Heilbronn
Fehlender Jones-Day-Bericht spielt Ulrich Weiß in die Karten

Vorteil für Audis Ex-Diesel-Chefentwickler

04.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:21 Uhr
Ulrich Weiß (Mitte) vor Gericht in Heilbronn. −Foto: Sebastian Oppenheimer

Heilbronn/Ingolstadt (DK) Nächste Runde am Heilbronner Arbeitsgericht zwischen dem Ex-Chef der Audi-Diesel-Motorenentwicklung, Ulrich Weiß, und seinem ehemaligen Arbeitgeber. Zunächst hatte sich Weiß gegen seine Freistellung im Zuge der Abgas-Affäre gewehrt - nun kämpft er gegen seine Kündigung.

Im Heilbronner Arbeitsgericht läuft derzeit eine Ausstellung. Zu sehen sind die Werke des örtlichen Künstlers Michael Hieronymus. Ausgerechnet vor dem Sitzungsaal 1, in dem gestern Audi und Weiß aufeinandertrafen, steht momentan eine Stahlskulptur mit dem Titel: "Reicht euch die Hände". Ob das zwischen der Marke mit den vier Ringen und dem ehemaligen Leiter der Diesel-Motorenentwicklung tatsächlich noch einmal passieren wird?

Weiß wurde im Zuge der Abgas-Affäre im November 2015 freigestellt, im Februar 2017 wurde ihm gekündigt. Er habe den Vorstand getäuscht, argumentierte Audi-Anwältin Martina Hidalgo, und zwar noch zu einem sehr späten Zeitpunkt. Auch den APS - den Arbeitskreis Produktsicherheit -, der unter anderem für Rückrufaktionen zuständig ist, habe er hinters Licht geführt. Immer wieder habe Weiß betont: "Wir haben kein Problem."

Außerdem habe Weiß in seinen Aussagen "Dinge aus dem Zusammenhang gerissen, die dazu geeignet waren, die Audi AG in Misskredit zu bringen". Die Aussagen entsprächen aber nicht der Wahrheit. Weiß sieht sich als Bauernopfer und hatte Audi-Chef Rupert Stadler schwer belastet. Davon war gestern nichts mehr zu hören.

Der zuständige Richter Carsten Witt erkundigte sich nach dem Jones-Day-Bericht, also quasi dem internen Ermittlungsbericht zur Abgas-Affäre. "Es gibt keinen Bericht von Jones Day", erklärte Anwältin Hidalgo. "Was heißt das", fragte Witt. Hidalgo wiederholte ihren Satz. Lachen im Publikum. Ursprünglich hatte es geheißen, man werde den Abschlussbericht veröffentlichen. Außerdem wollte Witt wissen, wie denn der aktuelle Stand nach der groß angelegten Razzia sei. Ob man da schon etwas gehört habe. "Es gibt bislang keine Reaktion der Staatsanwaltschaft Richtung Audi", sagte einer der Anwälte des Ingolstädter Unternehmens.

Witt zeigte sich empört über das Ausbleiben des Berichts: Das sei "befremdlich". "Ich weiß nicht, ob das so einfach ist", sagte der Richter. Schließlich habe man das anders angekündigt. Der Bericht von Jones Day sei ein wesentlicher Argumentationspunkt bei der Kündigung beziehungsweise der Freistellung gewesen.

Das Ganze gipfelte in dem vor Gericht eher unkonventionellen Rat an die Verteidiger von Weiß, sich praktisch weniger zu wehren. "Sie sind ja nicht dazu da, die Kündigung zu begründen." Aus Sicht des Richters habe Audi als Arbeitgeber noch keine, beziehungsweise keine ausreichenden Gründe für die ergriffenen Maßnahmen geliefert. "Ich habe bislang nur allgemeine Überschriften gehört."

Wirkliche Gegenargumente seitens der Audi-Anwälte waren nicht zu vernehmen. Möglicherweise wird sich das bis zum nächsten Gerichtstermin - der noch nicht terminiert ist - ändern. Denn nach der gestern gescheiterten Güteverhandlung wird die nächste Verhandlung eine Kammersitzung werden - dann könnte auch eine Entscheidung fallen. Beide Parteien reichen nun ihre Schriftsätze ein - Audi will zudem ein Vergleichsangebot erarbeiten. Und wer weiß: Vielleicht reicht man sich ja doch noch die Hände.