Ingolstadt
Lachen über Blender

13.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:59 Uhr

Satirisch, witzig, schonungslos: Kai Twilfer im DK-Forum - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Kai Twilfer ist gut aufgelegt am Mittwochabend im DK-Forum, hat sich „in Schale geschmissen“ mit seinem pinkfarbenen Hemd zur Jeans und weißen Turnschuhen. Ein bisschen Stil müsse sein, sagt er, schließlich geht es in seinem zweiten Schantall-Buch „Schantall, tu ma die Omma Prost sagen!“ nicht nur um den Chaos-Clan Pröllmann, der Unterschichtenfamilie aus dem Ruhrgebiet samt Tochter Schantall.

Dieses Mal steht die Welt der Reichen und Schönen, des Geldadels und vor allem die der Blender im Mittelpunkt, erzählt Twilfer. Im vergangenen Jahr hatte er mit dem ersten Schantall-Band einen Bestseller gelandet und schon einmal das Publikum der Reihe „LeseLust“ zum Lachen gebracht. „Shades of Pink“ sei also dieses Mal zu erwarten, denn Schantall hat ihren Freund Cedrik geehelicht und damit den Aufstieg aus der Sozialwohnung in „Bochtrop-Rauxel“ in die sanierte Altbauwohnung im feinen Düsseldorf-Pöbelhausen geschafft. Die alleinerziehende proll-charmante Schantall habe „in Kohle“ geheiratet, klärt Twilfer sein bayerisches Publikum über einen der vielen Begriffe auf, die seine Milieu-Studien aus dem Ruhrgebiet auszeichnen. Und: Düsseldorf sei im Ruhrgebiet das Synonym für Geld und Dekadenz.

Die Reichen und Schönen werden gleich in der ersten Geschichte verspottet. Der hessische Pelzhändler Gustavo Gorny etwa, der mit seinem Jaguar die Parklücke für den Umzugswagen des Schantall-Clans verstellt, ist in grotesken Farbmix gekleidet mit lilafarbenem Cordjackett inklusive Einstecktuch in Gelb. Leicht vornehm-näselnd, aber in breitem Hessisch („Isch bin doch ned de weide Weg von Hesse hierherkomme, um misch von Ihne anpflaume zu lasse!“) pariert dieser die Anmache von Schantall, „Ey, Eierkopp, wat musst du Opfer hier alles zuparken“

Bereits nach wenigen Minuten zündet Twilfers bildhafte und deftig-zupackende Sprache, entstehen im Kopf brüllend-komische Szenen, die Twilfer mit seinem szenischen Lesen steigert, hat er doch selbst den Ruhrpott-Slang (Er ist Gelsenkirchener, Schalke-Fan!) drauf und kann zudem perfekt andere Stimmlagen oder Dialekte nachahmen. Derb, bis an die Schmerzgrenze gehend ist da von „etwas gereifteren, na ja, fast überreifen, oder sagen wir besser schon partiell angefaulten Anstandsdamen“ mit „gegerbten Gesichtern“ die Rede. Schonungslos zieht Twilfer Vergleiche, dreht zunächst harmlose Alltagsszenen weiter.

Und geht dabei auf die Zuhörer ein, erzählt selbst erlebte Anekdoten wie die jener Mutter im Zoo, die ihrer Tochter zuruft: „Cinderella, geh nicht so nah an die Eisbären ran, du bist schon erkältet!“. Das will er als Beweis dafür verstanden wissen, dass seine Bücher keine Romane sind, sondern Sachbücher, selbst recherchiert, selbst erlebt, satirisch überhöht. In der Episode „Das kommt nicht in die Tüte“ geißelt Twilfer die überspannten Eltern bei der Einschulung ihrer Sprösslinge oder macht sich lustig über Modeerscheinungen, die einen Chihuahua-Hund zum unbedingten Accessoire eines „It-Girls“ machen, als das sich seine Protagonistin Schantall nun mit genügend Geld in der Tasche fühlt.

Diese Verbindung zwischen Satire und Wirklichkeit steckt bei Twilfer oft in Nebensätzen, auch in den sprechenden Namen. Seiner einst ungeliebten Geschichtslehrerin hat er ein kleines Denkmal in der Person der Tierheimleiterin Sörries-Kotberg gesetzt, die distinguiert und doch bewundernswert ruhig die Einlassungen Schantalls bei der Suche nach dem passenden It-Hund erträgt. Auch der Ort Hückelhofen findet eine spöttische Erwähnung, denn in dessen Stadtbücherei stehe sein erstes Schantall-Buch auf dem Index – „gibt es eine größere Ehre für ein satirisches Buch“, fragt er.

So plaudert und liest Kai Twilfer zweimal eine Dreiviertelstunde mit einer Viertelstunde Pause lang („Ein Fußballspiel!“) Am Ende gibt es witzige, aber durchaus ernst gemeinte Lehrminuten über den „Kevinismus“ oder „Schantallismus“, jener „krankhaften Unfähigkeit von Eltern, ihren Kindern sozialverträgliche Namen zu geben“, die damit sprachlich eine falsche Richtung einschlagen. Twilfer hält dazu Blätter hoch, auf denen „Jaydon-Dylan“, „Sunnybelle Melody“, „Tschastin“ (Schantalls Sohn) oder „Schanaya“ zu lesen ist. So heißt eine Tochter der Geisens. Das muss man wissen, um zu verstehen, dass Twilfer mit seinen Späßen gesellschaftliche Irrwege spiegelt, ohne dabei den moralischen Zeigefinger zu erheben.

Erst Anfang 2016 wird ein weiteres Schantall-Buch herauskommen, wird Twilfer satirisch auf die Mittelschicht blicken und seine Milieustudie als Trilogie abschließen. Früher gehe das nicht, denn dazu müsse er erst noch ein paar Mal in Gelsenkirchen und anderswo in Deutschland „die Straßen auf und ab gehen“. Man darf gespannt sein, was bei dieser schantalligen Feldstudie herauskommt.