Exklusiv-Interview
Link (FDP): „Freien Handel mit Wertepartnern und Demokratien intensivieren“

06.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:32 Uhr

Michael Link spricht beim FDP-Bundesparteitag. −Foto: dpa

Michael Georg Link (FDP), Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen, will die Handelsbeziehungen mit Wertepartnern intensivieren. Die Ratifizierung des CETA-Abkommens mit Kanada würden hierfür als Vorbild dienen.

„Ich finde, wir sollten auch die Verhandlungen mit den MERCOSUR-Staaten Mittel- und Südamerikas beschleunigen und zu einem erfolgreichen Ende führen“, sagte Link im Interview mit der Mediengruppe Bayern (Passauer Neue Presse, Donaukurier, Mittelbayerische Zeitung). Dabei solle die EU bedenken, dass „die Lücken, die wir in unseren globalen Beziehungen im Handelsbereich lassen, nur allzu gerne von den Chinesen gefüllt werden“.

Der G7-Gipfel ist vorbei, der Nato-Gipfel auch. Hat die USA wieder die Führung des demokratischen Westens übernommen?

Link: Uns allen in Deutschland ist in den letzten Monaten und in dieser drastisch veränderten strategischen und sicherheitspolitischen Lage noch klarer geworden, wie essentiell, ja existenziell wichtig, die transatlantische Partnerschaft für Deutschland und für Europa ist. Die Art und Weise wie die Vereinigten Staaten angesichts der russischen Bedrohung geführt haben – mit Transparenz und Entschlossenheit - war und ist exemplarisch. Das hat weniger etwas mit den letzten Gipfeln zu tun. Zugleich wird von uns Europäern erwartet, dass wir unseren Teil zu einem „partnership in leadership“ leisten. Hier gibt es viel zu tun. Wir haben mit dem Sondervermögen Bundeswehr in Deutschland und mit den Anpassungen am strategischen Konzept der NATO begonnen, die notwendigen Schritte zu gehen.

Gibt es in den USA eine Rückbesinnung auf Europa in ihrem strategischen Denken mit einem verstärkten Engagement, auch militärisch, auf dem alten Kontinent?

Link: Die USA unterstützen Europa derzeit in herausragender Weise strategisch, militärisch und politisch. Das Signal an den Kreml ist klar: Europa und der Westen stehen zusammen. Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren. Es geht hier aber um weit mehr, als eine Neuauflage des Ost-Wes-Konflikts. Es geht um die universelle Frage, ob wir eine völkerrechtsbasierte, multilaterale, internationale Ordnung erhalten oder ob wir in eine Unordnung verfallen, in der das Recht des Stärkeren gilt. Diese Frage wird auch mit Blick auf China und den Indo-Pazifik eine Schlüsselfrage sein. Insofern sollten wir uns darauf einstellen, dass die USA dieser Region im 21. Jahrhundert weiter strategische Priorität einräumen.

Ist Deutschland bereit, gemeinsam mit den USA Front gegen China zu machen als einem System-Konkurrenten des Westens, von dem man wirtschaftlich hochgradig abhängig ist?

Link: Wir werden auch bequem gewordene Positionen in unseren Köpfen und in unserem Handeln hinterfragen müssen. Nicht nur, weil unsere amerikanischen Partner uns in freundschaftlichem und kritischem Austausch auf gewisse Punkte hinweisen, sondern aus klarem Eigeninteresse. Das heißt mit Blick auf China, dass wir unsere Strategie ändern müssen. Daran arbeitet das Auswärtige Amt derzeit. Unser bisheriges Kooperationsmodell mit China wird nicht weitertragen. Wir müssen jetzt die Weichen umstellen, um unsere Interessen, gerade die wirtschaftlichen, mittel- und langfristig zu schützen.

Machen Sie sich Sorgen wegen der Labilität des demokratischen Systems in den USA – Stichwort Sturm aufs Capitol?

Linke: Wenn wir Deutsche über die Demokratie in den USA sprechen, sollten wir vor Augen haben, dass sich die dortigen Institutionen über Jahrhunderte bewährt haben. Wir Europäer haben alte Städte und Burgen, die Amerikaner dagegen haben alte demokratische Institutionen. Nichtsdestoweniger waren die Szenen des 6. Januar das Ergebnis von Lügen, von Spalterei und Hetze. Die Aufarbeitung im Untersuchungsausschuss liefert dazu weiter Belege. Diese dort gezeigte Demokratieverachtung muss einem Sorgen bereiten. Sie wirken bis ins Hier und Jetzt und wahrscheinlich bis über die nächsten Wahlen in den USA hinaus. Doch die Polarisierung in den USA ist nicht auf „Trump“ reduzierbar. Die Dynamiken sind komplexer und tiefliegender. Das müssen wir im Blick behalten.

Welches Signal sendet die geplante Ratifizierung des Ceta-Handelsabkommens mit Kanada aus? Ist damit jetzt auch die Zeit für einen Neuaufschlag für ein Freihandels- und Investitionsabkommen mit den USA?

Link: Endlich kommt die lang überfällige Ratifizierung des CETA-Handelsabkommens mit Kanada. Gerade jetzt heißt es, freien Handel mit Wertepartnern und Demokratien zu intensivieren. Die EU hat z.B. gerade die Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit Neuseeland abgeschlossen. Ich finde, wir sollten auch die Verhandlungen mit den MERCOSUR-Staaten Mittel- und Südamerikas beschleunigen und zu einem erfolgreichen Ende führen. Dabei sollten wir mitdenken, dass die Lücken, die wir in unseren globalen Beziehungen im Handelsbereich lassen, nur allzu gerne von den Chinesen gefüllt werden. Mit Blick auf die USA haben wir mit dem Trade and Technology Council ein sehr gutes europäisches Instrument um pragmatisch wichtige Handelsfragen anzugehen.