Ingolstadt
"Sportler sind nicht gefährdeter"

Der Ingolstädter Kardiologe Bernhard Kehrwald über den Herzinfarkt bei Iker Casillas

02.05.2019 | Stand 02.12.2020, 14:04 Uhr
Bernhard Kehrwald. −Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Im Sport häuft sich gefühlt die Anzahl an Herzerkrankungen von Athleten. Nationalspieler Sami Khedira ließ sich vor Kurzem am Herzen operieren, Radsportler sterben am plötzlichen Herztod und nun folgt die Nachricht vom Herzinfarkt der Torhüter-Legende Iker Casillas. Woran das liegen könnte, verrät der Ingolstädter Kardiologe Bernhard Kehrwald im Interview.

Herr Kehrwald, warum erleiden Sportler so häufig einen Herzinfarkt?

Bernhard Kehrwald: Ich glaube nicht, dass Sportler häufiger einen Herzinfarkt erleiden als Menschen, die weniger Sport treiben. Das Gegenteil ist der Fall, Ausdauertraining schützt das Herz vor einem Infarkt. Der Öffentlichkeit fällt es allerdings mehr auf, vor allem, wenn es sich dabei um bekannte Sportler handelt. Trotzdem ist Iker Casillas mit 37 Jahren relativ jung für einen Herzinfarkt.

Was könnte die Ursache für Casillas' Herzinfarkt sein?

Kehrwald: Im Prinzip kommen dafür hauptsächlich zwei Ursachen infrage. Zum einen wäre dies eine familiäre Fettstoffwechselstörung, die mit einem signifikant erhöhten Herzinfarktrisiko verbunden ist, und zwar schon im jungen Erwachsenenalter. Das würde bedeuten, er hat deutlich zu hohe Cholesterinwerte, mit sehr hohem LDL-Anteil. Lediglich bei 15 Prozent wird dies bis zu einem Alter von 30 Jahren diagnostiziert. Zum anderen könnte eine Erkrankung im Kindesalter vorliegen, das Kawasaki-Syndrom, das ist eine fieberhafte Systemerkrankung, bei der unter anderem die Lymphknoten   am Hals anschwellen und es zu Entzündungen an den Hand- und Fußsohlen und im Mund kommt. Dabei entwickeln die Kinder auch eine Entzündung der Herzkranzgefäße. Es bilden sich dabei Aneurysmen - das sind Gefäßausstülpungen -, welche im Laufe des Lebens durch einen veränderten Blutfluss zu Blutgerinnseln und dadurch zum Herzinfarkt führen können.

Eigentlich sollten gerade Sportler häufig kardiologisch untersucht werden.

Kehrwald: Das werden sie auch in der Regel. Ich war vor Kurzem in Mannheim beim Deutschen Kardiologen-Kongress. Ein Kollege von der Uniklinik in Leipzig, bei dem sich auch viele Fußballer untersuchen lassen, hat dort eine Studie vorgestellt. Dabei hat er gezeigt, dass die Sportler bei ihren regelmäßigen Kontrollen zwar alle ein EKG bekommen, sich dabei allerdings oftmals keine oder nur unspezifische Veränderungen finden. Die Sportler   bekommen deshalb noch einen Ultraschall des Herzens. Der ist deshalb wichtig, weil man damit interessanterweise auch Koronaranomalien beziehungsweise Aneurysmen an den Herzkranzgefäßen feststellen kann. Wichtig ist natürlich, dass ein Profisportler dann noch ein Belastungs-EKG macht und sich dabei voll ausbelastet.

Warum ist dann keinen Ärzten die Herzerkrankung von Casillas aufgefallen?

Kehrwald: Das ist mir auch unverständlich. Casillas war sicherlich regelmäßig bei einer sportärztlichen Kontrolle. Dass man da nichts gefunden hat, ist mir unklar. Aber es gibt noch eine weitere Möglichkeit, die man bei solchen Routinekontrollen oft nicht feststellen kann. Das wäre eine Koronarembolie. Wenn ein Blutgerinnsel, zum Beispiel ausgelöst durch ein nur anfallsweise auftretendes Vorhofflimmern, in ein Herzkranzgefäß gepumpt wird, dieses verschließt und einen Herzinfarkt auslöst. Dann bekäme man tatsächlich einen Herzinfarkt, obwohl man keine Fettstoffwechselstörung und auch keine daraus resultierende arteriosklerotische Herzkranzgefäßerkrankung hat.

Die Fragen stellte

Timo Schoch.