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"Ich habe mein Ding knallhart durchgezogen": Im Gespräch mit Manfred "Manni" Bender

16.04.2021 | Stand 01.05.2021, 3:34 Uhr

Bereits als Fußballprofi hatte Manni Bender keine Angst vor großen Namen. Von Nationalspielern wie Kohler oder Augenthaler ließ sich das „schlampige Genie“ in seiner Zeit beim FC Bayern München nichts sagen. Im heutigen Profisport vermisst der 55-Jährige, der sich auch noch als Trainer versuchte, echte Typen.

 

Herr Bender, Sie sind der einzige Münchner, der für alle drei großen Profivereine der Stadt gespielt hat. Für welchen hegen Sie die größten Sympathien?

Manfred Bender: Zu Unterhaching und Bayern habe ich natürlich eine besondere Verbindung. Haching war mein erster Profiverein, und bei Bayern bin ich mit 23 schon Stammspieler gewesen und deutscher Meister geworden. Vor einem Jahr hätte ich daher wahrscheinlich noch gesagt 40 Prozent Unterhaching, 40 Bayern und 20 1860. Aber das hat sich geändert, weil mein Bub seit einem Dreivierteljahr bei 1860 spielt. Daher würde ich jetzt sagen 40 Prozent Unterhaching, 40 1860 und 20 Bayern.

Sie kamen 1989 mit 23 Jahren aus Unterhaching als großes Talent zum FC Bayern, trotzdem hatten sie als junger Spieler keine Angst vor großen Namen. Mit Klaus Augenthaler sollen Sie mal im Training einen Disput gehabt haben, weil Sie seiner Aufforderung, das Ballnetz zu holen, nicht nachgekommen sind. Wie war die Hackordnung im Team?
Bender: Zu meiner Zeit hat es, auch nach außen hin, eine klare Hierarchie gegeben. Die Nationalspieler waren die absoluten Bosse auf dem und außerhalb des Platzes. Als junger Spieler aus Unterhaching, der nicht 4, 5 Millionen gekostet hat, habe ich es schwer gehabt. Aber ich hatte unglaubliches Selbstvertrauen und habe mein Ding knallhart durchgezogen. Ich war nicht unterwürfig gegenüber einem Augenthaler, einem Jürgen Kohler oder anderen großen Namen.

Als Sie Kohler einmal im Training gefoult haben, soll er danach damit gedroht haben, Ihnen beide Beine zu brechen.

Bender: Ja, so ist es wirklich zugegangen. Als ich aus der Kabine auf den Platz bin, habe ich es hinter mir oft klackern gehört. Kohler und viele andere hatten Stollenschuhe an. Dann hast du gewusst: Anschnallen, es geht um die Stammplätze fürs Wochenende. Und dann ist im Training getreten worden, was das Zeug hält. Da hast du schon hochspringen müssen, um nicht erwischt zu werden.

Auch im Büro von Uli Hoeneß sollen Sie mal gelandet sein, weil Mitspieler sich über Ihre Laufwege beschwerten. Das würde bei Thomas Müller heute vermutlich keiner mehr tun.
Bender: Ja, zusammen mit Trainer Jupp Heynckes. Uli hat mir vorgeworfen, dass ich keinen Plan habe, wenn ich mit dem Ball in die Spitze laufe. Worauf ich ihm entgegnete: "Uli, wenn ich vorne reinlaufe, dann fällt mir schon was ein mit meiner Schnelligkeit und Technik." Heynckes sprang mir zur Seite, indem er Hoeneß erklärte, dass ich eben ein Instinktfußballer sei.

In einem Interview haben Sie kürzlich gesagt, dass Ihnen im heutigen Fußball "echte Typen" fehlen. Warum ist das so?
Bender: Ich glaube, weil man beim DFB und in den Nachwuchsleistungszentren zu lange Spieler nur auf einer Position ausgebildet hat. Aber man hat erkannt, dass das nicht der richtige Weg ist. Mein Kleiner spielt bei der U9 von 1860 mal im Sturm, mal im Mittelfeld und mal als Verteidiger. Es ist gut, dass Spieler wieder auf mehreren Positionen geschult werden.

Beim FC Bayern haben Sie mit Hansi Flick zusammengespielt. Was zeichnet ihn aus?

Bender: Hansi war ein absoluter Mannschaftsspieler. Als Sechser hat er die Löcher gestopft. Er war kein Egoist und hat nie zu den Rädelsführern gehört, sondern seriös seinen Job erledigt.

Wäre Flick für den Job als Bundestrainer geeignet?
Bender: Ich finde schon, er hat mittlerweile auch den Stellenwert dazu im deutschen Fußball. Bevor Hansi im November 2019 Bayern München übernahm, war die Mannschaft ja kurz davor zu scheitern, und dann holt er auf einmal sechs Titel. Wer hätte das damals gedacht? Die Bayern werden den Markt sondieren und überlegen, ob sie Flick freigeben oder nicht.

Wer wäre für Sie sonst ein geeigneter Kandidat?

Bender: Von den guten, deutschsprachigen Trainern ist aktuell keiner auf dem Markt, und dass der DFB einen Trainer holt, der die Sprache nicht spricht, glaube ich nicht. Stefan Kuntz ist noch in der Verlosung, aber ich glaube er wird eher die B-Lösung.

Zurück zu Ihrer Zeit als Spieler: 1992 sind Sie zum Karlsruher SC gewechselt. Dort hatten Sie unter Trainer Winnie Schäfer mit ihre erfolgreichste Zeit als Spieler. Im Gedächtnis ist vielen Fans sicher noch der 7:0-Sieg im Europapokal gegen Valencia. Wie ist Ihnen dieses Spiel in Erinnerung?
Bender: Dieser Abend war legendär und ging als die magische Nacht vom Wildpark in die Fußballgeschichte ein. Wir lagen im Hinspiel bereits 0:3 zurück und haben dann durch einen Freistoß von mir kurz vor Schluss das 3:1 gemacht. Im Rückspiel war es dann keineswegs so, dass wir von Beginn an überlegen waren. Oli Kahn hat früh zwei große Chancen zunichte gemacht. Mit der ersten Flanke von mir haben wir dann direkt das 1:0 erzielt. Und kurz darauf die Tore zum 3:0 nachgelegt. Valencia gab nach der Pause noch einmal alles und hatte noch eine große Chance, erst mit dem 4:0 war das Spiel so gut wie entschieden. Die Partie war die Sternstunde von Edgar Schmitt, der vier Tore erzielte, was ihm den Spitznahmen "Euro-Eddy" einbrachte. Auch für mich lief es gut, ich habe vier Tore aufgelegt.

Wie haben Sie Oliver Kahn in ihrer Zeit beim KSC erlebt?
Bender: Mit ihm hat es fast jede Woche irgendeinen Eklat gegeben, oft waren Edgar Schmitt, Rainer Schütterle oder ich beteiligt. Wir haben ihn oft aufgezogen, indem wir ihm zum Beispiel beim Fünf gegen Zwei einen Beinschuss verpassten. Dann ist er im Gegenzug auch mal auf Kniehöhe aus dem Tor heraus. Manchmal hat er sogar den einen oder anderen an der Gurgel gepackt.

Kahn wird im Winter Karl-Heinz Rummenigge als Vorstandsvorsitzenden des FC Bayern ablösen, trauen Sie ihm diese Aufgabe zu?
Bender: Grundsätzlich traue ich ihm diese Aufgabe zu, auch wenn er für mich als Torwart immer noch ein Einzelkämpfer ist. Mit dem Tagesgeschäft wird er allerdings eh nicht viel zu tun haben, sondern mehr damit, die vorhandenen Strukturen auszuweiten. Ich könnte mir vorstellen, dass er die eine oder andere Reiberei mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic haben wird, dessen Chef er ja dann ist.

1996 wechselten Sie vom KSC zum TSV 1860, kamen dort aber nicht mehr regelmäßig zum Einsatz, weil Trainer Werner Lorant Sie nicht immer für fit genug hielt. Würden Sie nochmal unter ihm spielen wollen?

Bender: Seine Einheiten haben mich kaputt gemacht, das muss man so klar sagen. Wir erfahrenen Spieler mussten unter Lorant dasselbe Pensum abspulen wie die Jungen. Ich war ohnehin nie der große Läufer, sondern habe viel mit Auge und Technik gemacht.

Wie stehen Sie dem aktuellen 1860-Trainer, Michael Köllner, gegenüber?

Bender: Im Detail kann ich seine Arbeit nicht beurteilen, aber was ich sehe ist, dass sich 1860 unter ihm fußballerisch um Welten verbessert hat. Unter Bierofka ging fast alles nur hoch und weit auf Mölders. Unter Köllner ist eine Handschrift zu sehen.

Kritisch sehen immer mehr Fans Dinge, die beim FC Bayern passieren. Alleine ein Besuch in der Allianz-Arena ist komplett anders als im Grünwalder Stadion. Ist 1860 gerade für viele Münchner der nahbarere Verein?
Bender: Dass der durchschnittliche Fan des FC Bayern nicht aus München kommt, ist ja bekannt. Negativ auf die Fankultur wirkt sich aus, dass die beiden Fankurven sich nicht einig sind. Ich verstehe nicht, warum man in der Allianz-Arena nicht wie in Dortmund eine riesen Wand hinbaut und alle Fans hinter dem Tor vereint, dann wäre auch dort eine andere Stimmung. Natürlich gehe auch ich lieber ins Grünwalder. Aber was bringt den Sechzigern das Fanflair, wenn sie mit dem Stadion kaum Geld kreieren? Für mich hat der Verein einen riesigen Fehler gemacht, weil er nicht mit allen Mitteln versucht hat, in der Allianz Arena zu bleiben. Auf Dauer brauchen die Sechziger ein neues, großes Stadion mit Logen.

Sie haben sich nach Ihrer Spielerkarriere als Trainer versucht, waren unter anderem bei Profivereinen in Österreich und bei hochklassigen Amateurteams wie dem FC Pipinsried oder Türkspor Augsburg. Zu einem Engagement bei einem Bundesligisten ist es aber nie gekommen. Können Sie sich vorstellen, nochmal ins Trainergeschäft einzusteigen?
Bender: Bei einem Bundesligisten hat sich leider nichts ergeben. Aber man sieht es an ehemaligen Profis wie Effenberg, Matthäus oder Basler: Spieler, die früher den Mund aufgemacht haben, haben es extrem schwer, in der Bundesliga als Trainer Fuß zu fassen. Das ist leider generationsbedingt. Die Sportdirektoren und Vorstände wollen keine schwierigen Menschen haben. Doch auch wenn es nur in Österreich war, war ich bei jeder Mannschaft dort erfolgreich. Aber der Trainerjob ist heute nicht mehr mein Ding, weil sich das Anspruchsdenken der Spieler gewandelt hat. Beim Regionalligisten FC Pipinsried hatte ich Spieler, die es nicht verstanden haben, als ich ihnen gesagt habe, dass wir künftig dreimal pro Woche trainieren. Bei Türkspor Augsburg sind Spieler zu einem zwei Klassen tiefer spielenden Verein gewechselt, nur weil sie dort 50 oder 100 Euro mehr im Monat verdient haben.

Abgesehen von ihrer Tätigkeit als gefragter Experte haben Sie heute viele andere Projekte. In Kooperation mit der Ingolstädter Berateragentur Achtzig20 haben sie einen Podcast ins Leben gerufen, in dem Sie sich mit Größen aus der Sportwelt zu einem lockeren Plausch treffen. Am vergangenen Dienstag erschien mit Magdalena Neuner die erste Folge.
Bender: Der Podcast heißt "Rückblick mit Weitblick". Insgesamt werden Radiomoderator Bernhard Fleischmann und ich zehn Sportler interviewen. Dabei sind unter anderem Manni Schwabl, Felix Neureuther, Armin Veh, Benni Lauth, Giovane Elber oder Daniel Abt. Ich glaube, dass der Podcast auch deswegen interessant und vor allem extrem lustig wird, weil ich als ehemaliger Profisportler ein bisschen anders fragen kann.

Zum Abschluss eine Frage aus aktuellem Anlass: Die Bender-Zwillinge Sven und Lars beenden nach dieser Saison in Leverkusen ihre Fußballkarriere. In Anlehnung an Sie wird Sven von seinen Mitspielern nur noch "Manni" genannt, wie kam es dazu?
Bender: Kurz nachdem Sven vom TSV 1860 nach Dortmund gewechselt war, hat er in einem seiner ersten Trainings einen Freistoß über die Mauer in den Winkel geschossen, worauf Jürgen Klopp ihm zugerufen hat: "Du schießt ja Freistöße wie der Manni Bender." Sven hat mir übrigens erzählt, dass er auf seinen richtigen Namen eigentlich gar nicht mehr hört. Sogar in seinem Schuh hat er die Initialen MB eingestickt. Später habe ich auch Klopp nochmal getroffen und mich bedankt, dass er meinen Namen so in Ehren hält.

DK

Das Gespräch führte Christoph Enzmann.