„Bitte lachen Sie vorsichtig“

Christian Ehring geht mit seinem politischen Kabarett auch dahin, wo es weh tut – Gastspiel im Kulturzentrum neun

23.10.2022 | Stand 22.09.2023, 4:13 Uhr

Die Krisen mit Humor nehmen: Christian Ehring. Foto: Weinretter

Von Bernd Hofmann

Ingolstadt – Die Welt stolpert von einer Krise in die nächste, die Menschen haben Angst vor Pandemie, Krieg, Inflation und generell der Zukunft. Also den Kopf einziehen und daheim bleiben? Nein, lieber zu Christian Ehring gehen. Der zeigte am Freitagabend im Rahmen der Kabaretttage in der Halle neun in Ingolstadt, dass man sogar über Putin lachen kann. Auch wenn’s manchmal weh tut.

Aber darf man das überhaupt: Witze machen über Krieg und so was? Ehring meint ja, und er weiß genau, wie weit er dabei gehen kann. Die gut zwei Stunden mit dem aus dem Fernsehen („Extra 3“) bekannten 50-Jährigen und seinem aktuellen Programm „Antikörper“ lassen wieder etwas frische Luft an die von den täglichen Nachrichten geschundene Seele. Man hört ja zum Beispiel immer mal wieder, dass man Putin eine Möglichkeit geben müsse, gesichtswahrend aus dem Ukraine-Krieg rauszukommen. „Ich weiß nicht, wer für Putins Gesicht zuständig ist“, sagt Christian Ehring: „Wenn's nach mir ginge, wären es die Klitschko-Brüder.“ Ist zwar nicht neu, aber immer wieder für einen befreienden Lacher gut.

Manchmal gründen Ehrings lockere Sprüche in einer Bitterkeit, die erst dann richtig bewusst wird, wenn man noch mal drüber nachdenkt, was er da gerade gesagt hat. Etwa zum Thema Energiekrise: In Deutschland gebe es Menschen, die nicht mehr wüssten, wie sie ihre vier Wände heizen sollten. In der Ukraine dagegen fragten sich viele: Welche vier Wände? „Bitte lachen Sie vorsichtig“, heißt es auf Ehrings Künstlerhomepage. Ja, genau.

Auch wenn Ehring zum einfachen Wortwitz greift, ist das zwar irgendwie zum Lachen, andererseits aber überhaupt nicht. Beispiel? Gerne: Wladimir Putin habe ein besonderes Verhältnis zum Völkerrecht: „Um sein Reich zu vergrößern, sind ihm alle Völker recht.“ Oder Demonstrationen in Deutschland, bei denen Leute für die Grundrechte auf die Straße gehen: „Da gibt es immer weniger Grund und immer mehr Rechte.“

Christian Ehring kennt sich aus mit den heutigen Krisen, denn er liest regelmäßig Zeitung. Sogar auf der Bühne. Ehrensache, dass er bei seinem Auftritt in Ingolstadt im DONAUKURIER blättert. Da findet er die Schlagzeile mit dem Rücktritt von Liz Truss – und redet gleich davon, dass man sich für Großbritannien derzeit nur fremdschämen könne. Man nehme das Land sowieso als eine irgendwie komische Insel in der Nordsee wahr – so eine Art „Helgoland mit Pfefferminzsoße“. Auch am Bundeskanzler („Egal was Olaf Scholz sagt: Es klingt demotivierend.“), an Corona-Leugnern (mRNA-Impfstoff verändere das Erbgut? „Wer sagt denn, dass das in jedem Fall eine Verschlechterung wäre?“) oder an Leuten mit Lounge-Möbeln auf der Terrasse („Wer hat denn ’ne Couch-Garnitur im Garten? Ich stell mir doch auch keinen Komposthaufen ins Wohnzimmer!“) arbeitet sich Ehring ab. Nur zu Markus Söder gibt es keinen Gag. War ihm wohl nicht wichtig genug.

Aber so muss politisches Kabarett sein: Dorthin gehend, wo’s weh tut, den Zuhörern ein Wechselbad der Gefühle bescherend, aber immer genau wissend, worüber man sich nicht mehr lustig machen darf. Christian Ehring beherrscht das perfekt, entsprechend enthusiastisch ist der Applaus für ihn in der gut gefüllten Halle. Natürlich tut dem Kabarettisten dieser Zuspruch gut nach den vielen Corona-Monaten – „ich war völlig unterklatscht“, verrät er.

Und es ist auch schön, dass Christian Ehring Anliegen hat, die er ganz unironisch vermitteln will. Die Kinder und Jugendlichen hätten es während der Corona-Pandemie nicht leicht gehabt. Dass sie das alles dennoch tapfer ertragen hätten, dafür wollte er der jungen Generation am Freitag noch seinen Respekt aussprechen. Aber – und hier wird’s dann doch wieder ironisch, selbstironisch gar – ist ein Kabarettabend wirklich der richtige Ort dafür, die Jugend zu erreichen? „Sie sagen’s einfach weiter!“

DK