Ingolstadt
Nächster Halt: Umweltfreundlich

Die Ingolstädter Firma e-troFit rüstet Dieselbusse auf Elektroantrieb um

05.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:26 Uhr
Umrüst-Experten: (von rechts) E-troFit-Geschäftsführer Andreas Hager, Vertriebsleiter Robert Reisenauer, Technikvorstand Matthias Kerler und Marco Neubold von ZF. −Foto: Obster

Ingolstadt (DK) Wer in Ingolstadt unterwegs ist, mag ihn vielleicht schon gesehen haben, den orange-weißen Bus, der seit vergangener Woche im Testbetrieb durch die Stadt tingelt.

Von außen ist er nicht unbedingt spektakulär, der 16 Jahre alte Mercedes-Benz Citaro C1. Das Besondere aber ist sein neues "Herz": Der einstige Dieselmotor, das Getriebe und die Hinterachse wurden durch eine neue Antriebsachse mit Elektromotor und Lithium-Ionen-Batterien ersetzt. Der Busfahrer schaut nicht auf die Tankanzeige, während er seine Runden dreht, sondern auf ein kleines Display, das ihm Informationen zum Fahrzeugzustand, Ladestand und eventuelle Fehler anzeigt.

Für diese Umrüstung war im Vorfeld eine Menge Entwicklungsarbeit notwendig. Dahinter steht die e-troFit GmbH mit Sitz in Ingolstadt. "Die Herausforderung ist, dass die elektrische Struktur des Fahrzeugs ja auch mit der neuen Technik zusammenpassen und funktionieren muss", erklärt Vertriebsleiter Robert Reisenauer. Nach dem Umbau solle der Bus einem neuen Elektrofahrzeug in nichts nachstehen, sondern vielmehr einem alten Dieselfahrzeug ein "umweltfreundliches zweites Leben" einhauchen. Für Verkehrsbetriebe, die ihre Flotte elektrisch umrüsten wollen, sei das "ein schneller, wirtschaftlicher und nachhaltiger Weg, weil damit auch ältere Fahrzeuge, die vor der Ausmusterung stehen, wieder auf die Straße gebracht werden könnten", sagt Reisenauer. Die Umrüstung eines Busses durch e-troFit kostet zwischen 300000 und 360000 Euro, für die Anschaffung eines neuen E-Busses muss man mit etwa 580000 Euro rechnen.

Mit 35 Mitarbeitern kümmert sich e-troFit um die technische Entwicklung, der Technologiekonzern ZF Friedrichshafen liefert die Elektro-Portalachse, die in Passau gebaut wird. Den Umbau an sich übernehmen dann vier in Deutschland ansässige Partnerwerkstätten, die dafür geschult wurden. Geschäftsführer Andreas Hager zufolge, seien weltweit bisher Anfragen für 8000 Fahrzeuge in Ingolstadt eingegangen. "Das sind natürlich noch keine Aufträge", gibt er offen zu, "aber diese Anfragen kommen aktiv, und das zeigt schon das starke Interesse daran. " Verkauft hat die junge Firma, die es in dieser Form erst seit diesen Juli gibt, bisher 15 Fahrzeuge. Parallel umgerüstet werden können bisher 20.

E-troFit war zunächst ein Pilotprojekt des Garchinger Entwicklungsunternehmens in-tech, bevor das Ganze als Tochter ausgegründet wurde, um mit den Umrüst-Kits für Busse und Lastwagen dann auch in Serie gehen zu können. Ende 2018 wurde die Lösung mit dem Deutschen Mobilitätspreis ausgezeichnet, der unter anderem vom Bundesverkehrsministerium vergeben wird.

Die Reichweite eines umgerüsteten Busses beträgt e-troFit zufolge in der Theorie mehr als 300 Kilometer. Ein klimatisierter Stadtbus allerdings, der an jeder Haltestelle anhalten muss, schafft je nach Jahreszeit 180 bis 260 Kilometer. Von Anfang ab sei der TÜV Süd stark in den Entwicklungsprozess miteingebunden worden, wie Technikvorstand Matthias Kerler berichtet. Denn jedes umgerüstete Fahrzeug muss auch neu zugelassen und der Fahrzeugbrief entsprechend geändert werden. "Doch das ist letztendlich nur Formsache", verspricht der Maschinenbauingenieur. Das Fahrzeug werde betriebsbereit und mit Straßenzulassung übergeben.

Der reine Umbau eines Busses dauert vier bis sechs Wochen, je nachdem, ob der Kunde noch weitere Nachrüstungen, wie etwa einen Abbiegeassistenten oder Ähnliches, haben möchte. Der Stromverbrauch des fertigen Gefährts liege dann zwischen 0,8 und 1,1 kWh pro Kilometer, so Kerler.

Auch Serviceleistungen möchte e-troFit künftig anbieten, zum Beispiel eine permanente Überwachung der Batterie, verbunden mit der Rückmeldung, wie lange sie noch hält. Will der Kunde diese nach ein paar Jahren erneuern, stellt das Unternehmen den Restwert fest und baut den Bus wiederum entsprechend um. Die ausgebauten und nicht mehr benötigten Teile - wie etwa den Motor - bekommt der Kunde zurück oder e-troFit verkauft sie für ihn.

Als Konkurrenz zu den Busherstellern sieht sich das Unternehmen nicht. "Wenn wir die Elektrifizierung des Verkehrs hinbekommen wollen, glaube ich nicht, dass wir die gesteckten Ziele allein mit Neufahrzeugen erreichen können", sagt Hager. Alte Busse zu verschrotten sei nicht der richtige Weg, und weiterhin Dieselmotoren einzubauen ein Schritt zurück. "Die Wettbewerbssituation, die man auf dem Schirm hat, ist eigentlich gar keine. Am besten geht es Hand in Hand. "

 

Silvia Obster