München
"Es ging einfach nicht mehr"

Nach Angriffen aus dem Verein tritt 1860-Trainer und Klublegende Daniel Bierofka zurück

05.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:19 Uhr
Kein Löwe mehr: Trainer Daniel Bierofka. −Foto: Imago Images

München (DK) Ob er das Outfit für den Abschied von seinem Herzensverein bewusst so gewählt hat?

Ganz in Schwarz gekleidet verlässt Daniel Bierofka (40) am Dienstagnachmittag das Trainingsgelände des TSV 1860 München. Ein früher Feierabend so um kurz nach 14 Uhr. Bierofka trägt einen schwarzen Ordner unter dem Arm, einen kleinen Rucksack mit Löwen-Emblem auf dem Rücken. Wortlos, mit Tränen in den Augen geht er an den zwei Dutzend Fans vorbei zu seinem Auto. Spätestens jetzt ist klar: Bierofka wird so schnell nicht wieder zurückkommen an die Grünwalder Straße. Am Vormittag hat der Trainer des Drittligisten laut mehrerer Medien seinen Auflösungsvertrag unterschrieben.

Es ist ein Rücktritt, der den Drittliga-15. ins Mark trifft. Bierofka, zermürbt von der Perspektivlosigkeit durch die endlosen internen Grabenkämpfe im Verein, schmeißt nach knapp zweieinhalb Jahren als Löwen-Trainer das Handtuch. "Es ging einfach nicht mehr", soll er dem Portal "dieblaue24" beim Verlassen des Parkplatzes aus dem Auto heraus gesagt haben. Doch was hat Bierofka, den Ur-Löwen, der schon über seinen Vater Willi früh mit den Blauen in Berührung kam, zu diesem drastischen Schritt bewegt?

Er fühlte sich zuletzt alleingelassen, regelrecht gemobbt im Verein. Schon am Samstag wirkte er konsterniert, trotz des 4:2-Sieges gegen Viktoria Köln. Auf der Pressekonferenz sendete er eine kryptische Botschaft, die er mit den Worten schloss: "Lange schaue ich mir das nicht mehr an, das weiß ich. " Später teilte der Klub mit, dass sich Bierofka eine Auszeit nehme und erst am Dienstag wieder am Trainingsgelände sei. Es war eine Geschichte in der Donnerstags-Ausgabe des "Kicker", die Bierofka zum Rücktritt bewogen haben dürfte. Dort wurde von Unzufriedenheit in der Löwen-Kabine berichtet. Nun ist es im Sport nicht ungewöhnlich, dass solche Mannschafts-Interna nach außen dringen. Das weiß auch Bierofka. Nur er ist sich sicher: Die Information ist falsch und stammt auch nicht aus der Kabine, sondern aus dem "inneren Zirkel des Vereins", wie er am Samstag mutmaßte. Die letzten Monate gaben ihm allen Grund dazu, das zu vermuten.

Gerade mit Löwen-Präsident Robert Reisinger, einem Freund des Amateurfußballs, pflegte Bierofka ein inniges Nicht-Verhältnis. Jener hatte in einem ebenso langen wie fragwürdigen Frage-Antwort-Bogen den Trainer indirekt einen Abgang nahegelegt: "Der TSV 1860 München hat vor Daniel Bierofka existiert und er wird es auch nach ihm tun", hieß es da etwa. Falsch war das freilich nicht, zur Besserung der Beziehung trug es aber auch nicht bei. Im selben Schreiben hieß es, dass Bierofka "einen für die Verhältnisse in der dritten Liga gut dotierten Vertrag besitze". Eine Indiskretion, die Bierofka mächtig wurmte.

Neben den Querschüssen innerhalb des Vereins war sicher auch die sportliche Perspektivlosigkeit ein Grund für den Rücktritt. 24 Spielerverträge laufen im Sommer aus, der Verein ist - weil sich die beiden Gesellschafter, der e. V. und Investor Hasan Ismaik, gegenseitig blockieren - finanziell nicht handlungsfähig. Schon im Sommer kokettierte der Löwen-Trainer mit seinem Abschied, wenn ihm nicht Mittel zur Verfügung gestellt werden. Er blieb, sagte in einem Interview mit der "TZ" aber auch: "Ich sehe mich als temporäre Person bei 1860."

Auf den Rückhalt von Investor Hasan Ismaik konnte sich Bierofka immer verlassen - zumindest bei Facebook. Dort meldete sich der Jordanier gestern zu Wort - und sprach von einer "Schande, die ich nicht in Worte fassen kann. " Wie die "Abendzeitung" berichtete, flog Ismaik direkt nach München, um den Trainer zum Bleiben zu überreden. Das Treffen sei für den Abend angesetzt gewesen. Bierofkas Entscheidung dürfte aber unumstößlich sein.

Die Spieler traf der Bierofka-Rücktritt völlig unvorbereitet. Viele von ihnen spielen seit seinem Amtsantritt im Sommer 2017 für Sechzig. Seit Werner Lorant (1992 bis 2001) hielt es kein Trainer mehr so lange an der Grünwalder Straße aus. Einen TSV ohne Daniel Bierofka könne er sich gar nicht mehr vorstellen, sagte etwa Stürmer Sascha Mölders noch am Samstag. Nur drei Tage später muss sich nicht nur er mit diesem Gedanken arrangieren.

Alexander Augustin