Ins Abseits manövriert - ein Kommentar zur Entlassung des spanischen Nationaltrainers

13.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:47 Uhr
Timo Schoch

Es ist in etwa so, als wenn der FC Bayern drei Tage vor dem WM-Auftaktspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft plötzlich Bundestrainer Joachim Löw als neuen Coach vorstellen würde. DFB-Präsident Reinhard Grindel ist darüber so wütend, dass er Löw daraufhin feuert. Undenkbar? Nicht in Spanien.

Alles hat seinen Ursprung bei Zinedine Zidane. Hätte der französische Trainer von Real Madrid nicht überraschend seinen Rücktritt nach dem gewonnenen Champions-League-Finale verkündet, wäre aktuell noch alles in Butter. So aber kontaktierte der spanische Top-Klub kurzerhand den spanischen Nationaltrainer. Auch bis dahin wäre alles noch in Ordnung gewesen. Doch Lopetegui informierte den Verband nicht, dazu gab Real Madrid die brisante Personalie kurz vor der WM bekannt. Völlig unnötig, schließlich war bereits damit klar, dass Madrid die WM-Mission seines späteren Trainers in Gefahr bringen würde. Denn die spanische Mannschaft besteht zu großen Teilen mit Spielern aus Madrid und dem Konkurrenten FC Barcelona. Lopetegui hatte zuvor die Gräben dieser rivalisierenden Vereine zugeschüttet, mit diesem Wechsel waren sie wieder offen.

Allerdings ist das kein Grund, einen Trainer so kurz vor dem WM-Auftakt zu entlassen - vor allem deshalb nicht, weil Lopetegui einen attraktiven Fußball spielen ließ und seit 20 Partien ohne Niederlage war. Eine Abmahnung hätte ausgereicht. So aber müssen auch Eitelkeiten eine Rolle gespielt haben, in erster Linie bei Verbandschef Rubiales, der eben in die Verhandlungen nicht eingeweiht war. Allerdings nicht nur bei ihm, sondern bei allen beteiligten Personen. Real Madrid wollte den neuen Trainer so schnell wie möglich hinausposaunen und sich keine Schwäche in der Trainerfindung nachsagen lassen. Und dann natürlich bei Lopetegui selbst, der sehr schlecht beraten war, nicht darauf zu bestehen, diese für ihn an sich tolle Nachricht zu Real Madrid zu wechseln, nicht bis nach der WM zurückzuhalten. Da ist wohl auch bei ihm die Eitelkeit durchgegangen.

So stehen am Ende alle als Verlierer da: Lopetegui tritt mit der Bürde einer Entlassung bei Real an, Verbandspräsident Luis Rubiales hat mit diesem bislang einmaligen Vorgang ein Erbeben innerhalb des Teams ausgelöst und Real Madrid zieht den Zorn der spanischen Fußballfans auf sich, falls Lopeteguis Nachfolger, Sportdirektor Fernando Hierro, die WM-Mission in den Sand setzt. Denn so unwahrscheinlich ist das nach diesem Chaos gar nicht. Schließlich kann so ein Vorgang kein Profi der Welt ausblenden. Spanien hat sich jedenfalls schon vor dem WM-Start gegen Portugal ins Abseits manövriert.
 

Timo Schoch