Berlin
"Gefühlt leere Hände": Bittere Münchner Trauerfeier mit "Rentner" Heynckes

20.05.2018 | Stand 02.12.2020, 16:22 Uhr

Berlin (SID) - Der große Jupp Heynckes geht als Verlierer - und zeigt in der Niederlage abermals Größe. Er hinterlässt seinem Nachfolger Niko Kovac bei Bayern München ein schweres Erbe.

"Rentner" Jupp Heynckes hätte sich die Trauerfeier am Münchner Marienplatz gerne erspart. Mit dem Pokal wäre er "freudestrahlend hingegangen", sagte der scheidende Trainer von Bayern München über die Pflicht-Party am Sonntagnachmittag vor Tausenden Fans, aber so? Nach dem 1:3 (0:1) im Finale gegen Eintracht Frankfurt in seinem letzten Spiel als Coach? Nun ja, "das werden wir auch noch überstehen".

Heynckes gab damit die allgemeine Stimmung beim erfolgsverwöhnten FC Ruhmreich wieder. Ein Foto, das Präsident Uli Hoeneß und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge auf der Ehrentribüne des Olympiastadions mit weit nach unten gezogenen Mundwinkeln völlig ratlos zeigt, sprach Bände.

Es tue ihm "leid", sagte Rummenigge beim Mitternachtsbankett in Berlin, dass Heynckes nicht mit dem Double "in den mehr als verdienten Ruhestand" gehen könne. Thomas Müller sprach vor dem "bitteren Gang" mit dem Trostpreis Meisterschale zu den Fans von einer "Riesen-Riesen-Niederlage".

Das Champions-League-Aus, jetzt die unerwartete Pleite im letzten Spiel von Heynckes - für Müller war das alles ein "Riesen-Riesen-Mist. Es hätte was Großes werden können dieses Jahr, jetzt stehen wir da mit gefühlt leeren Händen, und jeder ist extrem unzufrieden". Beim unglücklichen Aus in der Königsklasse gegen Real Madrid "wurde uns ein bisschen der Stecker gezogen", sagte Müller, "wir hätten das professioneller abstreifen müssen".

Auch Heynckes konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. Als einer der ersten verließ er die Pokalparty in Berlin, kurz nach ein Uhr nachts war er zurück im Hotel am Gendarmenmarkt. Dort überreichte ihm ein Fan eine Packung "Merci"-Schokolade. "Dem FC Bayern steht es sehr gut zu Gesicht, Danke zu sagen", betonte Rummenigge bei seiner Bankettrede, Heynckes habe "Großartiges" geleistet für die Münchner. Als für den 73-Jährigen der Klassiker "Time to say goodbye" gespielt wurde, schwenkte Rummenigge wie zahlreiche Gäste einen rotweißen Fanschal mit der Aufschrift "Jupp Jupp Jupp".

Nicht nur da schimmerte es verdächtig in den Augen des Erfolgstrainers, dessen größter Triumph das Triple von 2013 bleibt. Groll etwa wegen des nicht gegebenen Elfmeters in der Nachspielzeit hegte er nicht, stattdessen zeigte er noch einmal Größe. "Da sollten wir nicht mit unserer Kritik ansetzen", sagte Heynckes, Frankfurt sei ein würdiger Sieger. Klar, der bittere Abschied mit seiner dritten Niederlage in einem Pokalfinale nach 1984 und 2012 "tut weh, aber das Leben geht weiter".

In München mit Niko Kovac, der der Eintracht zum Abschied den ersten Titel seit 30 Jahren schenkte. Die Bayern, versprach Heynckes, werden unter seinem Nachfolger "wieder angreifen". Was sein Kumpel Kovac drauf habe, sei spätestens in Berlin deutlich geworden, sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic. "Niko hat die Mannschaft richtig gut eingestellt und richtigen Knöpfe gedrückt."

Weltmeister Mats Hummels meinte, Kovac habe in der Hauptstadt "gezeigt, dass er ein guter Coach ist" und die Münchner Probleme "gezielt genutzt". Er sei optimistisch, dass Kovac "an unseren Schwachstellen schraubt" und es dann endlich wieder zum großen Wurf reiche, ergänzte Hummels.

Auch Kovac wird am Champions-League-Titel gemessen werden, zumal er sich aus Bayern-Sicht trotz der Niederlage von Berlin in ein gemachtes Nest setzt. "Niko übernimmt einen Verein, der völlig in sich ruht", sagte Hoeneß dem Münchner Merkur und empfahl dem 46-Jährigen, sich an Heynckes zu orientieren: "Wenn sich beim FC Bayern alle wohlfühlen, haben wir auch Erfolg. Jupp hat das brillant umgesetzt. Und es ist nun die Aufgabe von Niko, das fortzuführen."