Retter und Sündenbock

Ein Kommentar von Stefan König

18.01.2019 | Stand 02.12.2020, 14:49 Uhr

Am Samstag endet eine Ära. Nach mehr als zehn Jahren wird Horst Seehofer das Amt des Parteivorsitzenden der CSU niederlegen und Platz für Markus Söder machen.Von allen Chefs blieb nur einer länger im Amt als Seehofer: Franz Josef Strauß, der Übervater der CSU. Diese Beständigkeit sagt vieles über den Mann aus dem Ingolstädter Ortsteil Gerolfing.

Unter ihm eroberte die Partei 2013 mit 48,7 Prozent die absolute Mehrheit zurück, auch deshalb, weil Seehofer in all seinem politischen Handeln immer die Sorgen und Nöte des einfachen Bürgers vor Augen hatte. Seinem Stil blieb er treu: Seehofer scheute keinen Konflikt, in der Flüchtlingsfrage attackierte er die Bundeskanzlerin heftig. Der Streit hätte beinahe zum Bruch der Koalition geführt. Seehofer war das egal, wenn er von einer Sache überzeugt war, kannte er kein Zurück. Die Regierung hielt, doch die CSU kassierte bei der Landtagswahl eine historische Schlappe. Am Ende stand Seehofer, der einstige Retter, als Sündenbock da und musste seinen Rückzug einleiten, auch weil er das Gespür für die Stimmung in der Bevölkerung verloren hatte. Viele waren den quälenden Disput mit Angela Merkel leid.Dabei war sein Instinkt lange Zeit seine verlässlichste Waffe. Früher als viele andere Politiker setzte er eine verbindliche Frauenquote im Landesvorstand und den Bezirken der Partei durch. Das war mutig und konsequent. Aus seinen Sympathien für die Grünen, der neuen "Volkspartei", machte der Ingolstädter keinen Hehl.

Und nun? Seehofer will Innenminister in Berlin bleiben - doch der Abschied von der Politikbühne ist eingeläutet. Das Machtgefüge in Berlin hat sich geändert. Seehofer tritt Merkel nunmehr als einfacher Minister entgegen, ohne das Mandat des Parteichefs. Man darf gespannt sein, wie die CSU ihre Positionen in Berlin künftig durchsetzen wird, wenn der Vorsitzende in München weilt und mehr den seriösen Landesvater als den fordernden Parteichef gibt.

Unumstritten ist: Es wird noch mehr Verantwortung auf den Schultern Söders lasten. Wie der Seehofer-Nachfolger mit der Doppelbelastung zurechtkommt, wird sich schnell zeigen. Denn schon nach der Europawahl Ende Mai wird er das Ergebnis der CSU verantworten müssen. Gut möglich, dass dann ein neuer Sündenbock gesucht wird.