München
Bayerns Tor zur Welt und Corona

05.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:13 Uhr
Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise kam das Leben am Flughafen "Franz Josef Strauß" beinahe komplett zum Erliegen. Unsere Aufnahme entstand am 3. April dieses Jahres. −Foto: Kneffel , Hoppe, dpa/Robin Kater

München - Die Luftfahrt ist durch die Pandemie schwer in Mitleidenschaft gezogen. Reiseveranstalter benötigen staatliche Hilfen in Milliardenhöhe und planen Stellenstreichungen. Ungezählte Hoteliers bangen um ihre Existenz. Und die stolze Lufthansa kämpft gar ums Überleben. Eines ihrer wichtigsten Drehkreuze ist der Flughafen "Franz Josef Strauß" in München - über dessen Probleme in der aktuellen Lage nur wenig geredet wird. Doch auch der größte bayerische Airport ringt mit den Krisen-Folgen.

 

Wer mit dem Flieger nach Bayern reist, kommt nicht selten am Airport München an. Moderne Architektur und lichtdurchflutete Hallen empfangen die Passagiere, in denen regelrecht das Leben tobt. Volle Geschäfte, brummende Gastronomie, reiselustige Menschen wohin das Auge blickt. Doch seit Ausbruch des Coronavirus hat sich das Bild dramatisch verändert. Laut der München Flughafen GmbH werden nur ein paar Dutzend Starts und Landungen abgewickelt. "Das Aufkommen beläuft sich auf etwa fünf Prozent der vor der Corona-Krise durchgeführten Flugbewegungen", sagt ein Sprecher auf Anfrage unserer Zeitung.

Wesentlich drastischer hingegen ist der Eindruck, betrachtet man nicht die Prozente, sondern direkt die Zahl der abgefertigten Passagiere. Etwa 3000 am Tag reisen aktuell über den Airport München. Vor der Krise lag das übliche Aufkommen bei bis zu 120000 Menschen, sagt der Sprecher. München belegt damit in regulären Zeiten im Ranking der größten Flughäfen in Europa den neunten Platz und wird innerdeutsch nur vom Airport Frankfurt/Main übertroffen, wo 2019 mehr als 70 Millionen Passagiere gezählt wurden. In München waren es im gleichen Jahr gut 48 Millionen.

Welche wirtschaftlichen Folgen diese Krise für Bayerns Tor zur Welt haben könnte, ist noch unklar. Das könne "noch nicht quantifiziert" werden, heißt es dazu. Fakt ist aber, dass auch der Flughafen München manche Baustelle zu meistern haben wird. Wie wird sich das Passagieraufkommen in den kommenden Monaten entwickeln? Und wie geht es wohl mit der angeschlagenen Lufthansa weiter, die München schließlich zu einem ihrer Hauptdrehkreuze erkoren hat? Offene Fragen, die erst dann beantwortet werden können, wenn klar ist, wie es konkret mit den Beschränkungen weitergehen wird: "Wir hoffen, dass die aktuell gültigen Reisebeschränkungen aufgehoben werden und sich danach der Luftverkehr schrittweise normalisieren wird", erklärt der Sprecher. Doch das Aber folgt auf dem Fuße: Es werde sicher länger dauern als die sogenannte Sommerflugplanperiode, bis das Niveau des Vorjahres wieder erreicht werden könne.

Dennoch: Bei der München Flughafen GmbH gibt man sich optimistisch, dass die Krise bald ausgestanden sein wird. "In der zweiten Juni-Hälfe werden eine ganze Reihe von Verbindungen verschiedener Airlines wieder neu aufgenommen", meint der Sprecher dazu gegenüber unserer Zeitung. Die Lufthansa beispielsweise hat diese Woche bereits die ersten Verbindungen in die Vereinigten Staaten wieder aufgenommen. Die Airline mit dem Kranich fliegt dreimal in der Woche nonstop nach Los Angeles und Chicago. Brüssel, Mailand, Rom, Zürich und auch Wien werden in den kommenden Tagen ebenfalls wieder angesteuert, wie es heißt. Gleiches gilt überdies für die israelische Metropole Tel Aviv.

Alle Ankünfte und Abflüge in München werden derzeit ausschließlich über das Terminal 2 abgewickelt. Laut einer Mitteilung wird hier auf die Sicherheit aller geachtet. "Dabei ist unser Anspruch, den Passagieren und Mitarbeitern größte Sicherheit und den Reisenden gleichzeitig den gewohnten hohen Servicestandard zu bieten", sagt Jost Lammers. Er ist der Vorsitzende der Geschäftsführung der Flughafen München GmbH. Überall, wo Passagiere und Beschäftigte des Flughafens in direktem Kontakt stehen, sind laut Mitteilung weitere Plexiglasscheiben eingebaut worden. Außerdem rät der Flughafen eindringlich dazu, online einzuchecken, um lange Warteschlangen bestmöglich zu vermeiden. Beinahe schon obligatorisch sind Spender mit Handdesinfektionsmittel in den Gängen und Hallen.

Zudem sollen Plakate, Videoscreens und auch mehr Personal die Einhaltung der Verhaltens- und Hygieneregeln verbessern. Unter anderem ist in einigen Bereichen des Gebäudes das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung vorgeschrieben. Und auch die Reinigungsintervalle wurden erhöht.

Das zuletzt so stark rückläufige Flugaufkommen hat im Umfeld des Münchner Airports eine Frage neu aufkommen lassen, die seit Jahren hitzig debattiert wird: Braucht es eigentlich eine dritte Startbahn? Experten gehen davon aus, dass es mehrere Jahre dauern wird, bis sich der Flugverkehr vollständig erholt hat - wenn überhaupt. Bei der Flughafen München GmbH bleibt man gelassen: "Die Frage nach der dritten Startbahn stellt sich gegenwärtig nicht, da die bayerische Staatsregierung ein Moratorium für die laufende Legislaturperiode festgeschrieben hat und sämtliche Planungen demzufolge ruhen", heißt es dazu auf Anfrage. Aber man betont auch, dass der Airport über Jahre seine "starke Position als internationales Luftverkehrsdrehkreuz unter Beweis gestellt hat". Und da wolle man nach Ende der Krise anknüpfen. "Wir gehen mittel- und langfristig von einer Fortsetzung der Wachstumsdynamik aus."

Das meint der Luftfahrt-Experte

„Die   aktuelle  Lage trifft alle – Groß wie Klein“, erklärt  der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg auf Anfrage unserer Zeitung zur  Situation  deutscher Airports. In München  könne man   aber von  der starken Ausgangssituation vor Corona profitieren, meint  er. „Der Flughafen München war  stets gut nachgefragt und  eine  der Drehscheiben    in Europa und  der Welt.“ Diese Funktion  werde  der Standort auch behalten, ist sich der Experte sicher. Offen sei nur, wie lange die aktuelle  Lage  anhalten  werde. Ein Problem, das derzeit laut Schellenberg jeden Airport  trifft, mache München aber ganz besonders zu schaffen: „Die Frage ist doch, wann es wieder  Messen und Kongresse geben   kann“, so Schellenberg. Das sei für den Raum München ein wichtiger Faktor und somit  natürlich auch für den  Flughafen. 
Die Lage der Lufthansa schätzt Schellenberg indes als nicht so dramatisch für den  Flughafen in der Landeshauptstadt ein. Andere Airlines werden versuchen, an die bald freien Slots zu gelangen. „Ryanair könnte nun austesten,  ob sich München lohnen würde“, so der Experte. Immerhin müssen die freien Slots zunächst  Airlines angeboten werden, die noch nicht in München vertreten sind. Allerdings  sei das eine Frage des Preises – und Ryanair  am Memminger Allgäu-Airport   zufrieden. DK