieb der 22-Jährige seinem Sport treu - unter besonderen Bedingungen und inzwischen mit sehr großem Erfolg.

Zunächst kämpfte er unter seinem ersten Coach Alexander Hamm für den MTV Ingolstadt, wechselte aber später zu seinem heutigen Verein, dem TSV Abensberg: "Dort hatte ich einfach bessere Perspektiven, um mich weiterzuentwickeln", erklärt Scheller, der inzwischen fünfmal pro Woche trainiert.

Entscheidend für seine Entwicklung war Trainer Jürgen Öchsner, der vor rund drei Jahren zum TSV Abensberg kam, das Potenzial des jungen Ingolstädters erkannte und ihn entsprechend förderte. Inzwischen gehört Scheller zur 1. Herrenmannschaft des Vereins, mit der er unter Trainer Radu Ivan im Oktober in der Judo-Bundesliga sogar den Meistertitel holte - ein Riesenerfolg für Abensberg, ein Riesenerfolg für Scheller. Abgerundet wurde das Ganze dann eine Woche später noch durch Platz zwei bei der Deutschen Pokalmeisterschaft.

Seit kurzem startet er auch für die deutsche Nationalmannschaft. Scheller hat nämlich eine Besonderheit, die einem auf den ersten Blick gar nicht unbedingt auffällt: Der 22-Jährige ist von Geburt an hochgradig schwerhörig - und Jürgen Öchsner, der inzwischen den Posten des Bundestrainers für den Deutschen Gehörlosen-Sportverband (GSV) in der Sparte Judo bekleidet, nutzte sofort die Möglichkeit, den talentierten Ingolstädter ins deutsche Auswahlteam zu berufen.

Er kannte die Leistungen seines ehemaligen Schützlings und holte ihn für die EM der Gehörlosen in den Nationalkader. "Dass ich mit der deutschen Delegation nach Belgien fahren durfte, war für mich ein absolutes Highlight", meint Scheller, für den der Anruf des Bundestrainers dennoch keine Überraschung war: "Es gibt in Deutschland nur sehr wenige schwerhörige Judoka. National gibt es keinen, der bei den Normalhörenden so erfolgreich ist wie ich", sagt der junge Mann selbstbewusst.

Als Anfang des Jahres die Sparte Judo beim Deutschen Gehörlosen-Sportverband gegründet wurde, war sofort klar, dass der Ingolstädter mit an Bord sein würde. Dass er jedoch im belgischen Brasschaat gleich die Bronzemedaille abräumen würde, war angesichts des starken internationalen Teilnehmerfeldes nicht unbedingt zu erwarten.

Zudem war die Woche vor der EM eine ziemliche Tortur für den Ingolstädter: "Ich musste noch drei Kilo abnehmen und habe zwei Tage vor der Abwaage gar nichts gegessen, um das optimale Gewicht zu erreichen", erinnert sich Scheller. Am Wettkampftag erarbeitete sich der Ingolstädter aber nach seiner Auftaktniederlage und einem Sieg im zweiten Kampf den Einzug in das "kleine Finale", wo er sich gegen den Russen Rustem Nazmutdinov durchsetzte und so einen hervorragenden dritten Platz erreichte. "Der Gewinn der Bronzemedaille war eine Riesen-Erleichterung für mich, denn ich spürte im Vorfeld schon einen gewissen Leistungsdruck, weil ich der Hoffnungsträger des Bundestrainers war", erklärt Scheller, der somit sowohl mit den normalhörenden Kollegen im Verein als auch bei den schwerhörigen Sportlern im Nationalteam Erfolge feiert.

Und wo liegt nun der Unterschied? "Bei den Schwerhörigen hat jeder die gleichen Voraussetzungen, also muss man die Hörgeräte beim Aufwärmen und beim Kampf herausnehmen. Bei den Hörenden nehme ich sie aber aus Sicherheitsgründen auch heraus - und bin dann quasi taub. Daher muss ich bei den nur wenige Sekunden dauernden Kampfunterbrechungen Blickkontakt mit dem Trainer aufnehmen, während der Coach des Hörenden auch in der Kampfphase Anweisungen rufen darf. Ich bin also während des Kampfs auf mich alleine gestellt", erklärt der 22-Jährige.

Für die Zukunft hat er große Pläne: "Als Erstes steht im Januar die Deutsche Meisterschaft an, bei der ich auf jeden Fall ein gutes Ergebnis anstrebe. Dann findet im April die Weltmeisterschaft der Gehörlosen in Paris statt, bei der ich auch in die Medaillenränge kommen möchte. " Und es geht noch weiter: "Außerdem hat mir der Bundestrainer bereits meine Teilnahme für die Deaflympics, also die Olympiade der Gehörlosen, im Jahr 2021 zugesichert. Dort werden dann auch Nationen wie Korea, Brasilien oder Japan, die komplett auf den Judosport fokussiert sind, teilnehmen", freut sich Scheller schon.

DK

Sabine Kaczynski