Probieren und zurücksenden
Kostenlose Retouren in der Kritik: Das sagen Händler in der Region

Politik sieht keinen Handlungsbedarf

22.02.2022 | Stand 22.02.2022, 10:28 Uhr

Viele online bestellte Waren gehe als Retoure zurück – meistens kostenlos. Foto: Marks, dpa

Von Christian Tamm

Kostenlose Retouren stehen seit Langem in der Kritik. Forscher meinen, verbindliche Rücksendegebühren könnten Sendungen und damit CO2 und auch Müll sparen. Die Politik sieht hier jedoch kaum Spielraum. Für Händler und Unternehmen – auch in der Region – ist es aber ein Thema von Bedeutung.

Den Schuh in zwei Größen bestellen und schauen, welcher besser sitzt. Dazu drei Hemden in verschiedenen Farben – eine wird schon gefallen. Und vielleicht noch neue Unterhemden, XXL passt doch immer. Man kann sich denken, dass von dieser Online-Bestellung so manches Teil den Weg zurück zum Händler findet.

Lesen Sie auch den Kommentar zum Artikel: Zum Umgang mit kostenfreien Retouren: Gewagt, aber den Versuch wert

Retouren stehen seit Langem in der Kritik. Laut Bundesverband der Paket- und Expresslogistik wurden 2020 insgesamt 4,05 Milliarden Pakete hierzulande versendet; ein Plus von gut elf Prozent im Vergleich zu 2019. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Ausbruch der Corona-Pandemie als Sondereffekt angeschoben hat. Die dazugehörigen Retouren sind oft kostenlos – und erzeugen Müll und Emissionen. Laut Angaben der Verbraucherzentrale, die sich auf das Umweltbundesamt bezieht, werde im Online-Handel allein im Bereich Kleidung „mindestens jedes zweite Paket“ zurückgeschickt – also 800000 Pakete am Tag. Das bedeute gut 400 Tonnen CO2.

Die Politik sieht keinen Handlungsbedarf

Die Lösung könnten kostenpflichtige Retouren sein. Forscher der Universität Bamberg forderten das bereits 2019. Eine gesetzlich verbindliche Rücksendegebühr könne Klimabelastung und Müllberge reduzieren. Tatsächlich scheint das derzeit kein Thema für die Politik zu sein. Das Bundesumweltministerium erklärt auf Anfrage unserer Zeitung, dass solche Vorschläge etwas übersähen: Kundinnen und Kunden müssten aus Verbraucherschutzsicht kostenfreie Retouren ermöglicht werden. „Sie müssen vor allem ihr Widerrufsrecht oder eine Mangelgewährleistung geltend machen können.“ Auch Rücksendungen von defekten oder falsch zugestellten Waren sollten weiter ohne Belastung der Verbrauchern möglich sein. „Insofern müsste der Gesetzgeber bei einer Einführung von verpflichtenden Gebühren für Retoursendungen eine große Zahl an Ausnahmen machen, die nur sehr aufwendig überprüfbar sind“, so ein Sprecher des Ministeriums.

Und das Haus von Ministerin Steffi Lemke (Grüne) hat noch einen Einwand: Nach der Einschätzung von Praktikern könnten sich negative Anreize ergeben, dass Rücksendungen vorsätzlich in einen defekten Zustand versetzt würden, um so eine Rücksendegebühr zu umgehen. Fazit: „Insofern erscheinen uns kostenpflichtige Retouren nicht als zielführender Weg gegen die große Zahl an Retouren.“ Das Wirtschaftsministerium − ebenfalls unter grüner Leitung − teilt unserer Zeitung mit, belastbare Zahlen und Untersuchungen zu den Klima- und Umweltwirkungen von Rücksendungen lägen der Bundesregierung nicht vor.

Was Händler zum Thema Retouren denken

Klimaschutz wird wichtiger, auch aus markenstrategischer Sicht. Ist es also denkbar, dass Händler von sich aus Gebühren erheben, um die Quote der Retouren zu senken? Unsere Redaktion hat bei MediaMarktSaturn nachgefragt. Der Ingolstädter Konzern verzeichnet seit Monaten Zuwächse im Online-Geschäft. Allerdings würden die Kunden Elektronik-Produkte viel bewusster und gezielter einkaufen als solche Produktgruppen, die eine Anprobe erfordern, sagt ein Sprecher. Insofern seien Retourenquoten, auch verglichen mit denen in anderen Branchen, erheblich niedriger. Unternehmensweit betrage die Retourenquote etwa zwölf Prozent. „Diese Quote wollen wir noch weiter reduzieren, beispielsweise, indem wir den Kunden noch detailliertere Informationen auf Produktdetail-Seiten anbieten.“ Ob man vielleicht initiativ Gebühren für Rücksendungen einführen könnte, beantwortet der Elektronik-Händler indes nicht.

Besonders im Kleidungsbereich sind Retourenquote n ein Thema. Der Outdoor-Spezialist Lowa aus Jetzendorf (Kreis Pfaffenhofen) hat seit Kurzem ebenfalls eine Shopping-Funktion auf seiner Website. „Natürlich haben wir uns im Vorfeld sehr viele Gedanken über das Thema ,Retouren Handling‘ gemacht“, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Die Lösung ist ein System namens Easy Change. Die Kunden haben einmalig die Möglichkeit, den online bestellten Artikel kostenfrei umzutauschen. „Bei jedem weiteren Umtausch stellen wir dann die Kosten für den Versand in Rechnung.“ Zudem könne jeder Kunde maximal drei Schuhe auf einmal bestellen und es gebe die Möglichkeit, innerhalb der ersten drei Jahre nach dem Kauf einmal neue Schnürsenkel und Einlegesohlen gratis zu erhalten. Einen Kauf auf Rechnung biete man nicht an. „In Summe dienen diese Maßnahmen dazu, unnötige Sendungen zu minimieren“, so die Sprecherin.

Was sagt Amazon zu dem Thema?

Platzhirsch im Online-Handel ist natürlich Amazon. Auch den US-Gigant haben wir nach seiner Meinung zu Retourengebühren gefragt. Auch hier verfolge man das Ziel, dass die Kundinnen und Kunden mit allen Produkten vollkommen zufrieden sind. „Wir unterstützen unsere Kundinnen und Kunden durch Produktbeschreibungen, Größentabellen, hochwertige Bilder und andere Funktionen dabei, eine gute Kaufentscheidung zu treffen. Das funktioniert: über alle Produktkategorien hinweg sind Rücksendungen bei Amazon dreimal niedriger als im Branchendurchschnitt“, sagt ein Sprecher unserer Zeitung. Insgesamt setze man auf den Aufbau eines Kreislaufwirtschaftsprogramms mit dem Ziel, Retouren zu reduzieren, Produkte wiederzuverwenden und weiterzuverkaufen. Zudem habe man laut Amazon weitere Programme aufgelegt, „um auch Unternehmen zu unterstützen, die ihre eigenen Produkte über Amazon verkaufen“.

Unter gewissen Voraussetzungen können Retouren bei Amazon entgegen landläufiger Meinung durchaus kostenpflichtig sein. Allerdings sind die Rahmen für kostenfreie Rücksendungen bei Amazon relativ weit gesetzt. Dazu, wie man eine mögliche durch den Gesetzgeber geregelte Retourengebühr bewertet, möchte sich der Online-Händler nicht äußern.

Retouren bedeuten oft einigen Aufwand – und Müll

Als bekannt wurde, dass Amazon und andere Unternehmen retournierte Artikel in erheblichem Maße vernichten, war der Aufschrei groß. Fakt ist aber auch, dass manches aus Hygiene- oder rechtlichen Gründen nicht einfach so weiterverkauft werden kann. Die dadurch nötig gewordene Prüfung und Überarbeitung der Artikel ist aufwendig – und teuer. Also wird auch entsorgt. „Viele Händler machen das so, weil es für sie manchmal preiswerter ist, die zurückgeschickten Produkte zu entsorgen, als sie noch einmal auf ihre Funktionsfähigkeit zu überprüfen und neu zu verpacken“, sagt die Verbraucherzentrale. Genaue Zahlen seien nicht bekannt.

Auch MediaMarktSaturn hat damit zu kämpfen. Trotz eines umfangreichen Ablaufs kann es zur Entsorgung von Retouren kommen. Zunächst würden Retouren im Zentralretourenlager auf Funktionalität getestet. „Anschließend werden sie, je nach Zustand, einer Klassifizierungsstufe zugeordnet. Originalverpackte und vollkommen unbeschädigte Retouren werden direkt wiederverkauft. Alle anderen Retouren werden entsprechend aufbereitet beziehungsweise von einem Technikerteam repariert.“ Ziel sei, diese Waren als entsprechend gekennzeichnete Gebrauchtware wieder in den Verkauf zu bringen.

Und doch: Irreparable oder stark beschädigte Geräte sende man an die Hersteller, oder arbeite mit Zweitverwertern zusammen, über die die Produkte wieder in den Verkauf gelangen. „Gibt es keine wirtschaftlich sinnvolle Alternative, führen wir die Ware gemäß der geltenden gesetzlichen Vorgaben einer fachgerechten Entsorgung zu.“ Eine Quote nannte das Unternehmen nicht.

DK