München
Effektiveres Crowdfunding

In München vernetzen sich Stadtverwaltung und Wirtschaft, um diese Form der Finanzierung zu unterstützen

19.02.2020 | Stand 23.09.2023, 10:44 Uhr
Finanzhilfe: Giesinger Bräu in München hat Geld eingesammelt, um ihren Tiefbrunnen bohren zu können. −Foto: Kneffel, dpa

München ist deutschlandweites Vorbild beim Thema Crowdfunding - weil sich in der bayerischen Landeshauptstadt verschiedene kommunale und privatwirtschaftliche Akteure vernetzt haben, um die Finanzierung von Projekten über das Einsammeln von Kleinbeträgen voranzutreiben. Jetzt wollen sie anderen Städten als Vorbild dienen. Crowdfunding bedeutet: Man sucht als Unternehmer viele kleine Finanziers, um ein Projekt zu stemmen.

Susanne Mitterer, stellvertretende Leiterin des Kompetenzteams Kultur- und Kreativwirtschaft bei der Stadt München, erläutert den grundsätzlichen Vorteil dieser Art der Finanzierung: "Man kann als Anbieter direkt mit seiner Zielgruppe kommunizieren und das Produkt am Markt testet, ob es ankommt."

Alexander Schmidbauer von der Abteilung Gründung beim Referat für Wirtschaft und Arbeit der Landeshauptstadt betreute ein kommunales Pilotprojekt, es lief von 2018 bis 2019. 43 Kampagnen habe man in dieser Zeit gefördert, berichtet Schmidbauer. Maximal 3000 Euro habe es für jeden Interessenten gegeben, "aber jeder Euro, den wir bereitstellten, hat 1,50 Euro nachgezogen". Nach einer Evaluierung hat der Stadtrat das Projekt inzwischen um fünf Jahre verlängert.
Schon etwas länger auf diesem Pfad unterwegs ist Start-up-Betreuer Nikola Nikolic von der Münchner Stadtsparkasse; die Bank unterstützt seit 1993 Crowdfunding. "Die Zeit, wo allein der Bankberater entschied, was ein erfolgversprechendes Projekt wäre, ist endgültig vorbei", ist Nikolic überzeugt.

Georg Röß wiederum arbeitet als Beauftragter für Technologie und Innovation bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern (HWK). Seine Stelle sowie die seiner vier Kollegen werden vom Bundeswirtschaftsministerium finanziert; bundesweit sind es rund 100. Röß sieht seine Aufgabe vorrangig im Scouting und in der Innovationsberatung. Crowdfunding sei für Handwerker unter anderem deshalb gut geeignet, "weil sie schnell Prototypen umsetzen können".

Das Besondere in München ist, dass die genannten Unterstützer in regelmäßigem Austausch miteinander stehen und gemeinsam fördern wollen, nicht jeder für sich. So eine Kooperation gibt es bisher noch in keiner anderen deutschen Stadt. Sie beraten, sichten Projekte und kümmern sich um die Qualifizierung.

Beispiele für gelungenes Crowdfunding können die Berater einige aufführen. Allen voran Giesinger Bräu. Die wollten einen 140 Meter tiefen Brunnen bohren. Denn nur wer als Brauerei auf diese Weise sein Wasser gewinnt - Leitungswasser reicht nicht aus - darf sein Produkt Münchner Bier nennen und erhält damit die grundsätzliche Erlaubnis, den Gerstensaft auch auf dem Oktoberfest auszuschenken.

Den Giesingern fehlten 800000 Euro, um ihren Tiefbrunnen bohren zu können. Brauereichef Steffen Marx ließ 1,2 Millionen Bierdeckel aus Filz mit dem Versprechen von sechs Prozent Verzinsung in die Briefkästen der Stadt verteilen. Die Zinsen gibt es in Form von Bier und Speisen im Stammhaus in der Martin-Luther-Straße 2 in Giesing. Im April dieses Jahres soll das Grabungsprojekt beginnen.

Ein weiteres interessantes Vorhaben war Chocolat hoch3. Der gelernte Konditormeister Benedikt Daschner möchte mit seinem Start-up den kommerziellen Schokoladen-3D-Druck von Logo, Schriftzügen und anderen Kunstwerken vorantreiben. Rund 25 000 Euro sammelte Daschner über Crowdfunding ein. Die Firma Green Style wiederum hat sich dem Prinzip Zero Waste Fashion verschrieben - also dass Mode ohne das Aufkommen von Müll gefertigt werden kann.

Gemeinsam empfehlen die Experten den Gründern, dass sie die Leute begeistern müssen und die Idee auch selbst aus vollem Herzen verfolgen. "Wer bin ich und warum mache ich das?" Jegliche sich bietende Bühne - Messen, soziale Medien et cetera - sollte genutzt werden. Viele kleine Aufgaben würden häufig unterschätzt - beispielsweise das Anlegen von Mailinglisten. "Die Crowd muss Teil der Story sein, die Sie erzählen", rät Schmidbauer den Gründern. "Einfach nur einen coolen Film auf die eigene Website stellen - das läuft nicht."

Und was sind die schlimmsten Fehler, die man beim Crowdfunding begehen kann? Auch da herrscht weitgehende Übereinstimmung zwischen den Beratern: Ganz vorn steht eine Verkalkulierung bei den Projektkosten, gefolgt von möglichen Problemen bei der technischen Umsetzung. "Da können dann ganz schnell aus Fans Feinde werden", warnt HWK-Vertreter Röß.

DK


Andre Paul