Hilpoltstein
"Spaß haben, möglichst weit kommen"

Ping-Pong-Masters statt Weltmeisterschaft: Alexander Flemming vom TV Hilpoltstein nimmt an Turnier in England teil

20.01.2021 | Stand 20.03.2021, 3:34 Uhr
In einem dramatischen Finale trifft Alexander Flemming bei der Ping-Pong-WM 2020 auf den vierfachen Weltmeister Andrey Baggeley und muss sich sich geschlagen geben. Beim Masters am Wochenende könnte der Hilpoltsteiner Revanche nehmen. −Foto: Matchroom Sport

Coventry/Hilpoltstein - Das dritte Januar-Wochende hatte in den letzten sieben Jahren einen festen Platz im Terminkalender des Alexander Flemming.

Stets packte Hilpoltsteins Zweitliga-Tischtennis-Spieler seine sieben Sachen, flog nach London, rockte unter seinem Kampfnamen "the flash" die schrille Clickball-Welt und sorgte bei den "World Championships of Ping Pong" mit einem dritten und drei zweiten Plätzen im altehrwürdigen Alexandra Palace für Furore.

Doch in diesem Jahr ist vieles anders. Die Sandpapier-Weltmeisterschaft fiel der Corona-Pandemie zum Opfer, dafür wurde das Matchroom Launch "World Ping Ping Masters" ins Leben gerufen. Auf den ersehnten WM-Titel muss Flemming also noch warten. Immerhin lockt der Veranstalter mit einer üppigen "Ersatzbefriedigung". Dem Sieger des Turniers winkt ein "Trostpreis" von 25000 US-Dollar. In dieser Hinsicht sind die Masters der WM sogar einen Schritt voraus.

Der Trip auf die Insel ist also auch anno 2021 ein durchaus lukratives Ziel für "the flash", wenngleich die Begleitumstände gänzlich andere sind. Kein hully gully in Londons "Ally pally", keine Party, keine Kostüme, kein schräges Publikum, dafür ein Leben in einer Ping-Pong-Blase zusammen mit den anderen 23 Teilnehmern in Coventry, einer englischen Industriestadt in den West Midlands unweit von Birmingham. "In Coventry ist es logistisch einfacher, eine Blase zu bilden als in London", zeigt Flemming Verständnis für die ungewöhnliche Location.

Schlichtheit ist angesagt in diesen Tagen. Ebenso Motivation, Disziplin und Konzentration auf das Wesentliche schon im Vorfeld: Auf seinem Facebook-Account lässt Alex seine Follower am täglichen Balleimertraining im Keller seines Hauses teilnehmen. Wie er zum Beispiel mit seinem achtjährigen Neffen Paul im schicken Flash-Trikot mit dem Blitz auf dem Rücken die Bälle schlägt.

Und dann war da noch ein Überraschungsgast in Alex' Trainingscamp zu Gast: Sabine Winter vom TSV Schwabhausen nahm vom Veranstalter des Masters eine Wildcard an, womit sie durch das Startgeld die Kosten zweier Tischtennis-Turniere in Katar zumindest teilweise aufbringen kann. Doch da Ping Pong für die 28-jährige Nationalspielerin völliges Neuland ist, absolvierte sie bei Flemming einen insgesamt dreistündigen Crashkurs. Winter, die unter dem Kampfnamen "Ms Blizzard" startet, freut sich auf die neue Erfahrung, wenngleich sie sich keinerlei Illusionen hingibt. "Hoffentlich blamiere ich mich nicht allzu sehr. "

Das war ein wenig Abwechslung für Flemming, dessen erprobter "Ping-Pong-Modus" heuer deutlich spartanischer ausfiel. Der 33-Jährige meidet unnötige Kontakte. Bloß nicht anstecken, lautet seine Devise. "Ich bin recht vorsichtig geworden und entwickle mich langsam zum Hypochonder", schmunzelt er.

Auch das Anreise-Prozedere gestaltet sich im Jahr 2021 erheblich rigider. Vor dem Abflug nach England musste er sich einem Corona-Test unterziehen, ebenso nach der Ankunft. Anschließend ging es 24 Stunden in Quarantäne. Danach begab er sich zusammen mit den 23 anderen Turnier-Teilnehmern in die vom Veranstalter vorgesehene Ping-Pong-Blase. Das Hotel darf er dann abgesehen von kleinen Spaziergängen und den Spielen in der Ricoh Arena nur in Ausnahmefällen verlassen.

Ganz allein ist er jedoch nicht. Jedem Spieler steht offiziell ein Betreuer zu. Flemming hat seinen Freund und Hilpoltsteiner Vereinskollegen Dennis Dickhardt, dem es inzwischen deutlich besser geht, für diesen Job auserkoren. Einfach ist das nicht, denn auch Dickhardt muss in die Blase. Ebenfalls dabei ist Edelfan Andreas Neste aus Castrop-Rauxel als offizieller Betreuer von Sabine Winter. Ein wenig Nestwärme kann im winterlichen Coventry nicht schaden.

Seine Motivation, sein Enthusiasmus und sein Ehrgeiz sind allen Widrigkeiten zum Trotz ungebrochen. Auch an seinen Zielen - "Spaß haben, möglichst weit kommen, am Besten ganz oben aufs Treppchen" - hält er fest. Und die Aussichten für einen Premierenerfolg bei den "Masters" sind so schlecht nicht. Das Feld ist deutlich abgespeckt. Gespielt wird im einfachen KO-System. Spieler aus China sind keine dabei. Alles ist angerichtet: Einer Revanche für die unglückliche Fünf-Satz-Niederlage gegen den vierfachen Weltmeister Andrey Baggeley steht nichts mehr im Wege. Die Masters können kommen.

Übrigens: Die Weltmeisterschaften sind nur verschoben. Gut möglich, dass die zehnte Auflage dieses Wettbewerbs in diesem Jahr noch stattfindet. Wann und wo auch immer.

Die deutschen Rechte für das Turnier hat sich der kostenpflichtige Streamingdienst DAZN gesichert. Wer Flemming sehen möchte, sollte am Samstagnachmittag einschalten, der 33-Jährige ist als einer der Favoriten für das Achtelfinale gesetzt. Am Sonntag folgen die weiteren Runden, das Finale findet um 17.30 Uhr englischer Zeit statt, also 18.30 Uhr in Deutschland.

HK