Ingolstadt
Neuer Diesel-Ärger bei Audi

Auslieferung bestimmter A6- und A7-Modelle gestoppt

08.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:10 Uhr
Dunkle Wolken über Audi: Die Ingolstädter Volkswagen-Tochter hat offenbar eine weitere unzulässige Abgas-Software in einigen Diesel-Autos eingesetzt. −Foto: Rumpenhorst/dpa-Archiv

Ingolstadt (DK) Kein Ende im Diesel-Skandal: Auf der Hauptversammlung am Mittwoch in Ingolstadt wollte Audi-Chef Rupert Stadler die Zukunftsstrategie des Autobauers in Sachen E-Mobilität und Digitalisierung konkretisieren. Doch am Dienstag tauchten schon wieder neue Manipulationsvorwürfe auf: In mehr als 60000 A6- und A7-Diesel-Fahrzeugen wurde offenbar bei der Ad-Blue-Einspritzung getrickst.

Seinen ersten Auftritt als Aufsichtsratschef von Audi auf einer Hauptversammlung dürfte sich Herbert Diess anders vorgestellt haben. Im Laufe des Dienstagabend wird der Volkswagen-Boss auf der Aufsichtsratssitzung offiziell in sein Amt gewählt. Wenn er am Mittwoch um 10 Uhr vor die Aktionäre tritt, dann dürfte es unter den Anwesenden aber vor allem ein Thema geben: die gestern publik gewordenen neuen angeblichen Diesel-Manipulationen.

Dabei sollte alles ganz anders laufen: Schon am Dienstagmorgen hatte Audi-Chef Rupert Stadler ein gutes Dutzend Journalisten zur Telefonkonferenz eingeladen. Thema: Audis Zukunft. Wortreich schilderte der "Herr der Ringe", wie man Milliarden in Digitalisierung, E-Mobilität und autonomes Fahren investieren wolle, ohne dabei den Rendite-Korridor von 8 bis 10 Prozent zu verlassen. Von Diesel-Gate war keine Rede - bis ein Journalist mehrere Fragen hintereinander stellte, die letzte thematisierte die angeblichen neuen Manipulationen bei A6 und A7. Darauf ging Stadler allerdings nicht wirklich ein: "Wir arbeiten weiter ab, das steht auf unserer Agenda. Und da gibt es sonst auch nicht mehr zu sagen." Thema beendet.

Als nur wenige Stunden später im Internet erste Medienberichte über die neuen Manipulationen auftauchten, entschied man sich bei Audi dann doch dazu, sich - per Pressemitteilung - knapp zu äußern. Vergangene Woche habe man die luxemburgische Zulassungsbehörde sowie das Kraftfahrtbundesamt über "Auffälligkeiten" in der Motorsteuerung einer bestimmten Diesel-Variante der Modelle A6 und A7 (intern Baureihe C7) informiert. Betroffen sind laut Audi 3,0-Liter-V6-Diesel-Motoren (Gen2 evo, EU6) mit einer Leistung von 200 kW. Ein Sprecher des Kraftfahrtbundesamtes erklärte gestern, wegen des Verdachts auf eine unzulässige Abschalteinrichtung der Modelle A6 und A7 habe die Behörde eine amtliche Anhörung eingeleitet.

Laut einem "Spiegel"-Bericht liegt das Problem beim sogenannten SCR-Katalysator, der zur Reinigung der Stickoxide dient. Dieser benötige für eine reibungslose Funktion Harnstoff (AdBlue), der in einem zusätzlichen Tank untergebracht sei. Der Harnstoff werde in den Abgas-Strom eingespritzt und sorge dafür, dass die Stickoxide in harmlosen Stickstoff und Wasserdampf umgewandelt werden. Damit der Kunde nicht selber Harnstoff nachfüllen müsse, sondern erst die Werkstatt beim nächsten Service, habe Audi die Einspritzung der Reinigungsflüssigkeit offenbar 2400 Kilometer bevor sie zuneige geht, stark gedrosselt. In der Zeit, in der die Zufuhr von Harnstoff abgeregelt sei, funktioniere der SCR-Katalysator zur Reinigung von Stickoxiden im Abgas nicht oder nur extrem eingeschränkt. Das giftige Gas entweicht damit laut Bericht in hohen Konzentrationen aus dem Auspuff.

Beide Modelle - die am Standort Neckarsulm gebaut werden - befinden sich im Produktionsauslauf, die Nachfolger wurden bereits vorgestellt. Die Auslieferung der betroffenen Modelle wurde dennoch gestoppt. Fahrzeuge, für die noch Teile gelagert sind, werden noch gebaut und anschließend gesperrt. Das Problem will Audi mit einem Software-Update lösen - das allerdings muss zuvor von den Zulassungsbehörden abgesegnet werden. Wann das passieren wird, ist bislang unklar.

Dabei hätte es am Dienstag auch positive Dinge zu vermelden gegeben, wie etwa einen Absatzrekord im 1. Quartal: 624650 Fahrzeuge wurden ausgeliefert, 8,0 Prozent mehr als im Vorjahr. Vor allem in den USA (plus 7,5 Prozent) und China (plus 33,5 Prozent) ging es aufwärts. In Europa sank der Absatz dagegen um 4,6 Prozent.

"Wir revolutionieren Mobilität", hatte Stadler am am Dienstagmorgen noch angekündigt. 800000 E-Autos will Audi im Jahr 2025 verkaufen, darin sind allerdings auch Plug-in-Hybride mitgezählt. Generell will der Autobauer künftig mit Umweltfreundlichkeit punkten: Bis 2030 sollen alle Audi-Werke CO2-neutral produzieren. "Wir sind überzeugt, Kunden kaufen in Zukunft zunehmend bei Marken, die Nachhaltigkeit ganzheitlich denken", sagte Stadler. Doch so lange der Diesel-Skandal kein Ende findet, ist das wenig glaubhaft. Auch wenn Audi zu 99,55 Prozent in VW-Hand ist - Aktionäre und Aktionärsschützer dürften am Mittwoch wieder viele unangenehme Fragen stellen.

Sebastian Oppenheimer