Sind die Corona-Hilfen schon angekommen?

Umfrage unter Unternehmern in der Region

17.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:32 Uhr
Viele Selbstständige und Unternehmen konnten sich dank Soforthilfen über Wasser halten. Doch das klappt nicht immer so reibungslos, wie man es sich vorstellt. −Foto: Michael, dpa

Ingolstadt - Viele Betriebe im Lande - insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmer - bangen im Moment um ihre Existenz. In den kommenden Wochen wird zwar in einigen Bereichen langsam ein Hauch Normalität einziehen. Doch die zurückliegenden Monate haben viele Firmen an die Belastungsgrenze getrieben. Umso schwerer wiegt der immer wieder zu hörende Vorwurf an die Banken und Sparkassen, man bremse bei der Vergabe der notwendigen Kredite über die Förderbank KfW. Und auch die Soforthilfen von Bund und Ländern seien oft nicht so einfach zu erhalten, wie es zunächst versprochen wurde. Unsere Zeitung hat sich deshalb bei Unternehmerinnen und Unternehmern aus der Region umgehört.

Rückblick: Mitte März ist jedem endgültig klar, dass auch Deutschland schwer von der Ausbreitung des Coronavirus und den damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen betroffen sein wird. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil von der SPD und CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier versprechen schnelle, unbürokratische und vor allem ausreichende Hilfsmittel. "Wir wollen, dass keiner seine Existenz tatsächlich verliert", meint Heil. In Berlin wird täglich betont, man sei gut aufgestellt und keiner in Deutschland werde durch die Corona-Krise seinen Arbeitsplatz verlieren. Keine Firma müsse eine drohende Pleite fürchten, heißt es.

Im Eilverfahren machen daraufhin Bundesregierung, Bundestag und die Länder sämtliche Wege für die Maßnahmen frei. "Beim Schutzschild für Beschäftigte, Selbstständige und Unternehmen handelt es sich um das größte Hilfspaket in der Geschichte der Bundesrepublik", so das Bundesfinanzministerium. Der Umfang ist gewaltig. Er beträgt insgesamt 353,3 Milliarden Euro hinsichtlich sogenannter haushaltswirksamer Maßnahmen und nochmals 819,7 Milliarden Euro an Garantien. Laut Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) könne sich Deutschland das leisten, da man in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet habe - Stichwort "Schwarze Null". Die ist Anfang April bereits kein Thema mehr. Denn zur Finanzierung des Ganzen wird der Bund neue Kredite in Höhe von 156 Milliarden Euro aufnehmen.

Zu den beschlossenen Maßnahmen gehören vor allem Soforthilfen, die etwa beim Freistaat beantragt werden können. Sie reichen von maximal 9000 Euro für Betriebe mit bis zu fünf Beschäftigten bis hinauf zu maximal 50000 bis zu 250 Mitarbeitern. Als Obergrenze gilt jedoch der "durch die Corona-Krise verursachte Liquiditätsengpass". Hinzu kommen sogenannte Schnellkredite für kleine und mittelständische Unternehmen ab zehn Angestellten. Sie werden bis maximal 800000 Euro gewährt. Allerdings gibt es viele Auflagen. Und schließlich gibt es Direktbeteiligungen für Konsortialfinanzierungen, die großen Firmen helfen sollen.

ICH LEBE IM MOMENT VOM ERSPARTEN

Von Kai Bader

Die Hilpoltsteiner Änderungsschneiderei von Lydia Gallasch ist seit Mitte März geschlossen. "Ich darf nur Kleidung annehmen, die ich an die Reinigung weitergebe, aber ich darf keinen Reißverschluss in eine Jacke nähen oder eine Hose kürzen", sagt die 58-Jährige. Die Miete, die für ihren 65 Quadratmeter großen Laden in der Hilpoltsteiner Marktstraße anfällt, muss sie natürlich trotzdem bezahlen. "Ich habe im Moment auch keine Möglichkeit, mit dem Vermieter darüber zu reden, die Miete auszusetzen, da gerade jetzt der Besitzer des Hauses wechselt", sagt sie. "Aber es würde mir wohl auch wenig nützen, wenn ich die jetzt eingesparte Miete später wieder nachzahlen muss." Die staatliche Hilfe für Gewerbetreibende hat Lydia Gallasch bisher nicht beantragt. "Soweit ich das verstanden habe, darf man kein privates Vermögen haben", sagt sie weiter. "Deshalb lebe ich im Moment noch ganz von meinem Ersparten und dem meines Lebensgefährten." 

JETZT GEHTS ES AN DIE RÜCKLAGEN

Von Nayra Weber

Brauer Manfred "Manni" Fritsch hat vor zwei Wochen für sein "Berabecka Boandl-Bräu" die staatliche Unterstützung im Rahmen der Soforthilfe-Programme Bayerns und des Bundes beantragt. Eine Antwort lasse noch auf sich warten, erklärt er. Einer seiner zwei fest angestellten Mitarbeiter befindet sich in Kurzarbeit; momentan bietet die Brauerei in Aichach-Oberbernbach einen Abhol- und Heimlieferservice an, am Wochenende schwingt sich der Brauer auf sein Ausschank-Fahrrad. "Früher haben wir von Fass-Verkauf und Veranstaltungen gelebt, jetzt verkaufen wir ja fast nur Flaschenbier, da die Gastronomie weggebrochen ist", macht "Manni" deutlich. Man werde auch diese Zeit irgendwie überstehen, er sei in der glücklichen Lage, für die Brauerei keine Pacht zahlen zu müssen. Allerdings gehe es an die Rücklagen, die für den Kauf eines zusätzlichen Biertanks eingesetzt werden sollten, "und nicht für Krisenmanagement, um betrieblich am Leben zu bleiben". 

ES BRINGT NICHTS, UNGEDULDIG ZU SEIN

Von Anna Hecker

Die Hofgoldschmiede in Eichstätt hat wie so viele andere Geschäfte bis auf weiteres zu, deshalb beantragte Georg Bergér vor geraumer Zeit staatliche Hilfen. Bis auf die Bestätigung seines Antrags erhielt er bisher jedoch keine Rückmeldung. "Ich bräuchte die Unterstützung dringend. Meine jetzigen Aufträge sind lediglich der Tropfen auf dem heißen Stein", sagt Bergér. Trotzdem möchte er sich nicht beschweren und zeigt sich sehr geduldig. "Ich weiß, dass momentan Berge an Anträgen in den Ämtern liegen und die dortigen Angestellten kaum noch hinterher kommen. So viele Menschen brauchen Hilfen, da bringt es nichts, ungeduldig zu werden und sich zu beschweren." Aktuell arbeitet der Goldschmiedemeister alleine in seiner Werkstatt. Denn mit Angestellten könnte der geforderte Mindestabstand nicht eingehalten werden. Noch hat Bergér Aufträge auf dem Tisch liegen, allerdings stammen diese alle aus der Zeit vor der Corona-Krise.

KNAPP EINEINHALB MONATE OHNE EINNAHMEN

Von Lukas Schönach

Lydia Geistbeck aus Brunnen treffen die Beschränkungen der Regierung besonders hart. Erst vor Kurzem hat sie in ihren Friseursalon Glückssträhne investiert und neben dem Wohnhaus ihren eigenen Laden gebaut. "Jetzt habe ich natürlich bis Anfang Mai keine Einnahmen", erklärt sie. Um sich über Wasser zu halten, hat sie Ende März die staatlichen Hilfen beantragt. Das sei ganz einfach gewesen. Geistbeck musste das Formular nur ausdrucken und schickte es ausgefüllt wieder zurück. Bis die Unterstützung auf ihrem Konto war, dauerte es einige Zeit. "Ich habe vor wenigen Tagen wieder geschaut und es war gerade frisch angekommen." Für die finanziellen Hilfen ist die Friseurin aber sehr dankbar. Sie darf zwar erst Anfang Mai ihrem Handwerk wieder nachgehen, bis dahin glaubt sie aber über die Runden zu kommen. In der Zwischenzeit möchte Lydia Geistbeck auch eine gute Lösung für ihre Auszubildende finden, damit sie nicht ihren ganzen Jahresurlaub aufbrauchen muss.

ES WIRD AUCH WIEDER AUFWÄRTS GEHEN

Von Patrick Ermert

Die Spezialwerkzeuge der Firma Trob sind gefragt, und so läuft die Produktion im Rohrbacher Gewerbegebiet noch. "Unsere 50 Mitarbeiter sind noch normal im Betrieb - wenn man noch von normal sprechen kann", berichtet Geschäftsführer Johann Tröstler. Die großen Player der Autoindustrie, aus der Luft- und Raumfahrt, aber auch aus der Medizintechnik gehören zu den Kunden des Mittelständlers. Aber die husten so gut wie alle. "Wir können kaum noch ausliefern, und die Bestellungen lassen nach", erzählt Tröstler. So sei es eine Frage der Zeit, bis der Werkzeugbauer Kurzarbeit beantragen muss. "Wir hatten das 2009 schon mal. In der Regel ist das kein Problem", erinnert sich Tröstler. Ein gewisses Auf und Ab sei in der Wirtschaft allerdings normal. "Ich hoffe, dass wir davonkommen. Aber ich bin eigentlich überzeugt, dass es uns treffen wird", meint er. Dennoch bleibt Tröstler Optimist: "Egal was kommt: Es wird wieder aufwärts gehen." 

DIE LAUFENDEN KOSTEN SIND IMMENS

Von Bernd Heimerl

Wie alle Hoteliers sieht auch Carolin Block für ihr gleichnamiges 80-Betten-Haus ("Hotel & Living") im Ingolstädter Nordosten noch kein Licht am Ende des Tunnels. Seit Wochen keine einzige Touristenübernachtung, und auch der Geschäftskundenbereich ist um 95 Prozent eingebrochen - und das bei monatlichen Fixkosten von rund 150 000 Euro, die sich laut Block - wenn man das Personal halten will - nur bedingt minimieren lassen. Einen Antrag auf Soforthilfe hat die Geschäftsfrau erst in der vorigen Woche gestellt, nachdem die Reserven schon arg geschrumpft waren. Noch liegt kein Bewilligungsbescheid vor, doch selbst die maximale Fördersumme von 30 000 Euro wäre nur ein Tropfen auf den heißen Stein. "Wir sind jetzt in der Warteschleife", sagt die Hotelbetreiberin, die in Erinnerung ruft, was auch viele Gastronomen sagen: Das Geschäft, das jetzt verloren geht, kann später im Jahr keinesfalls mehr nachgeholt werden.

NOTHILFE WAR EXISTENZENTSCHEIDEND

Von Patricia Viertbauer

Die zwölf Festangestellten des Neuburger Hotels und Brauerei-Gasthofs Neuwirt sind seit mehreren Wochen in Kurzarbeit. Das Lokal hat derzeit nicht offen. "Jeden geschlossenen Monat können wir geldlich nicht mehr reinholen", erklärt Inhaber Karl Deiml. Vor zwei Wochen hat er Soforthilfe auf der Homepage der Regierung von Oberbayern beantragt, das Geld - 30 000 Euro - kam bereits nach einer Woche. "Es hat alles gut funktioniert. Ich musste Fragen beantworten und meine Mitarbeiterzahl angeben", sagt Deiml. Mit den Faktoren wurde dann der Soforthilfe-Beitrag berechnet. Unter anderem war es von Bedeutung, dass Deiml ein Minus aufgrund der derzeitigen Schließung seines Lokals und Hotels hat. "Aufgrund der aktuellen Entwicklungen kontaktiert der Hotel- und Gaststättenverband die Regierung. Wir werden sehen, ob es weitere Unterstützungen gibt", sagt Deiml. Eins ist aber für den Wirt klar: "Das Geld der Soforthilfe war existenzentscheidend." 

AM ENDE DER NAHRUNGSKETTE

Von Laura Schabenberger

Politiker diskutieren über die Zukunft von Wirtshäusern und Friseursalons. "Über Fitnessstudios spricht niemand", ärgert sich Oliver Riess. Er betreibt in Riedenburg das "Fitness Studio by Oliver Riess". "Wir werden gar nicht erwähnt. Hier sieht man unseren Marktwert, wir stehen am Ende der Nahrungskette", findet er. Doch auch er sei ein Unternehmer und müsse sein Studio durch die Pandemie bringen. Eine kleine Entlastung ist für ihn die sogenannte Steuerstundung. Unkompliziert habe er innerhalb weniger Tage das Geld für das 1. Quartal rückerstattet bekommen. Auf die staatlichen Soforthilfen wartet Riess noch: "Ich habe den Antrag vor etwa zwei Wochen gestellt, aber Ostern war dazwischen." Da in seinem Studio nur zwei festangestellte Kräfte arbeiten, stehe ihm lediglich eine geringe Unterstützung zu. "Wenn wir das bekommen, ist das super. Aber das bringt nicht viel", meint Riess. Die laufenden Kosten für Miete, Telefon oder Strom seien am Ende zu hoch.