Auf Geisterjagd im Einkaufszentrum

„Radio Ghost“ ist ein interaktives Theatererlebnis für drei Spieler – und ein neues Format im Rahmen des Südwind-Festivals

24.06.2022 | Stand 22.09.2023, 21:54 Uhr

Folge der Stimme im Kopf: In London hat „Radio Ghost“ am 2. Juli Premiere, in Ingolstadt ist es am 6. und 7. Juli zu erleben. Foto: ZU-UK

Von Anja Witzke

Ingolstadt – Mission: Geisterjagd! Nicht in irgendeinem alten Schloss zur Mitternacht. Sondern am helllichten Tag in einem Ingolstädter Einkaufszentrum! „Radio Ghost“ heißt ein Multiplayer-Game für jeweils drei Spieler, die mit Smartphone und Kopfhörer im Rahmen des Südwind-Festivals im Westpark auf Geisterjagd gehen.

Wer ein Ticket für einen bestimmten Timeslot ergattert hat, trifft sich mit seinen Mitspielern im „verspukten“ Einkaufszentrum und wird zunächst mit dem nötigen technischen Equipment versehen: Smartphones und Kopfhörer (wer will, kann auch einen eigenen Kopfhörer mitbringen). Dann geht es auch schon los, denn die die Stimme im Ohr, die von einer Radiomoderatorin stammt, erklärt alles, was man wissen muss: wann man wie welche Portale durchschreitet und welche Aufgaben es zu erledigen gibt. Beispielsweise muss ein bestimmtes Produkt in einem der Läden gesucht werden: ein Duft, ein Mantel, ein Spielzeug. Es tauchen virtuelle Shopbots auf, die beim Kauf beraten. Aber darf man ihnen auch trauen?

„Hat man das Produkt ausgesucht, ploppt plötzlich ein Geist auf, der etwas darüber erzählt – über die Machart, die Inhaltsstoffe, die Produktionsbedingungen, die Lieferketten“, erklärt Dramaturgin Teresa Gburek. Denn „Radio Ghost“ handelt von unserer Beziehung zum Konsum. „Es geht darum, auf spielerische Art und Weise darauf aufmerksam zu machen, wie unser Shopping-Alltag aussieht. Was kaufe ich? Wie kaufe ich? Wie verhalte ich mich in einer Mall? Wie bewege ich mich dort fort? Vielleicht ist es ganz wichtig, mal innezuhalten, langsamer zu werden, stehenzubleiben, dem Treiben zuzugucken“, sagt Teresa Gburek. „Radio Ghost macht begreifbar, wie es kommt, dass bestimmte Dinge in unsere Hände geraten, die uns von Geistern geliefert werden, und dass man ihre Fingerabdrücke nicht finden kann, egal wie sehr man versucht, ihre Spuren zu sichern.“ Musik begleitet die Spieler, gibt den Takt vor, bildet den Soundtrack der Mission, bei der die Spieler oft auf sich selbst gestellt sind, aber miteinander in Kontakt bleiben. Regelmäßig werden neue Aufgaben auf das Smartphone geschickt, die man erledigen muss, bis sich die drei zum Finale wieder zusammenfinden. Mit „Radio Ghost“ wird Theater so an einen Ort gebracht, an dem es normalerweise nicht stattfindet. Und das Publikum wird selbst zum Spieler. „Es geht darum, die Realität aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten“, sagt Teresa Gburek. Erfunden hat das ungewöhnliche interaktive Format das Theater- und Digitalkunstkollektiv ZU-UK, das bekannt ist für seinen persönlichen, politischen und ethischen Ansatz bei internationalen Projekten, die sich auf interaktive Erfahrungen online und im öffentlichen Raum konzentrieren. Künstlerische Leiterin ist seit 2006 Persis Jadé Maravala. Ihre Projekte verorten sich an der Schnittstelle von Spiel, Performance und Technologie.

„Gerade während Corona haben neue theatrale Formen noch mal einen Push bekommen, weil es ja lange nicht möglich war, sich gemeinsam in einem Theaterraum zu versammeln“, sagt Teresa Gburek. Das Junge Theater Ingolstadt war schon länger in Kontakt mit dem Kollektiv. Jetzt kommt es – in Kooperation mit dem Festival Theaterformen in Braunschweig – zur ersten Zusammenarbeit. In London erlebt „Radio Ghost“ am 2. Juli seine Premiere. Die deutsche Fassung wird am 6. und 7. Juli im Rahmen des Südwind-Fesivals in Ingolstadt präsentiert. In Braunschweig ist man von 6. bis 9. Juli auf Geister-Mission in den Schloss-Arkaden.

Dazu musste der englische Text auf deutsch übersetzt und von Ingolstädter Schauspielern wie Wiebke Yervis, Theresa Weihmayr und Steven Cloos neu eingesprochen werden. Konzept, Struktur, Musik, sogar die Computerstimme, die die Radiomoderatorin begleitet, werden übernommen. Und noch wird im Tonstudio daran gearbeitet. Etwa eineinhalb Stunden dauert die Geisterjagd, die für Spieler ab 15 Jahren geeignet ist. Die drei, die ein Team bilden, müssen sich nicht kennen, aber vermutlich ist es witziger, wenn drei Freunde an den Start gehen. Es gibt an jedem Tag verschiedene Timeslots (ab 10 Uhr), drei Teams können gleichzeitig auf Geisterjagd gehen. Übrigens: Um einen Geist zu fangen, muss man sich wie ein Geist verhalten. Wer ist mutig genug?

DK


Radio Ghost am 6. und 7. Juli, verschiede Timeslots. Start im Ingolstädter Westpark. Tickets gibt es unter Telefon (0841) 30547200.