Ingolstadt
Ein Umbruch unter Zeitdruck

Neuaufbau muss schnell funktionieren, sonst verpasst der FC Ingolstadt den Anschluss

22.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:19 Uhr
Christian Träsch (links) soll nach den Vorstellungen von FCI-Trainer Stefan Leitl in der neuen Saison noch stärker eine Führungsrolle im Team der Schanzer einnehmen. −Foto: Bösl

Ingolstadt (DK) Vier Jahre ist es her, dass der FC Ingolstadt seinen Höhenflug begann, der im Aufstieg in die Bundesliga gipfelte. Wir vergleichen die Situation von damals und heute und zeigen auf, wo die Schanzer derzeit stehen.

Nur vier Jahre liegen zwischen dem Saisonende 2013/2014 mit damals 44 Punkten und Rang zehn in der 2. Bundesliga und heute mit 45 Zählern und Platz neun. Und doch liegen Welten dazwischen, wenn man die Voraussetzungen von damals mit jetzt vergleicht.

FINANZEN

Der größte Unterschied besteht in den finanziellen Rahmenbedingungen. Alleine schon die Entwicklung bei den Fernsehgeldern verdeutlicht dies. Rund sechs Millionen erhielten die Schanzer in der Saison 2014/2015. Durch den Aufstieg in die Bundesliga und der zugrundeliegenden Fünfjahreswertung für die Verteilung der TV-Einnahmen starten die Ingolstädter nun mit rund 16 Millionen Euro in die neue Spielzeit - ein Quantensprung. Dieser hat aber nur Bestand, wenn der FCI weiter oben mitmischt. Insofern kostet die 1:3-Heimniederlage zum Abschluss gegen Kaiserslautern auch bares Geld. Ein möglicher Platz vier oder fünf hätte sich künftig finanziell positiver bemerkbar gemacht als Rang neun. Ein weiterer Schritt nach vorne gelang dem FCI aber auch in punkto Sponsoring. Vor vier Jahren trug Audi als Haupt- und Trikotsponsor neben vielen lokalen Partnern die Last noch weitgehend alleine. Mittlerweile sind Trikotpartner Media Markt und weitere überregionale Großsponsoren wie Falken Reifen, Coca Cola oder das Gebäudetechnikunternehmen RGS hinzugekommen. Und nicht zuletzt haben die Schanzer nach dem Bundesliga-Abstieg durch Spielerverkäufe erhebliche Transfereinnahmen erzielt, die sich letztlich zu einen Überschuss von rund 15 Millionen Euro summierten.

 

SPIELERKADER

Die Kehrseite der Medaille: Mittlerweile ist das Tafelsilber weitgehend veräußert, die Transfereinnahmen sind netto nach Steuern nur noch die Hälfte wert und der FCI muss erst wieder eine Mannschaft aufbauen, die höheren Ansprüchen genügt. Allerdings: Vor vier Jahren war die Situation ähnlich. Vermeintliche Top-Transfers wie die von Tamas Hajnal und Christian Eigler zündeten nicht - bis zum Ende der Saison 2013/2014 wurden elf Spieler aussortiert oder spielten keine Rolle mehr, und mit Andreas Buchner verließ der letzte Akteur, der noch den Weg aus der Gründungssaison 2004/2005 in der Bayernliga mitgegangen war, das Profi-Team. Um die Korsettstangen Ramazan Özcan, Marvin Matip, Roger, Pascal Groß und Moritz Hartmann wurde dann eine neue Mannschaft gebaut, die unter Trainer Ralph Hasenhüttl wie eine Rakete emporschoss. Jetzt steht wieder ein Umbruch bevor. Mit Matip und Almog Cohen sind nur noch zwei Spieler aus der Aufstiegssaison übrig. Örjan Nyland, Christian Träsch und Sonny Kittel sind weitere Fixpunkte im Team, ansonsten müssen die Schanzer nach sechs Abgängen abermals eine neue Mannschaft formen.

SPORTLICHE LEITUNG

Mit Thomas Linke als Sportdirektor, der sich in der Öffentlichkeit sehr zurückhielt, aber im Hintergrund als harter Verhandlungspartner wirkte, Michael Henke als erfahrenem Co-Trainer und exzellentem Analytiker und Ralph Hasenhüttl als ehrgeizigem Chefcoach und Menschenfänger fand sich im Herbst 2013 ein Trio, das auf Anhieb gut funktionierte. Als mit Hasenhüttl nach dem erreichten Klassenerhalt in der Bundesliga das Zugpferd den Schanzer Stall verließ, war das Erfolgsteam gesprengt - die Abwärtsspirale begann sich in Gang zu setzen, und der schleichende Abgang der verbliebenen Protagonisten folgte. Nun versuchen es die Ingolstädter mit einer neuen Besetzung. Der Unterschied: Weder Sportdirektor Angelo Vier noch das neue Trainergespann Stefan Leitl/Andre Mijatovic haben auf dem hohen Niveau ihrer Vorgänger bereits Erfahrung gesammelt, sondern müssen das erst tun.

 

ZUSCHAUER

Die Enttäuschungen der vergangenen Saison spiegeln sich in den Zuschauerzahlen nicht wider. Mit 174000 Besuchern im Audi-Sportpark, der im Derby gegen den Club zwar nur einmal ausverkauft war, zogen die Schanzer sogar mehr Fans an als in der Aufstiegssaison 2014/ 2015 (167000). Der Aufschwung nach dem Bundesliga-Aufstieg wirkt also nach. Zum Vergleich: 2013/2014 kamen nur 115000 Zuschauer zu den Spielen. Und für die neue Spielzeit sind bereits wieder 2500 Dauerkarten verkauft, in der Aufstiegssaison waren es bis Weihnachten nur 1700. Trotzdem gibt es noch Nachholbedarf - der FCI verbuchte nach Sandhausen, Aue und Fürth den viertschwächsten Besuch aller Zweitligisten.

NACHWUCHS

2013 schaffte unter Trainer Tomislav Stipic erstmals ein Jahrgang (U17) den Sprung in die Bundesliga. Aber nachhaltig war dieser Erfolg nicht, ebensowenig kamen bisher Talente bis zu den Profis durch. Doch Besserung ist in Sicht. Die U19 ist bereits aufgestiegen, die U17 hat als Bayernliga-Spitzenreiter beste Chancen, im letzten Heimspiel gegen Verfolger 1860 München den zweiten Coup zu schaffen - damit hätten die Schanzer erstmals (wie die meisten Erst- und Zweitligisten) zwei Nachwuchsteams in den höchsten Ligen. Zudem stehen mit Maximilian Thalhammer, Fatih Kaya und Patrick Sussek drei Eigengewächse auf dem Sprung in den Profi-Kader oder haben die ersten Einsätze schon hinter sich.

FAZIT

Die Voraussetzungen für den FCI, sich dauerhaft im Vorderfeld der 2. Bundesliga etablieren zu können, sind dank der guten Infrastruktur und den noch ausreichenden finanziellen Mitteln vorhanden. Allerdings hängt viel davon ab, ob die Schanzer die richtigen Spieler verpflichten und rasch zu einer Einheit formen können. Sportdirektor Vier und das Trainergespann Leitl/Mijatovic stehen jedoch nach der verkorksten Rückrunde unter Druck. Gelingt es ihnen nicht, dem FCI ein neues, frisches Gesicht zu verleihen und sportliche Fortschritte vorzuweisen, drohen unruhige Zeiten und der nächste Neuanfang.

Gottfried Sterner