BMW trotzt Trump

Der Autobauer eröffnet sein erstes Werk in Mexiko.

06.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:19 Uhr
Weiß-blauer Himmel über dem neuen BMW-Werk in Mexiko: Gestern fand die feierliche Eröffnung statt. −Foto: BMW (2), Kain

Von den Zoll-Drohungen des US-Präsidenten lassen sich die Münchner nicht einschüchtern.

San Luis Potosi (DK) Es war mindestens eine symbolische Geste, als der US-Autobauer Ford im Januar 2017 seine Pläne, in Mexiko für 1,4 Milliarden Euro ein neues Autowerk zu errichten, kleinlaut einstampfte. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump dem Unternehmen massiv gedroht - so wie auch ein anderes US-Unternehmen, General Motors, von ihm dafür gerügt wurde, so viele in Mexiko gefertigte Fahrzeuge in die USA zu holen. Immer wieder wedelte Trump mit der Twitter-Ankündigung "Produziert in den USA oder zahlt hohe Einfuhrsteuern!" - und meinte damit bekanntlich nicht nur die großen US-Hersteller, sondern alle, die von Mexiko aus in die USA liefern. Immerhin ein Drittel der in die US importierten Neufahrzeuge stammen aus dem südlichen Nachbarland der USA, aus Mexiko.

So gesehen ist Herrmann Bohrer durchaus ein Mann, von dem man sagen könnte, dass er in den letzten Jahren Trump ärgerte - in dem er für sein Unternehmen das tat, was Trump gerade eben nicht wollte. Geboren im oberbayerischen Vohburg und aufgewachsen im niederbayerischen Reisbach (wo auch der CSU-Politiker Erwin Huber herstammt, die beiden kennen sich gut) baute Bohrer für BMW ein neues Werk in San Luis Potosi auf - sozusagen in Sichtweite der Bauruine, die Ford nach seinem demonstrativen Abzug auf Trumps Geheiß hinterlassen hatte.


Bohrer, der Manager und Werkleiter, hat 1975 bei BMW in Dingolfing begonnen, als einfacher Bandarbeiter. Über viele Stationen in der ganzen Welt hat er sich der 63-Jährige nach oben gearbeitet. Im neuen, eine Milliarde Euro teuren Werk in Mexiko, es trägt die Nummer 30 im BMW-Verbund, sollen künftig 3-er Modelle gebaut werden - bis zu 175000 jährlich, wenn die Produktion erst richtig hochgefahren ist. Gestern wurde das Werk mit seinen bisher 2500 Mitarbeitern feierlich eröffnet - just ein paar Tage, nachdem Trump erneut öffentlich mit dem Gedanken gespielt hat, US-Importe aus Mexiko mit Extrasteuern zu belegen, Anfangs mit 5 Prozent, später vielleicht mit bis zu 25 Prozent.

Dass er der Mann sei, der Trump ärgert, das will Bohrer allerdings keinesfalls so stehen lassen: "Ich versuche, auf meinen Job konzentriert zu sein, nicht, Politik zu machen." Auch BMW-Produktionsvorstand Oliver Zipse, der extra zur Werkseröffnung in Mexiko angereist war, hält gelinde gesagt nicht viel von Diskussionen und Spekulationen, ob BMW nun demonstrativ Trump trotzt oder ob Trumps Zollpläne das nagelneue Werk in Mexiko belasten.

BMW bemüht sich in demonstrativer Gelassenheit. Bei Trumps Zollplänen handle es sich um "Ankündigungen", die "noch nicht einmal Fakt" seien, argumentiert Zipse. Er betont stattdessen den globalen Werksverbund, den BMW geschaffen habe - mit den Werken in ganz Europa, in Asien, aber auch denen in Nord- und Südamerika und eben nun dem in Mexiko.

"Für uns ist es fast schon Normalität, mit Handelsrestriktionen umzugehen", sagt Zipse und fügt hinzu: "Wir werden Antworten finden." Im übrigen sei Mexiko "ein gutes Land, das auf einem erfolgreichen Weg ist". Tatsächlich ist die Entscheidung für ein neues Werk in Mexiko bereits zu einer Zeit gefallen, als von einem US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump weit und breit noch keine Spur war. Im Juli 2014 war der Vertrag darüber mit Mexiko unterschrieben, im Juni 2016 der Grundstein gelegt worden.

Und der Standort Mexiko ist für Autoproduzenten keine exotische Angelegenheit: Obwohl Mexiko zwar keine eigenen bekannten Marken hat, ist es einer der wichtigsten Automobilstandorte der Welt. 3,9 Millionen Fahrzeuge wurden vergangenes Jahr hier produziert, damit landet Mexiko auf dem sechsten Platz der weltweit größten Produktionsländer, gleich hinter Deutschland. Neben BMW produzieren hier auch viele andere, etwa Volkswagen und Audi, General Motors und FiatChrysler, Hyundai-Kia und Chrysler, Daimler und Toyota.

Gerade deshalb hat für BMW in San Luis Potosi in Zentralmexiko offensichtlich vieles gestimmt: Es gibt etablierte Zuliefererketten, niedrige Löhne, die Lebensbedingungen gelten für mexikanische Verhältnisse gut und sicher, und es gibt eine ausreichend gute Infrastruktur.
Vor allem aber, so merkt BMW-Produktionsvorstand Zipse an, habe Mexiko viele Dutzend Freihandelsabkommen mit der ganzen Welt. Wenn Mexikos nördlicher Nachbar, die USA zu sehr auf die Zoll-Bremse steigen, gilt: "Dann gehen die Autos halt nicht nach Norden, sondern nach Süden, Osten und Westen." Genau das sei der Vorteil des BMW-Werkverbundes, dass insbesondere die wichtigen Volumenmodelle, an mehreren Standorten global produziert und auch global ausgeliefert werden können. Die Entscheidung für das neue Werk in San Luis Petosi, die würde er jedenfalls "heute wieder genauso treffen", versichert der Produktionsvorstand Zipse. Und wenn es nach Hermann Bohrer geht, dann bleibt es nicht lange bei der 3er-Limousine: "Wir haben das Werk von Anfang an so geplant, dass wir schnell und flexibel auf zukünftige Modellvarianten und Produktionsvolumina reagieren können."

Eine Ansage in Richtung Trump macht BMW-Produktionsvorstand Oliver Zipse dann allerdings schon, was höhere Zölle angeht: "Der Empfänger zahlt, nicht der Sender." Will heißen: US-Zölle würden den Preis der BMW-Fahrzeuge auf dem US-Markt erhöhen - und nicht die Gewinnmarge von BMW schmälern. Oder, anders herum: Die Zeche für höhere Zölle zahlen nicht BMW und Mexiko, sondern in erster Linie die US-Kunden.

Was BMW und Mexiko angehe: "Wir sind gekommen, um zu bleiben", so Zipse kategorisch. Und ohnehin trage jedes Fahrzeug, das BMW heute produziere, ein Teil aus Mexiko in sich - vom Mini bis zum Rolls Royce. Rund 2,5 Milliarden Euro geben die BMW-Einkäufer jedes Jahr bei Zulieferern im Autoland Mexiko aus.

Und was der Münchner Autobauer da selbst aufs mexikanische Hochplateau hingestellt hat, das sei "alles, was wir so drauf haben", bemerkt Zipse nicht unzufrieden. Werkleiter Bohrer erläutert: 70000 Quadratmeter Solarflächen versorgen zu 100 Prozent Logistik und Produktion, was Strom angeht, sei man also CO2-neutral. Mit dem in Mexiko raren Rohstoff Wasser gehe man so sorgsam um wie praktisch kein anderes Unternehmen in der Region, stellenweise würden 100 Prozent recycelt.

Alexander Kain