Race Across Germany
Von der Ostsee in die Alpen

Knapp 54 Stunden: Jürgen Zwickel aus Hilpoltstein bewältigt Ultradistanzrennen Race Across Germany

11.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:21 Uhr

„Da geht es nur noch über den Kopf“, sagt Jürgen Zwickel über die letzten 90 Kilometer. Doch der 52-Jährige kämpft weiter, bis er nach knapp 54 Stunden im Ziel am Garmischer Rathausplatz mit einer Sektdusche empfangen wird. Foto: Regler

Von Andreas Regler

Hilpoltstein – Es ist eine ganz spezielle Herausforderung für ambitionierte Rennradfahrer: Beim Race Across Germany von Flensburg nach Garmisch-Partenkirchen müssen die Teilnehmer eine Distanz von 1100 Kilometern mit rund 8000 Höhenmetern bewältigen. Mit vielen großen und kleinen Problemen hat Jürgen Zwickel dabei gerechnet, aber dass ihm am Ende die Technik das Leben schwer machen würde, das hatte der Hilpoltsteiner nicht auf dem Schirm.

Die Idee, die Republik einmal „von oben nach unten“ radelnd zu durchqueren, geistert dem 52-Jährigen schon länger im Kopf herum. Vom Race Across Germany hört er im Herbst vergangenen Jahres trotzdem durch Zufall zum ersten Mal. „Da geht noch was – entdecke in dir, was möglich ist“, lautet das Motto des gebürtigen Heideckers, der als Vortragsredner und Autor arbeitet, „gerne Rad fährt und auf etwas hintrainiert“. Getreu diesem Motto meldet er sich schließlich im Januar 2022 für das Ultradistanzrennen an.

Mit der Unterstützung von Trainerin Christine Waitz bereitet er sich mehrere Monate lang auf das Radabenteuer vor. „Der sehr gut abgestimmte Trainingsplan und die Tatsache, dass ich jede Einheit durchziehen konnte“, erklärt er, waren wichtige Punkte. Dazu gehört auch eine 24-Stunden-Fahrt. Während der 630 Kilometer, die es am Ende wurden, kann Zwickel die körperliche Fitness einschätzen, die Ernährung unterwegs testen und Erfahrungen mit dem Thema Schlafentzug sammeln. Parallel zum Training stellt er eine sechsköpfige Begleitmannschaft auf die Beine. Ihm ist von Anfang an klar, dass er es nur mit der Unterstützung durch ein gut funktionierendes Team von der Ostsee in die Alpen schaffen wird.

Am 1. Juli um 8.30 Uhr fällt für Zwickel schließlich der Startschuss – und Regen setzt ein. 250 Kilometer lang hört es nicht mehr auf. Zwickel nimmt es gelassen, „die äußeren Bedingungen kann man eben nicht beeinflussen“. Kilometer um Kilometer arbeitet er sich mit seinem Team Richtung Süden vor. Alles läuft gut, auch die erste Nacht übersteht er ohne Probleme. Dann geht es in den Harz, wo etliche Höhenmeter und giftige Anstiege warten. Doch etwas ganz anderes wird zur Herausforderung: Der Radcomputer, mit dem der Hilpoltsteiner nicht nur seine Daten im Blick behält, sondern auch navigiert, beginnt zu streiken. Vor allem die Streckenführung stimmt nicht mehr. Während das Team alle Hebel in Bewegung setzt, um das Problem zu lösen, muss der 52-Jährige an jeder Abzweigung anhalten, sich die neue Richtung ansagen lassen – mittlerweile ist nämlich auch das Headset, das ihn mit seinem Team verbindet, ausgefallen – und wieder antreten. Das kostet Zeit, Kraft und Nerven. Als zumindest die Navigation wieder funktioniert, sind seine Akkus leer. Nach eineinhalb Stunden Schlaf „war die Energie wieder da und ich konnte wieder fahren“.

Obwohl es ihm körperlich gut geht, sind die letzten rund 90 Kilometer vor dem Ziel „sehr herausfordernd“. Überall schmerzt etwas, der Schlafentzug und die Anstrengung kommen dazu, das Navi fällt wieder aus, nach einer kalten Nacht kommt ein sehr heißer Tag. „Da geht es nur noch über den Kopf.“ Doch Zwickel kämpft sich ins Ziel. Als Schnellster seiner Wertungsklasse rollt er am frühen Sonntagnachmittag, nach knapp 54 Stunden auf den Garmischer Rathausplatz, wo ihn sein Team mit einer Sektdusche empfängt. „Das war krass, ein ganz besonderes Erlebnis“, sagt er und ergänzt: „Es war eine körperliche und mentale Herausforderung. Ich bin dankbar, dass wir alle gut durchgekommen und gesund angekommen sind. Aber der mentale Part hat am Ende den Unterschied gemacht.“

HK