Ingolstadt
Locker auch ohne Weizenbier

13.10.2013 | Stand 02.12.2020, 23:33 Uhr
Waldemar Hartmann −Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Bei der „LeseLust“ hat Waldemar Hartmann am Freitagabend eine humorvolle Anekdote an die nächste gereiht: Der ehemalige Sportreporter kann auf eine gut vier Jahrzehnte dauernde Journalistenkarriere zurückblicken. Im DK-Forum plauderte Hartmann vor 150 Zuhörern vor allem über das, was er abseits des Spielfeldes erlebt hat. Zu seinem Buch „Dritte Halbzeit“ griff er dabei nicht: Stattdessen redete Hartmann frei von der Leber weg – „absolut lebens- und livetauglich“ eben, wie es laut Hartmann auch auf seinem Grabstein stehen sollte.

Die Geschichte zu jenem legendären Interview mit Rudi Völler – der Geburtsstunde von „Weißbier-Waldi“ – hebt er sich allerdings noch auf. Bei der „LeseLust“ hat Waldemar Hartmann am Freitagabend eine humorvolle Anekdote an die nächste gereiht: Der ehemalige Sportreporter kann auf eine gut vier Jahrzehnte dauernde Journalistenkarriere zurückblicken. Im DK-Forum plauderte Hartmann vor 150 Zuhörern vor allem über das, was er abseits des Spielfeldes erlebt hat. Zu seinem Buch „Dritte Halbzeit“ griff er dabei nicht: Stattdessen redete Hartmann frei von der Leber weg – „absolut lebens- und livetauglich“ eben, wie es laut Hartmann auch auf seinem Grabstein stehen sollte.
 

Da war zum Beispiel die WM 1994 in den USA, während der Hartmann sich als Co-Trainer der Nationalmannschaft unter das Volk mischte. Ein paar Journalisten fuhren mit einer Stretchlimousine zu einer Disco, bis vor die Tür. In die Schlange wollten sich Hartmann und seine Kollegen nicht stellen, also überlegten sie sich eine List. „Wir haben denen gesagt: ,We are the German Soccer Team’“, erinnert sich der 65-Jährige. „Der eine war der Basler, einer Möller – und ich war der Co-Trainer.“ Denn auch wenn die Amerikaner keine Ahnung vom Fußball hatten: Dass Hartmann kein Profikicker war, das erkannten sogar sie. „Das haben wir ein paarmal gemacht, sind immer reingekommen. Dann gab es ein Problem: Plötzlich stand das echte German Soccer Team im Laden.“ Doch die Journalisten marschierten entschlossen zu den Fußballern. „Der Kollege aus Berlin sagte zum Basler: ,Hör mal, Mario, ich bin der Mario.’“ Und die Sportler spielten mit.

Ein Höhepunkt in seiner Laufbahn war die Weltmeisterschaft 1990 in Italien. An seiner Seite stand Karl-Heinz Rummenigge als Experte, 34 Jahre alt und die Fußballschuhe gerade erst an den Nagel gehängt. Italien liebte „Kalle“, wie Hartmann ihn nennt, Rummenigge hatte drei Jahre bei Inter Mailand gespielt. „Wir sind in jeden Club reingekommen“, schwärmt Hartmann. „Und einmal sind wir in einen Laden, drinnen alles aus Marmor, Gold – so was hast du noch nicht gesehen.“ Mittendrin stand Pelé. „Morgens um fünf Uhr hab’ ich mit Pelé Lambada getanzt. Wer kann das schon behaupten“, fragt Hartmann mit einem Grinsen.

Ein Datum hat sich in Hartmanns Gedächtnis gebrannt, der 6. September 2003. Nationaltrainer Rudi Völler kam nach einem 0:0 gegen Island zum Interview – und rastete aus. „Rudi wusste ja, dass sie schlecht gespielt haben“, sagt Hartmann mit beschwichtigendem Ton. „Aber vier Tage später stand das nächste Spiel an und er musste sich vor die Mannschaft stellen.“ Völler verteidigte die Spieler, warf Hartmann vor: „Du sitzt hier locker bequem hier auf deinem Stuhl, hast drei Weizenbier getrunken und bist schön locker.“ Für Hartmann ein gefundenes Fressen. „Der ,Weißbier-Waldi’ war geboren. Ich hab’ hier schon Dollarzeichen gehabt.“ Der 65-Jährige fährt sich über die Augenlider und lacht. Merkantiles Feingefühl nennt er das. Der Werbevertrag mit einer Münchner Brauerei gilt noch immer. „Ich brauch’ keine Riester-Rente, ich hab’ meine Rudi-Rente“, bringt es Hartmann auf den Punkt.

Aber so schön die Zeiten waren, eines ist für den ehemaligen Sportreporter klar: „Ich möcht’s heut’ nicht mehr machen.“ Daran ist nicht allein das unschöne Ende mit der ARD im vergangenen Jahr schuld. Der Sport an sich hat sich verändert. Früher habe es noch Spieler von einem besonderen Schlag gegeben, wie Jens Jeremies. „Richtige Wadlbeißer. Der Jerry hat einmal einen Spieler umgegrätscht“, erinnert sich Hartmann an ein Champions-League-Spiel des FC Bayern gegen Arsenal London. „Und dann geht er zum Patrick Vieira hin, der noch auf dem Boden liegt, und sagt zu ihm: ,Da gut’ – also in der englischen Hälfte – ,und hier aua.’ Der Vieira hat sich nicht mehr über die Mittellinie getraut.“ Solche Spieler gebe es heute einfach nicht mehr.

Nicht nur zu vielen Sportlern hatte und hat Hartmann eine besondere Beziehung. Während seiner Zeit beim Radio war er der Einzige, der sich traute, den damaligen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß vor sein Mikrofon zu holen. „Ich war Strauß-Fan“, gibt Hartmann zu. „Einmal, da hab’ ich ihn gefragt, ob er schon sein Testament geschrieben hat. Und er sagt: ,Hartmann, ich habe zwei Testamente geschrieben – das Alte und das Neue.’“ Die Zuschauer im DK-Forum lachen, doch Hartmann unterbricht. „Moment, es geht noch weiter! Wo er denn beerdigt werden will, hab’ ich noch wissen wollen.“ Im Heiligen Grab sei ja noch Platz frei. „Da sagt der Franz-Josef: ,Schon, aber die Juden wollen zwei Millionen dafür haben. Für die drei Tage!’“

Seit fast einem Jahr ist Hartmann nun im Ruhestand, die letzte Sendung moderierte er Ende 2012. „Ich hab’ gesagt, ich hör’ auf, weil ich mich nicht mehr ärgern wollte“, begründet er die Entscheidung. Schließlich wolle er – inzwischen Mitte 60 – sein Leben noch genießen. Wo er sich in fünf oder zehn Jahren sieht, das liege auf der Hand: „Mit einer hohen Trefferquote an einer Bar.“

Der nächste Termin der Herbstreihe „LeseLust“ im DK-Forum ist am Sonntag, 20. Oktober, um 19.30 Uhr: Uwe Ochsenknecht mit „Was bisher geschah“.