DTM-Serie: Audis perfektes Comeback mit Mattias Ekström

04.09.2020 | Stand 23.09.2023, 13:54 Uhr
Audi-Pilot Mattias Ekström jubelt auf dem Podium nach dem neunten Lauf zum Deutschen Tourenwagen Masters im tschechischen Brünn. Der Schwede gewann den DTM-Lauf und sicherte sich damit zugleich erstmals und vorzeitig den Titel. −Foto: Krenek/dpa

2004 stieg Audi erneut als Werksteam in die DTM ein und setzte auf Mattias Ekström – es wurde eine unschlagbare Kombination. Der junge Schwede holte zwei Titel und avancierte zu einem der erfolgreichsten und beliebtesten DTM-Piloten der Geschichte.

Herr Ekström, mit 23 Siegen und zwei Titeln sind Sie einer der Größten der DTM-Geschichte. Wie kam es dazu, dass Sie 2001 den Weg in die Rennserie fanden?

Mattias Ekström: Es war damals nicht meine Entscheidung, in die DTM zu wechseln. Das hängt grundsätzlich davon ab, ob man einen Platz angeboten bekommt. Ich war 1992 als kleiner Junge mit 14 Jahren beim DTM-Finale, seitdem hatte ich die Serie immer verfolgt. Das war also ein kleiner Kindheitstraum. Es gab dann aber ja ein paar Jahre keine DTM. Als ich Ende 1999 mit Audi Meister in Schweden wurde, versuchte ich ganz eifrig, einen Platz zu bekommen. Aber damals war das Audi-Team in der DTM ein Privatteam, und ich hatte keine großen Sponsoren. Die einzige Chance war, dass mir jemand einen Platz anbietet. Im Folgejahr bekam ich dann ein Angebot – und ich habe sofort Ja gesagt. Schließlich war die DTM damals die größte und beste Tourenwagen-Plattform mit den coolsten Autos. 

Ekström, der Meistermacher

2002 feierten Sie Ihren ersten DTM-Sieg in Zandvoort. Indem Sie Mercedes-Pilot Bernd Schneider abschirmten, ermöglichten Sie Ihrem Teamkollegen Laurent Aïello zugleich den Titelgewinn. Es gab also doppelten Grund zur Freude, oder?

Ekström: Ich weiß das noch wie gestern. Für mich war das Riesenfreude und Erleichterung, ein Meilenstein. Damit hatte das Team Abt bewiesen, dass es richtig stark ist. Es war der Grundstein, dass das  Team und ich als Fahrer etwas mehr Respekt bekamen. In dieser Liga Rennen zu gewinnen ist schon etwas anderes als nur mitzufahren. Irgendwann war ich nicht mehr nur ein kleiner, junger Schwede. 

Nachdem Abt von 2000 bis 2003 als Privatteam in der DTM agiert hatte,  folgte 2004 der Wiedereinstieg von Audi als Werksteam. Am Ende der Comeback-Saison feierten Sie den Titel in der Fahrer-, Hersteller- und Teamwertung. Was war das Erfolgsgeheimnis?

Ekström: Ich hatte die nötige Erfahrung von Aïello und dem Abt-Team gesammelt, ich war viel reifer.  Wir hatten ein Auto, das perfekt zu meinem Fahrstil passte. Das war eine natürliche Art des Fahrens, ich musste mich nicht künstlich umstellen. Damals waren die Reifen extrem schwierig zu händeln, das habe ich aber relativ schnell verstanden. Somit waren wir auf jeder Rennstrecke konkurrenzfähig.     

2007 holten Sie die Meisterschaft erneut – und zwar mit nur einem  Sieg. Am Ende lagen Sie nur drei Punkte vor Bruno Spengler.

Ekström: 2007 kam ich mit dem Auto nicht so super zurecht. Ich hatte eher durch Kampf und Fleiß Erfolg, nicht durch das natürliche Fahren. Es war die ganze Saison ein enger Kampf um die Meisterschaft. Es war nicht meine beste Saison, zumindest rein fahrerisch. Das Ergebnis war gut, aber meine eigene Leistung war nicht so prickelnd (lacht).   

Ekström: "Titel 2004 war schöner als 2007"

War also 2004 der schönere Titel?

Ekström: Auf jeden Fall! Damit hatte ich zehn Jahre nach meinem Einstieg in den Motorsport mein Lebensziel erreicht. Von der Leistung her war  allerdings 2011 mein bestes Jahr. Wir hatten nur leider am Anfang der Saison technische Probleme. Als die gelöst waren, hatte ich ein extrem gutes Gefühl. Das Auto hat  am besten zu meinem Fahrstil gepasst. 2011 ist wahrscheinlich das Jahr, das ich hinter dem Lenkrad am meisten genossen habe, obwohl ich nur Zweiter geworden bin. 

Insgesamt wurden Sie viermal Zweiter. Wäre noch mehr drin gewesen in Ihrer DTM-Karriere?

Ekström: Auf jeden Fall! Wenn man viermal Zweiter ist und zweimal Meister, kann mal leicht sagen, man hätte auch sechsmal Meister werden können. Ich war ja auch ein paarmal Dritter und Vierter und Fünfter. Wenn ich mich nicht täusche, war meine schlechteste Platzierung in all den Jahren Platz acht. Also der Durchschnitt war ganz okay.

Warum hat es nicht häufiger geklappt?

Ekström:  In manchen Jahren war das Auto nicht optimal, manche Jahre war ich  aus privaten oder persönlichen Gründen nicht perfekt, manche Jahre war das Auto sehr gut, aber passte nicht zu meinem Fahrstil. Da musste ich kämpfen, um die Leistung herauszukitzeln. Es ist nicht so leicht, sich schnell umzustellen und alles perfekt zu machen. Es ist eine große Herausforderung, das hinzukriegen.

Ärgert es Sie, dass Sie den Titel nicht häufiger gewonnen haben?

Ekström: Nein, überhaupt nicht. Sicher ärgert man sich  in dem Moment und in den paar Tagen danach ein bisschen, wenn man Zweiter wird. Aber im Großen und Ganzen  bin ich  schon zufrieden damit, was ich aus meinen Voraussetzungen gemacht habe, und wie ich das gemacht habe. Ich habe zwei Titel, ungefähr 90 Pokale von meinen Podiumsplatzierungen – damit kann ich gut leben. Ich muss mich zumindest nicht schämen, dass ich nicht gut genug war (lacht).

Wie würden Sie Ihren Fahrstil beschreiben?

Ekström: Für mich hatte die DTM gerne viel Motorleistung, schlechte Reifen und wenig Abtrieb. Das waren die Jahre, die ich am meisten genossen habe.  Dagegen  war es schwierig, mit Autos mit viel Abtrieb zu fahren. Meine größere Kunst war es, bei niedrigem Gripniveau zu fahren.  Am Anfang war ich sehr pingelig, das Auto musste genau das machen, was ich wollte, nur  so konnte ich alles herauskitzeln. Als die Regeln geändert wurden und man das Auto zwischen Qualifying und Rennen nicht mehr verändern durfte, tat ich mich schwerer.

Ekströms "lustige" Wasserflaschenaffäre 

2013 kam es zur Wasserflaschenaffäre: Nach Ihrem Sieg am Norisring übergoss Sie Ihr Vater beim Jubeln mit Wasser aus einer Plastikflasche. Damit hatten Sie gegen die Regeln  verstoßen, weil  das Mindestgewicht nicht mehr genau bestimmt werden konnte. Der Sieg wurde aberkannt – an Ihrem 35. Geburtstag. War das der Tiefpunkt in all den Jahren DTM?

Ekström: Nein. Im Nachhinein betrachtet finde ich das sogar ein bisschen lustig. Die Aufmerksamkeit, die ich dafür bekam, stand in keinem Verhältnis zu allem anderen (lacht). Das Rennen  war auch eines der besseren Rennen, die ich je gefahren bin – und durch die Wasserflaschenaffäre wird man das auch gut in Erinnerung behalten (lacht). Vor allem, wenn es am Geburtstag passiert. Wenn es nicht zu der Affäre gekommen wäre, würde ich das Rennen und den Tag wahrscheinlich nicht mehr im Kopf haben, aber dadurch wird es mein restliches Leben hängenbleiben. 

2017 wurde Ihnen ein Happy End  verwehrt, als Sie das Meisterschaftsduell gegen Rookie René  Rast knapp verloren. Wie groß war Ihre Enttäuschung?

Ekström: Ich war so und so zufrieden mit meiner Karriere. Ich war zu diesem Zeitpunkt  sehr müde, denn ich fuhr gleichzeitig in der DTM und der Rallycross. Mit der DTM war ich  in dem Moment  satt und zufrieden und hatte mehr Spaß mit Rallycross. Aber irgendwann war alles zu viel, denn neben der vielen Arbeit und dem vielen Reisen hatte ich auch Familie, die Kinder wurden größer. Das war ein Tick zu viel für mein persönliches Wohlbefinden. Deshalb war meine Enttäuschung nicht so groß, denn ich war in dem Moment mit meinem Leben insgesamt nicht besonders glücklich. Natürlich wäre es schön gewesen, den Titel noch mal zu holen, aber ganz ehrlich, das würde mein Leben nicht großartig verändern – damals nicht und auch nicht heute. 

Sie fuhren 17 Jahre in der DTM. Was hat Sie so daran fasziniert, dass Sie so lange dabei geblieben sind?

Ekström: Was mir in all den Jahren viel Freude bereitet hat, war die Entwicklung der Autos. Das hat dazu geführt, dass ich extrem viel gelernt habe. Sportlich war es aber auch toll, der Kampf gegen Mercedes, Gary Paffett. Es waren viele Kleinigkeiten, die dazu geführt haben, dass ich das so lange ausgehalten habe.

Wie hat sich DTM in den 17 Jahren verändert?

Ekström: Es hat sich extrem viel verändert, aber ob das wirklich zum Besseren war? Man hat über all die Jahre viel Geld investiert in Dinge, die wahrscheinlich nicht sinnvoll waren – leider. Der Sport war immer gut, aber die Kosten sind sehr hochgeschnellt. Ich  finde es schade, dass die DTM so teuer geworden ist – irgendwann ist sie ihr Geld nicht mehr wert. 

Sind Sie überrascht, dass die DTM nun vor dem Aus steht?

Ekström: Nein. Ich habe mich über viele Jahre gefragt, ob es sinnvoll ist, all dieses Geld zu investieren. Irgendwann kommt jemand auf die Idee und sagt: „Komm, das ist zu teuer, das hat keinen Sinn.“  Das ist dann das Ende. Ich war ein bisschen überrascht, dass Mercedes die ersten waren, die das eingesehen haben, denn eigentlich standen die immer dahinter. Aber ich kann das auch verstehen.  

Ekström: "Audis Abschied ist nachvollziehbar"

Also verstehen Sie auch, dass sich Audi nun aus der DTM verabschiedet?

Ekström: Ja, das verstehe ich. Das Verhältnis der Kosten zum Ertrag stimmt einfach nicht mehr. Und dann müssen die Dinge heutzutage extrem spektakulär sein.  So kommen die Kosten-Nutzen-Frage und die Frage der Effizienz mehr denn je. 

Wie sehr würde Sie ein DTM-Aus schmerzen?  

Ekström: Ganz ehrlich? Nicht so. Ich sage: Nee komm, ich steh da drüber.

Um die Serie noch zu retten, will sie nun auf  GT3-Autos  setzen. Ist das eine gute Idee?

Ekström: Ich glaube, GT3-Autos mit  notwendigen Modifikationen – anderen Reifen, ein bisschen leichter, ein bisschen mehr Leistung –  wären wahrscheinlich das Zeitgemäßeste. Man hätte viele Fahrer, die richtig viel Freude haben können. Auch die Kosten wären anständig. Ich glaube, das wäre ein guter Kompromiss. 

Audi engagiert sich in der elektrischen Rennserie Formel E. Ist das die Zukunft des Motorsports?

Ekström: Das ist schwierig zu sagen. Die Hersteller wollen ja immer ihre Produkte vermarkten. Aber ich bin mir nicht sicher, ob die Fans Elektroautos mögen, ob sie das  glücklich macht. Momentan ist es so, dass viele Fans den Elektromotorsport nicht haben wollen, sie wollen die schnellen Autos, das Motorengeräusch. Aber ich bin mir mehr als sicher, dass der Enthusiasmus der Fans eine große, notwendige Zutat im Motorsport ist. Es wird relativ lange dauern, bis man eine Kombination findet, die  Autohersteller und  Fans zugleich befriedigt. Es wird schwierig  zu schaffen, dass die Fans Elektroautos genauso cool finden wie Verbrenner, wenn die Autos nicht extrem viel mehr Leistung haben oder etwas können, was die Benziner nicht können.  

Mit Mattias Ekström sprach Julia Pickl.

Serie

Am Ende dieser Saison verabschiedet sich Audi aus der DTM.  Damit endet eine Ära – in 23 Jahren in der Rennserie gewannen die Ingolstädter elf Fahrer- und fünf Herstellertitel.  Wir blicken an jedem  der neun Rennwochenenden in diesem Jahr auf die Audi-Historie der DTM zurück. Alle Episoden der Serie finden Sie hier. 

Julia Pickl