Berlin
Bei Tollwut kann es dramatisch werden

Lieferengpässe von Wirkstoffen sind Thema zum Start der Europäischen Impfwoche

23.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:44 Uhr
Ein Piekser kann Leben retten: Impfungen schützen, aber zeitweise kommt es bei bestimmten Wirkstoffen zu Lieferengpässen. −Foto: Spata/dpa

Berlin/Ingolstadt (DK/dpa) Eine Impfpflicht für Masern wird derzeit heiß diskutiert.

Doch was, wenn es den Impfstoff gar nicht gibt? Immer wieder kommt es zu Impfstoff-Engpässen in Deutschland. Oder in Ingolstadt, wie eine Umfrage unserer Zeitung zum heutigen Start der Europäischen Impfwoche ergab.

Die Situation sei nach wie vor unbefriedigend und angespannt, erklärt Christian Pacher, Inhaber der Ingolstädter Süd Apotheke und Bezirksvorsitzender des Apothekerverbands Oberbayern Nord. "Nach wie vor bestehen Lieferschwierigkeiten. Die größte Baustelle ist der Impfstoff gegen Tollwut. Bei uns gibt es keinen mehr. " Ein Grund für Lieferengpässe seien Produktionsverlagerungen im Zuge der Globalisierung: "Neun von zehn Wirkstoffen kommen inzwischen aus China oder Indien. "

Allein im vergangenen Jahr meldeten die Hersteller bei 45 Impfstoffen Lieferengpässe, wie aus Daten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) hervorgeht. Die Bundesbehörde für Impfstoffe und Arzneimittel führt seit Herbst 2015 eine Statistik - Grippeschutzimpfungen ausgenommen.
Für die Apotheken ist der Impfstoff-Mangel ein Problem: "Grundsätzlich ist die Versorgung ausreichend, aber leider sind immer wieder einzelne Lieferengpässe und damit Versorgungslücken zu beobachten", sagte Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) anlässlich der Europäischen Impfwoche.
Mehr als 100 Impfstoffe für Kinder und Erwachsene umfasst die Liste mit bisher registriertem Engpass auf den Seiten des PEI. Betroffen sind unter anderem Impfstoffe gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten, Masern, Mumps und Röteln, Windpocken, Kinderlähmung, aber auch gegen Hepatitis A und B, Cholera, Tetanus, Tollwut und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), die durch Zeckenbisse ausgelöst werden kann.

Apotheker Christian Pacher hat keinen Tollwut-Impfstoff mehr vorrätig, und es ist auch keiner lieferbar. "Durch Audi und Airbus ist die Nachfrage in Ingolstadt größer, denn die Beschäftigten sind auf der ganzen Welt unterwegs und brauchen einen entsprechenden Impfschutz. Unseren Patienten können wir jetzt nur empfehlen, sich ans Telefon zu setzen und weiträumig andere Apotheken anzurufen. "

In der Gabelsberger Apotheke in Mainburg könnten sie fündig werden, denn dort ist der Impfstoff vorrätig. "Zum jetzigen Zeitpunkt kriegt man bei uns alles", sagt Johannes Hillerbrand, Sprecher für den Bereich Kelheim. "Aber die Tollwut treibt uns seit Jahren um: Es gibt zwei Impfstoffe, die beide oft nicht lieferbar sind, obwohl sie vor einer Fernreise zur Prophylaxe wichtig sind. " Für eine nachträgliche Behandlung gebe es wenige Impfdosen in Notdepots. "Da kommt es immer wieder zu dramatischen Situationen", so Hillerbrand.

Dass es zu Engpässen bei Impfstoffen kommt, bestätigt auch Michael Feistner, Inhaber der Ilm Apotheke und Sprecher für den Bereich Pfaffenhofen. "Aber gleichzeitig wird für das Impfen geworben. " Für ihn sei die Politik dazu aufgerufen, Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Produktion von Wirkstoffen in Deutschland und Europa wieder attraktiver zu gestalten. Der Meinung ist auch Christian Pacher: "Bei lebenswichtigen Medikamenten gilt die Fürsorgepflicht des Staates. "

Für zeitlich planbare Impfungen wie vor Reisen sollte man so früh wie möglich seinem Arzt mitteilen, dass man bestimmte Impfungen braucht, rät Thomas Metz vom Bayerischen Apothekerverband (BAV). Die Versorgung mit Impfstoffen sei darüber hinaus immer wieder Thema in Gesprächen mit Herstellern und Politik, betont er gegenüber unserer Zeitung.

Bei Grippeimpfstoffen habe der Verband zuletzt eine "Tauschbörse" eingerichtet, so Metz: Über die BAV-Homepage konnten sich Mitgliedsapotheken so auf kurzem Weg und unbürokratisch über noch vorhandene Impfstoffe bei Kollegen informieren.

2017 haben die öffentlichen Apotheken rund 36,4 Millionen Impfstoffdosen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben - rund drei Prozent mehr als im Vorjahr, wie aus Zahlen des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts hervorgeht.
 

Suzanne Schattenhofer