Zell
"Das war alles irgendwie skurril"

Eisstock-WM in Regen: Christoph Öttl vom SC Zell gewinnt Bronze im Mannschaftsspiel - Coronavirus überschattet Wettkämpfe

16.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:14 Uhr
Führte sein Team zu Bronze: Trotz der widrigen Umstände schafften es Christoph Öttl (2. v.l.) und die Nationalmannschaft bei der WM im eigenen Land aufs Podium. −Foto: Öttl

Zell/Regen - Das deutsche Team um den Zeller Kapitän Christoph Öttl hat bei der Eisstock-WM in Regen am vergangenen Samstag den dritten Platz im Mannschaftsspiel belegt und sich somit mit seinem Minimalziel zufriedengeben müssen.

 

Der Sport war am Finaltag aber schon längst in den Hintergrund gerückt, beherrschendes Thema war auch bei den Stockschützen das Coronavirus und dessen weitreichende Auswirkungen.

"Der dritte Platz ist leistungsgerecht, wir haben unsere Qualitäten nicht aufs Eis gebracht", sagte Christoph Öttl vom SC Zell, bevor er einräumte: "Das war natürlich auch den Umständen geschuldet. Der Fokus rein auf das Sportliche war nicht ganz so einfach. " Nach einer stabilen Hinrunde (wir berichteten) hatte seine Mannschaft auch nach der Rückrunde Rang zwei belegt und hatte somit die Bronzemedaille schon sicher - nur gegen Österreich und Italien hatten sie Niederlagen hinnehmen müssen. Am Finaltag im Page-Playoff-System, für den sich die ersten vier Nationen qualifizierten, hatte die deutsche Mannschaft als Zweitplatzierter dann gleich zweimal die Möglichkeit, sich für das Endspiel zu qualifizieren. Allerdings verlor sie zunächst die Partie gegen den Gruppenersten Österreich. Um doch noch ins Finale einzuziehen, hätte Deutschland nun den Sieger der Begegnung Dritter gegen Vierter schlagen müssen, doch auch die Italiener gewannen gegen Öttl und Co. ein zweites Mal. "Wir haben zu viele individuelle und auch ganz ungewohnte Fehler gemacht. Jeder hat gepatzt", erklärte Öttl. So reichte es für die Weltmeister von 2018 nur für die Bronzemedaille, der Traum von der Titelverteidigung im eigenen Land war geplatzt. "Es war umso bitterer, dass das Finale zwischen Italien und Österreich sehr fehlerbelastet war. Wir hätten alle Chancen gehabt", ärgerte sich der 36-Jährige.

 

Denn auch wenn "der dritte Platz in Ordnung geht", machte Öttl keinen Hehl aus seiner Enttäuschung. Vor allem die Rahmenbedingungen stießen beim Zeller Stockschützen auf Unverständnis. "Uns erreichten ständig andere Nachrichten. Zuerst hieß es, die WM wird beendet, danach kam die Beschränkung auf 300 Zuschauer, dann ein kompletter Fan-Ausschluss. Am Freitag sah es sogar doch nach einem Abbruch aus, bevor eine behördliche Anordnung dafür sorgte, dass der Finaltag schon um sechs Uhr startete und nicht - wie ursprünglich geplant - gegen Mittag. Das war alles irgendwie skurril. " Eine Absage und ein damit einhergehendes Verschieben auf einen späteren Zeitpunkt hätte für den deutschen Mannschaftskapitän deutlich mehr Sinn gemacht - auch im Interesse des Veranstalters. "Die WM ohne Zuschauer durchzuziehen ist ein Riesenverlust für die Organisatoren, rein finanziell ein Desaster. " Das bestätigte auch Manuela Hallhuber, Vorsitzende des Organisationskomitees: "Der Schaden beläuft sich auf 100000 bis 125000 Euro. Die Signale für Unterstützung seitens des Verbands und des Landkreises sind zwar da, aber wie das ganze abläuft, ist noch nicht bekannt. Ich gehe davon aus, dass wir zumindest privat auf keinem Schaden sitzenbleiben", erklärte sie auf Nachfrage unserer Zeitung. Dass ein Verschieben natürlich auch den Eisstockschützen entgegengekommen wäre, steht dabei außer Frage. Bei denen litt nämlich nicht nur die Konzentration unter der Ausnahmesituation, sondern auch die Stimmung: "Die Zuschauer sind das Nonplusultra für uns Sportler. Im Eisstockschießen schauen sonst kaum mehr als 20 Personen zu, jetzt hätten wir einmal vor mehreren tausend Fans spielen können. Das ist bitter", beschrieb Öttl seinen Frust über die Heim-WM vor leeren Rängen. So aber sei die Stimmung "seltsam" gewesen: "Wenn man auf dem Eis stand, konzentrierte man sich auf den Sport. Sobald man aber die Eisfläche verließ, ging es fast nie um die WM, sondern nur um das Coronavirus", sagte der 36-Jährige, der besonders mit dem italienischen Team in regem Austausch stand: "Die haben zum Teil Schockierendes aus ihrer Heimat erzählt. Da rückt der Sport in den Hintergrund. "

Für Öttl, der seine Karriere eigentlich im Anschluss an das Turnier beenden wollte, hat das Heim-WM-Fiasko nun womöglich auch noch weitreichende Folgen. "So will ich nicht aufhören. Das Ganze war nicht zufriedenstellend. Auch meine Vereinskameraden und meine Frau haben gesagt, dass ich meine Karriere so nicht beenden kann. Ich muss mich sammeln und habe dann in zwei Wochen das Gespräch mit dem Bundestrainer, nach dem ich über meine Zukunft entscheiden werde. " Ein unrühmliches Ende einer Weltmeisterschaft im eigenen Land, die ursprünglich einmal das Sahnehäubchen einer erfolgreichen Karriere werden sollte.

DK

 

Benedikt Schimmer