Erlangen
Wo der Roboter schon Kollege ist

Mensch und Maschine arbeiten im Erlanger Siemens-Gerätewerk Hand in Hand

13.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:26 Uhr
Roboter übernehmen im Siemens-Werk die anstrengendsten und monotonsten Handgriffe. −Foto: Pelke

Erlangen (DK) Den technischen Fortschritt kann niemand aufhalten.

Das hat sich wohl auch Siemens gedacht und auf den Weg gemacht, das Erlanger Gerätewerk (GWE) in eine Digitale Musterfabrik umzuwandeln. Roboter, Mensch und Maschine schrauben hier schon heute Hand in Hand an der industriellen Zukunft, die einmal das neue Rückgrat der Volkswirtschaft werden könnte. "Wir wollen bei der Digitalen Revolution ganz vorne dabei sein und die Entwicklung mitgestalten", bringt Werkleiter Stephan Schlauß die interne Marschrichtung auf den Punkt.

Derweil kurven in der Fabrikhalle zahlreiche Transportroboter wie stumme Diener über die Flure. Wie selbstverständlich greifen sich Roboter und Mitarbeiter unter die Arme. Die Liebe geht so weit, dass die Belegschaft dazu übergegangen ist, den blechernen Kollegen Namen zu geben. Überall leuchten Monitore und bewegen sich Roboterarme wie von Geisterhand. Die Szenerie hat mehr mit einem OP-Saal als mit eingebrannten Vorstellungen von einer Fabrik gemein.

Auch wenn hier alle wissen, dass immer mehr einfache Tätigkeiten von Robotern übernommen werden: Den Produktionsstandort wollen sie mit Hilfe der neuen Automatik-Kollegen gemeinsam erhalten. "Die Produktion der Zukunft wird sich verändern. Viele manuelle Tätigkeiten werden in der Zukunft automatisiert. Während einfache Tätigkeiten wegfallen, entstehen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz parallel höherwertige Jobs", erklärt Daniel Craiovan, Leiter Digitalisierung im Gerätewerk Erlangen, und verweist auf das "umfangreiche Qualifizierungsprogramm" für die Mitarbeiter. Diese freuen sich darüber, dass ihnen die Roboter-Kollegen die anstrengendsten und monotonsten Handgriffe abnehmen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Siemens-Mitarbeiter wohl gar nicht so sehr von dem mit der Zeit gehenden Gartenbesitzer, der seinem Rasen-Roboter die lästige Mäharbeit überlässt.

2002 hat Siemens begonnen, das Gerätewerk umzukrempeln. Die Maxime lautete: Wertschöpfung steigern, Transportwege vermeiden. Dafür hat Siemens den "verschwendungsarmen Arbeitsplatz" entwickelt und 2006 die erste Auszeichnung als "Fabrik des Jahres" eingeheimst. In den Folgejahren von 2009 bis 2014 hat sich das Gerätewerk einer noch radikaleren Schlankheitskur unterzogen. Überflüssige Puffer und Laufwege sind noch konsequenter beseitigt worden. Damit sei die komplette Fertigung von fünf auf zwei Stufen reduziert worden. Vorteil: Der Kunde kann schneller beliefert werden. Für diese nächste Diätstufe hat das Erlanger Gerätewerk im Jahr 2013 erneut den Preis als "Fabrik des Jahres" abgeräumt.

Nicht von ungefähr, findet Craiovan. Im Eiltempo sei das Werk noch effizienter und viel schneller geworden. Und wozu all diese Anstrengungen? Um zu zeigen, dass sich die Produktion von Elektronik-Bauteilen auch im Roboter-Zeitalter in Deutschland weiterhin rechnen kann. Mit dem wichtigen Nebeneffekt, dass die Zahl der Fehler drastisch gesunken sei. Das Werk produziere jetzt bei sechs Fehlern pro einer Millionen Fehlermöglichkeiten. Das entspreche einer Qualitätsstufe von sagenhaften 99,999 Prozent. Damit befinde sich das Werk an der absoluten Weltspitze. Und dabei läuft hier nicht immer das gleiche Produkt vom Fließband.

In Erlangen werden elektrische Antriebssysteme in allen Größen produziert. "Trotz der hohen Varianz unserer Produkte und den individuellen Kundenwünschen können wir fast wie am Fließband produzieren", freut sich Craiovan und verweist auf die Leistung, komplexeste Fertigungsprozesse mit Hilfe von Leichtbaurobotern, Künstlicher Intelligenz und pfiffigen Mitarbeitern weitestgehend automatisieren zu können. Das würde normalerweise nur bei einfachen Produkten funktionieren.

Die Automatisierung soll nun auch die letzten Winkel des Werkes erobern, damit Siemens die Speerspitze der Digitalen Industrierevolution bleiben kann und die Arbeitsplätze in der Produktion langfristig in Erlangen erhalten bleiben können.

Nikolas Pelke