Deutsches Eishockey-Team scheitert bei WM an Gastgeber Russland

19.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:47 Uhr

Moskau (sid/dpa) Das Wunder von Moskau lag kurz in der Luft, doch dann drehte die „rote Maschine“ auf: Das deutsche Eishockey-Nationalteam schnupperte im WM-Viertelfinale dank eines großen Kampfgeistes und eines überragenden Torhüters Thomas Greiss ein Drittel lang an der Sensation gegen Gastgeber Russland, am Ende bekam es vom Rekordweltmeister beim 1:4 (1:0, 0:3, 0:1) aber eine Lehrstunde erteilt.

Der Nürnberger Patrick Reimer hatte mit seinem überraschenden Führungstreffer in der fünften Minute die 12 199 Zuschauer im „Hexenkessel“ Eispalast zum Schweigen gebracht und Deutschland vom ersten Halbfinale seit der Heim-WM 2010 träumen lassen. Aber WM-Topscorer Wadim Schipatschow (21. und 35.), Jewgeni Dadonow (28.) und Superstar Alexander Owetschkin mit seinem ersten Turniertor (43.) drehten die Partie zugunsten des haushohen Favoriten.

„Der Druck war schon groß, vor allem im zweiten Drittel“, sagte der ehemalige Ingolstädter Stürmer Patrick Hager nach dem WM-Aus. „Wir sind enttäuscht, denn die Chance war definitiv da, auch gegen diese übermächtigen Russen. Wir hätten unsere Chancen aber kaltblütiger nutzen müssen, um gegen solch ein Top-Team zu gewinnen.“ Der Angreifer der Kölner Haie lobte Greiss, der erneut zum deutschen Spieler des Spiels gewählt worden war: „Wir wussten, dass wir einen starken Goalie brauchen. Das war Thomas heute.“

Die Russen treffen im Halbfinale am Samstag auf Finnland, das Dänemark klar mit 5:1 besiegte. Trotz der erwarteten Niederlage kann die verletzungsgeplagte Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) zufrieden auf die WM zurückblicken. Mit dem ersten Viertelfinal-Einzug seit fünf Jahren und attraktivem Eishockey hat sich das Team viel Selbstvertrauen für die wichtige Olympia-Qualifikation im September im lettischen Riga und die Heim-Weltmeisterschaft 2017 geholt.

In der WM-Endabrechnung belegt das Sturm-Team einen hervorragenden siebten Platz und wird damit in der Weltrangliste vom derzeit 13. Rang deutlich nach oben klettern. „In der ganzen Szene wird Deutschland wieder respektiert. Sie merken, dass wir nicht mehr nur die Zerstörer sind“, sagte DEB-Präsident Franz Reindl.
Entsprechend selbstbewusst waren die Deutschen in ihr „Spiel des Jahres“ gegangen. „Wir sind hier, um zu gewinnen“, hatte Bundestrainer Sturm vor dem ersten Bully gesagt. Und nach der fünften Minute wussten die Russen, dass der Gegner es ernst meint: Nachdem Hager noch eine Riesenchance ausgelassen hatte, nutzte Reimer den Abpraller zur Führung.

Die Hausherren antworteten mit wütenden Angriffen und spielten ihre technischen und läuferischen Vorteile aus, doch das DEB-Team zeigte in der Defensivbewegung anfangs nur wenige Schwächen. Ging doch mal ein Puck auf den Kasten, war der überragende Greiss zunächst zur Stelle.

Dass Greiss und seine Vorderleute auch das erste Unterzahlspiel schadlos überstanden, gab ihnen noch mehr Selbstvertrauen. Zehn Sekunden vor dem Ende des ersten Drittels vergab NHL-Jungstar Leon Draisaitl eine große Möglichkeit zum 2:0, als er den Puck etwas glücklich an den Pfosten setzte.

Die Führung hielt im Mitteldrittel aber nur 40 Sekunden, beim 1:1 durch Schipatschow war auch „Mauer“ Greiss machtlos. Danach rollte eine russische Angriffswelle nach der nächsten auf das deutsche Tor zu. NHL-Verteidiger Korbinian Holzer hatte es schon vorher geahnt und das Kräfteverhältnis mit einem Beispiel aus dem Profifußball veranschaulicht: „Das ist wie 1860 München gegen den FC Barcelona“.

Der durch vier WM-Ausfälle personell geschwächten deutschen Mannschaft fehlte ab der Hälfte des Spiels sichtlich die Kraft, um sich erfolgreich gegen die russische Übermacht zu stemmen.