Ingolstadt
Er wird wieder gebraucht

FCI-Trainer Tomas Oral setzt im Abstiegskampf auf Stefan Kutschke - und der ist auch sofort zur Stelle

08.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:34 Uhr
Körperlich präsent: 1,94-Meter-Mann Stefan Kutschke im Kopfballduell gegen Duisburgs Tim Albutat. Der FCI-Stürmer spulte mit 11,63 Kilometern das größte Laufpensum aller Schanzer ab. −Foto: Bösl

Ingolstadt (DK) Stefan Kutschkes Profikarriere glich schon immer einer Achterbahnfahrt. Aber so extrem wie beim FC Ingolstadt war das Wechselbad der Gefühle selbst bei ihm selten. Seit dem 4:2-Sieg am vergangenen Samstag in Duisburg schlägt das Pendel mal wieder Richtung Stimmungshoch aus - bei Trainer Tomas Oral ist der 30-jährige Stürmer plötzlich gefragt.

Nach vier Monaten, in denen er über Kurzeinsätze kaum hinauskam, stand der Dresdner erstmals wieder in der Startelf. Auf dem rechten Flügel oder im Zentrum neben Dario Lezcano diente der 1,94-Meter-Mann als Anspielstation für die langen Bälle. Kutschke attackierte in seiner bekannt körperbetonten Art die Gegner, rannte, rackerte und legte Bälle für seine Sturmpartner auf - und siehe da, seine drei FCI-Mitangreifer, Lezcano, Sonny Kittel und Thomas Pledl trafen. Kurzum, Kutschke, der zudem die meisten Meter aller FCI-Spieler machte, war ein wichtiger Faktor im Spiel. "Ich bin kein Sonny Kittel, der drei Mann ausspielen kann. Aber irgendeine Stärke muss man haben, Laufen ist eine von mir", sagt Kutschke mit Selbstironie.

Dass Kutschkes Comeback überhaupt möglich wurde, hat viel mit Trainer Oral zu tun. Der 45-Jährige war bereits in der Regionalliga Nord sein Mentor und holte ihn einst vom SV Babelsberg zu RB Leipzig. Er kennt seine Fähigkeiten und weiß, wie er sie einsetzen muss - für den jetzt im Abstiegskampf gefragten Fußball ist Kutschke geradezu prädestiniert. "Er hat sein Herz wiedergefunden", sagt Oral, der das mit wenigen Worten erreichte. "Vertrauen ist für jeden Spieler ein wichtiger Aspekt. Ich brauche nicht jeden Tag Einzelgespräche, aber eine klare Aufgabe. Und die versuche ich dann so gut wie möglich umzusetzen", meint Kutschke, der auf dem Platz oft aggressiv wirkt, jedoch durchaus sensibel ist und mit seinem nicht unerschütterlichen Selbstvertrauen kämpft.

Kutschkes zusätzliches Problem: Sein Spielertyp war beim FCI seit seinem Wechsel 2017 selten gefragt. Trainer Maik Walpurgis plante ursprünglich mit einer Doppelspitze, war jedoch nach drei Spieltagen Geschichte. Dessen Nachfolger Stefan Leitl versuchte seinen vermehrt spielerischen Ansatz zunächst meist wechselweise mit Lezcano oder Kutschke zu lösen, ehe er zur neuen Saison fast nur noch auf den Paraguayer baute. Bei Alexander Nouri war der FCI-Hüne kurzzeitig wieder gesetzt, ehe Jens Keller fast völlig auf ihn verzichtete. Dynamo Dresdens einstiger Held erlebte einen stetigen Bedeutungsverlust.

Kutschke, der beim FCI einen Vertrag bis 2021 besitzt, gibt freimütig zu, dass er sich schon einige Male gedacht hat, am falschen Ort zu sein. "Ich kam von Dynamo Dresden als 16-facher Torschütze hierher und hoffte, es geht einfach so weiter. Klar gab es hier ein anderes Spielsystem, aber ich dachte, das wird schon werden. Doch es kam ganz anders", blickt Kutschke zurück, beklagt aber nicht die meist nicht auf ihn zugeschnittene Spielphilosophie. "Es hat nie jemand zu mir gesagt, dass er nicht auf mich baut. Also war es meine Aufgabe, mich anzubieten und besser zu sein als andere. Aber ich muss zugeben, dass mir das nicht immer gelungen ist", sagt Kutschke selbstkritisch.

Umso erstaunlicher, dass er nach so vielen Rückschlägen nun sofort funktionierte, als er wieder gebraucht wurde. Sein Rezept: eine professionelle Einstellung. "Ich habe einen Vertrag mit einer Verpflichtung unterschrieben. Ich habe meine Fähigkeiten, ich will kämpfen, meine Mitspieler mitreißen und versuche mit meiner Art der Mannschaft zu helfen. Wenn das gefragt ist, stehe ich meinen Mann", sagt Kutschke, nimmt aber auch das Team in die Pflicht. "Wir Spieler hatten in der vergangenen Woche ein Gespräch mit den Mitarbeitern im Verein. Da wurde einigen klar, dass es da um Arbeitsplätze und Zukunftsvisionen von Menschen geht. Vielleicht war das noch mal ein Zeichen."

Jetzt hofft Kutschke, dass der Sieg in Duisburg einen Schub auslöst. "Es war ein schönes Gefühl, in Gesichter zu schauen, die sich freuen. Da ist vielen ein Stein vom Herzen gefallen", sagt der Dresdner, wiederholt aber pflichtbewusst die Worte des Trainers an die Mannschaft: "Es war erst ein ganz kleiner Schritt. Keiner darf abweichen und denken, das wird schon. Was der Sieg bewirkt, zeigt sich am Sonntag gegen Kiel."
 

Gottfried Sterner