Zwang zum Kompromiss

Ein Kommentar zum Asylstreit von DONAUKURIER-Chefredakteur Stefan König

02.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:37 Uhr

Die jüngste Attacke Horst Seehofers in Richtung Angela Merkel glich einer Abrechnung: "Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist." Der Streit zwischen CDU und CSU hatte da längst die persönliche Ebene erreicht. Deshalb war es um so wichtiger, dieses Schauspiel schnell zu beenden. Ansonsten hätte die Gefahr bestanden, dass noch mehr Wähler dem bürgerlichen Lager den Rücken zuwenden.

Man mochte nur erahnen, wie tief verletzt sich Seehofer vom Stil Merkels fühlen musste. Der CSU-Chef war sein Amt angetreten, um mit einem Kurswechsel in der Asylpolitik den Höhenflug der AfD zu stoppen. Während Merkel immer wieder auf eine europäische Lösung pochte, wollte Seehofer sichtbare Veränderungen - zur Not eben auch mit Grenzkontrollen und der Zurückweisung von Asylsuchenden, die bereits in einem anderen EU-Mitgliedsstaat einen Asylantrag gestellt haben. Die durchaus vorzeigbaren Ergebnisse, die Merkel auf dem Asylgipfel eingefahren hatte, reichten der CSU zunächst nicht. Deshalb setzte Seehofer alles auf eine Karte. Bei der vergangenen Europa- und Bundestagswahl hat die CSU mit ihrer Sowohl-als-auch-Politik bittere Schlappen eingefahren. Deshalb gab der CSU-Chef jetzt den harten Hund - immer die Landtagswahl im Oktober im Blick.

Was am Ende den Ausschlag für einen Kompromiss gab? Ein Rücktritt Seehofers hätte die Probleme mit einem Schlag vervielfacht. Ein Koalitionsbruch durfte kein Thema sein. Das galt auch für die CDU: Den Landesverbänden in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, wo die AfD große Wahlerfolge erzielt hat, dürften für den Fall einer nicht deutlich verschärften Asylpolitik weitere Wähler zur AfD abwandern. Vor diesem Hintergrund war der Zwang zum Kompromiss am Ende einfach zu groß.
 

Stefan König