Autotest
So tritt der Bentley Flying Spur als Plug-in-Hybrid auf

04.05.2022 | Stand 23.08.2022, 14:41 Uhr

Bentley Flying Spur - Auch der Bentley Flying Spur wird nun zum Teilzeit-Stromer. Der 100 kW/136 PS starke E-Motor und die 18 kWh große Batterie bringen ihn bestenfalls 40 Kilometer weit. - Foto: Bentley/dpa-mag

Auch Superreiche machen sich offenbar Sorgen ums Klima. Deshalb fährt der Bentley Flying Spur jetzt als erster seiner Art auch elektrisch - zumindest ein kleines Stück.

Der Mercedes-Maybach fährt mit V12-Motor, und den Rolls-Royce Ghost gibt es ebenfalls nur mit einem Dutzend Zylindern. Aber niemand verkauft mehr Zwölfzylinder als Bentley.

Und trotzdem nehmen die Briten so langsam Abschied von dem durstigen Verbrenner. Denn weil die britische VW-Tochter zum weltweit ersten CO2-neutralen Luxushersteller werden will, bieten sie den Flying Spur nun auch mit einem Plug-in-Hybrid an. Mit rund drei Jahren Abstand zum Bentayga vergleichsweise spät dran, geht die große Limousine im zweiten Quartal für 210.987 Euro aufwärts in den Verkauf.

Kurswechsel bei Bentley

Statt zwölf oder acht schnurren dann unter der Haube nur noch sechs Zylinder, die bei Bedarf von einem E-Motor unterstützt werden. Und weil im Kofferraum eine 18 kWh große Batterie liegt, fährt der Stromer nach bestenfalls 2,5 Stunden an der Steckdose rund 40 Kilometer auch allein. Obwohl Bentley seine Modelle meist nicht gerade bescheiden auftreten lässt, trägt der Flying Spur sein Strom-Label dezent: Lediglich zwei Logos und natürlich die zweite Tankklappe weisen auf die Antriebsrevolution hinter dem Kühler hin.

Im feinen Fond ändert sich hingegen kaum etwas. Erstmals gibt es auf Wunsch auch Bezüge aus Bio-Schafswolle statt aus Leder. Zumindest an den Rücklehnen der Vordersitze. Doch auch der zartgrüne Flying Spur strahlt eine fast schon barocke Opulenz aus. Selbst die pfundschweren Aschenbecher stehen nach wie vor auf der Optionsliste. Neu ist nur die himmlische Ruhe beim Reisen. Natürlich war die Luxuslimousine schon bislang ein Leisetreter. Doch unter Strom dringt nicht das kleinste Fahrgeräusch in die Kabine.

Wie ein Gleiter durch die Innenstadt

Während der Fahrgast nach alter Manier verwöhnt wird, muss sich der Fahrer etwas umgewöhnen. Mit dem einen Zusatzschalter für die Wahl zwischen dem Hybrid-Modus, dem reinen E-Betrieb und dem Programm, das den Strom für später aufspart, kommt man schnell klar, und die wie ein grünes Spiegelei über die Navigationskarte gelegte Reichweitengrafik erklärt sich von selbst. Doch das Gefühl beim Anfahren ist anders. Denn mit ein bisschen Zurückhaltung übernimmt das allein der 100 kW/136 PS und 400 Nm starke E-Motor und lässt den Flying Spur wie von Geisterhand durch die Straßen gleiten. Und das nicht nur in der Innenstadt, schließlich schafft der Stromer knapp 140 km/h. Selbst wenn abschließende Daten noch ausstehen, dürfte der Normverbrauch gegenüber dem V8 mit seinen 12,7 Litern (Co2-Ausstoß 288 g/km) höchstens auf ein Drittel kommen, vielleicht sogar nur auf ein Viertel.

Mit Sechszylinder weniger souverän

Aber auch beim Kickdown hat der Flying Spur einen ganz eigenen Charakter. Ja, er nutzt mit dem 2,9 Liter großen Doppelturbo-V6 einen etwas stärkeren Verbrenner als der Bentayga und wirft 306 kW/416 PS statt 250 kW/340 PS in die Waagschale. Und auf dem Papier gibt es weder an der Systemleistung von 400 kW/544 PS etwas auszusetzen, noch am Sprintwert von 4,3 Sekunden oder gar am Spitzentempo von 285 km/h. Doch in der Praxis will der Sechszylinder nicht so ganz zu Bentleys Freigiebigkeit passen. Statt eines prickelnden Drucks in der Magengrube spürt man bei Vollgas jetzt nur einen höflichen Schubs. Und das souveräne Grollen, das bislang zu vernehmen war, macht Platz für ein merklich angestrengtes Knurren.

Das ist umso bedauerlicher, als dass der Flying Spur trotz seines üppigen Formats und seines feudalen Fonds durchaus ein fahrerfreundliches Auto ist und auch abseits der Autobahn überraschend viele Vorzüge bietet. Allradantrieb und Hinterachslenkung, Doppelkupplung und Luftfederung sowie eine ziemlich präzise Abstimmung machen durchaus Lust auf ein paar Kilometer Landstraße.

Fazit: Ein zartes Grün macht den Anfang

So faszinierend der Flying Spur sich auch fährt und sein Luxus beeindruckt, mancher könnte doch von ihm enttäuscht sein. Denn während sich nostalgische Kunden über das angestrengte Sägen des Sechszylinders ärgern, stört jüngere Interessenten vielleicht die bescheidene Reichweite im E-Betrieb. Doch für beide haben die Briten einen Trost: Die Verbrenner-Fans verwöhnen sie noch bis zum Ende der Dekade auch mit V8 und W112, und der Generation E versprechen sie einen rein elektrischen Flying Spur spätestens zur nächsten Generation.

Datenblatt: Bentley Flying Spur Hybrid

Motor und AntriebHybridantrieb mit V-Turbo-Benzindirekteinspritzer und E-Motor
Hubraum:2894 ccm
Benziner
Max. Leistung:306 kW/416 PS
Max. Drehmoment:550 Nm
E-Motor
Max. Leistung:100 kW/136 PS
Max. Drehmoment:400 Nm
System:
Max. Leistung:400 kW/544 PS
Max. Drehmoment:750 Nm
Antrieb:Allradantrieb
Getriebe:Achtgang-Doppelkupplung
Maße und Gewichte
Länge:5316 mm
Breite:2220 mm
Höhe:1483 mm
Radstand:3194 mm
Leergewicht:2505 kg
Zuladung:k.A.
Kofferraumvolumen:351 Liter
Fahrdaten:
Höchstgeschwindigkeit:285 km/h
Elektrische Höchstgeschwindigkeit:135 km/h.
Beschleunigung 0-100 km/h:4,3 s
Durchschnittsverbrauch:k.A.
Reichweite:>700 km
Elektrische Reichweite:40 km
CO2-Emission:>100 g/km
Kraftstoff:Super
Schadstoffklasse:Eu6
Energieeffizienzklasse:k.A.
Kosten:
Basispreis des Bentley Flying Spur Hybrid:210.987 Euro
Typklassen:k.A.
Kfz-Steuer:k.A.
Wichtige Serienausstattung:
Sicherheit:Acht Airbags, Abstandsregeltempomat, Spurführungshilfe, Head-Up-Display
Komfort:22-Wege-Sitze, Einzelsitze im Fond, Touchscreen-Navigation, Lederausstattung, elektrische Heckklappe, Allradlenkung
Spritspartechnik:Hybrid-Antrieb

Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke

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