Berlin/Hamburg
Stopp für alte Diesel

Hamburg erlässt erste Fahrverbote für schmutzige Selbstzünder – Für München ist das aber kein Thema

23.05.2018 | Stand 02.12.2020, 16:21 Uhr
Hamburg rüstet sich für Fahrverbote für ältere Diesel. Die entsprechenden Verbotsschilder werden bereits montiert. −Foto: Bockwoldt/dpa

Berlin/Hamburg (DK) Stopp für alte Diesel-Fahrzeuge: In Hamburg treten ab Donnerstag, 31. Mai, die bundesweit ersten Fahrverbote für Selbstzünder in Kraft, die die Euronorm 6 nicht erfüllen. Während Umweltschützer die Maßnahme für nicht weitgehend genug halten, sieht die Opposition ein Versagen der Bundesregierung. Was steckt hinter dem Verbot? Und was bedeutet das für Autofahrer? Hintergründe zu den Durchfahrbeschränkungen in der Hansestadt und weiteren möglichen Fahrverboten:

Was bedeutet der Beschluss für Fahrzeughalter?
Ab Donnerstag nächster Woche  gelten in Hamburg die ersten Diesel-Fahrverbote. Zwei kürzere Straßenabschnitte im Stadtteil Altona-Nord sind dann für Autos und Lastkraftwagen, die nicht die Abgasnorm Euro 6 erfüllen, gesperrt. Hintergrund sind die hohen Stickstoffdioxid-Werte in der Luft, teilte die Umweltbehörde der Hansestadt gestern  mit. Der zulässige Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft sei in der Stadt „andauernd“ überschritten worden, insgesamt auf einer Länge von 42 Kilometern Straßenlänge.
Ab Ende nächster Woche dürfen auf einem Streckenabschnitt von rund 580 Metern auf der Max-Brauer-Allee weder betroffene Pkw noch Lkw in einfahren. In der Stresemannstraße gilt die Beschränkung auf rund 1,6 Kilometern, aber ausschließlich für Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von mehr als  3,5 Tonnen. Es handelt sich dabei um eine wichtige Ost-West-Achse, die stark vom Güterverkehr belastet ist. Insgesamt sind in der Hansestadt rund 168 000 ältere Diesel-Fahrzeuge von der Maßnahme betroffen. Auch alle anderen in- und ausländischen Wagen, die die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllen und die Hamburger Innenstadt durchqueren wollen, müssen die Sperrung beachten. Ausgenommen von dem Verbot sind Rettungswagen, Müllwagen, Lieferfahrzeuge, Autos der Anwohner und deren Besucher sowie Taxis, sofern sie Passagiere aufnehmen oder absetzen. Ausnahmen von den Verkehrsverboten seien auch zulässig, soweit dies „im öffentlichen Interesse“ liege, erklärte die Umweltbehörde.
Wie soll das Fahrverbot durchgesetzt werden?
Die Polizei muss bei möglichen Kontrollen in die Fahrzeugpapiere der Halter schauen, weil den Diesel-Autos bislang nicht anzusehen ist, welche Abgasnorm sie haben. Ein spezielles Kennzeichen an der Windschutzscheibe, das die Euro-6-Norm ausweist, gibt es in Hamburg noch nicht. Die Deutsche Umwelthilfe hatte dazu eine blaue Plakette vorgeschlagen, um saubere Fahrzeuge leichter zu kennzeichnen. Berechtigt wären alle Benziner der Euro-Klassen 3 bis 6 sowie die meisten Diesel-Fahrzeuge der Euro-Norm 6. Ältere Diesel-Modelle und Benzin-Einspritzer ohne Partikelfilter würden leer ausgehen. Bislang hat die Bundesregierung den Vorschlag aber noch nicht aufgegriffen.
 Drohen jetzt auch in anderen Städten Fahrverbote?
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig  hatte in der schriftlichen Begründung zu seinem Diesel-Urteil hervorgehoben, dass es für Beschränkungen auf einzelnen Strecken keiner Übergangsfristen bedarf. Ende Februar hatten die  Verwaltugnsrichter solche Fahrverbote für grundsätzlich zulässig erklärt, um die Luftreinhaltung zu ermöglichen. Länder und Kommunen dürfen zu dieser Maßnahme greifen, wenn der Grenzwerte von 40 Milligramm pro Kubikmeter Stickoxid in der Luft überschritten wird. Die Verbote müssten jedoch verhältnismäßig und zumutbar sein.
So hatte der Hamburger Senat zunächst mit anderen Mitteln wie emissionsarmen Bussen oder einer Verkehrsreduzierung versucht, die Stickoxidwerte zu verringern. Auch Stuttgart prüft derzeit die phasenweise Einführung von Verkehrsverboten. In einer ersten Stufe könnte das Verbot nur ältere Diesel-Fahrzeuge betreffen, heißt es in einer Stellungnahme der Stadt. Euro-5-Fahrzeuge dürften nicht vor dem 1. September 2019 mit Verboten belegt werden. Durch Klagen von Umweltschützern könnten Kommunen aber auch anderswo zu Fahrverboten gezwungen sein. Der Sprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Paul Schmidt, forderte „flächendeckende Fahrverbote, die den Menschen helfen und nicht den Messstationen“. Die Hamburger Durchgangsbeschränkungen seien „zwar ein gutes Signal, aber nicht zielführend“.
Wie reagiert die Politik auf drohende Fahrverbote?
Die schwarz-rote Koalition versucht, Fahrverbote zu vermeiden und verweist dabei auf das Sofortprogramm „Saubere Luft 2017 bis 2020“. Zu den Maßnahmen gehören Förderprogramme für Elektrobusse, mehr Elektromobilität und ein besseres öffentliches Nahverkehrsangebot. Damit will die Bundesregierung die Städte unterstützen, die Grenzwerte so schnell wie möglich einzuhalten. Der EU-Kommission reicht das jedoch nicht. Sie hatte in der vergangenen Woche angekündigt, die Bundesregierung vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Das Gericht könnte empfindliche Geldbußen gegen Deutschland verhängen. Das Münchner Umwelt- und Gesundheitsreferat erklärte geastern: „Streckenbezogene Fahrverbote wie in Hamburg sind in München weder durchführbar noch zielführend.“ Auch die bayerische Staatsregierung lehnt Fahrverbote für schmutzige Diesel weiterhin als unverhältnismäßig ab.
 Was bietet die Industrie den Haltern von betroffenen Dieselfahrzeugen an?
Bislang haben die Autohersteller sich nur dazu verpflichtet, bei rund 5,3 Millionen Diesel-Pkw der Abgasnormen Euro 5 und 6 Software-Updates vorzunehmen. Die Maßnahmen sollen bis Ende 2018 durchgeführt werden. Die Kosten dafür sollen die  Fahrzeughalter  selbst tragen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hält die Software-Updates  jedoch für nicht ausreichend. Die Autoindustrie müsse auch technische Nachrüstungen für alte Diesel vornehmen, forderte sie.  Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)  äußerte sich jedoch skeptisch zu dem Vorschlag. Ein Umbau älterer Diesel-Motoren koste tausende Euro je Wagen.  Es könne „nicht unser Interesse sein, durch politische Maßnahmen die Automobilindustrie so zu schwächen, dass sie keine Kraft mehr hat, in die eigentlichen Zukunftsinvestitionen etwas hineinzustecken“.
 Was sagt die Opposition zu dem Fahrverbot?
Für FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic ist das Hamburger Diesel-Fahrverbot Folge des  „jahrelangen Nichtstuns“ der Bundesregierung. Er fürchte nun, dass sich der Verkehr in der Hansestadt in Nebenstraßen verlagere. „Das bringt in Sachen Luftverbesserung in der Summe eher wenig, sorgt aber für massiven Schaden, Bürokratiekosten und Wertverluste bei Millionen von Diesel-Fahrzeugen“, kritisierte Luksic. Der Grünen-Politiker und Chef des Verkehrsausschusses, Cem Özdemir, forderte die Bundesregierung auf, endlich den Weg für die Blaue Plakette freizumachen.