Schriftsteller-Porträt
Als Turmschreiber zugleich ein Turmzeichner: Martin Oswald beendete Residenz auf Burg Abenberg

04.11.2023 | Stand 04.11.2023, 11:00 Uhr

Der Türmer und sein Turm: Der Autor und Künstler Martin Oswald vor der Kulisse des Schottenturms der Burg Abenberg. Foto: Buckl

Den ganzen Oktober über residierte er auf Burg Abenberg, am vergangenen Dienstag ging sein Aufenthalt zu Ende. Doch im Mai will er für eine Woche wiederkehren und zeichnen. Denn Martin Oswald war hier nicht nur als Turmschreiber zu Gast, sondern zugleich als Turmzeichner, schließlich ist er in erster Linie Künstler und Kunstprofessor an der Hochschule Weingarten. Damit ist er in der Reihe der Abenberger Turmschreiber, in der er chronologisch an siebter Stelle steht, sicher der vielseitigste, zumal er auch Kabarettprogramme verfasst.

Bereicherung für das kulturelle Leben

In der kleinen fränkischen Stadt Abenberg im Landkreis Roth wird seit 2004 alle drei Jahre ein „Turmschreiber“ berufen, der im Schottenturm der malerischen Burg sein Domizil bezieht und als Resultat des Aufenthalts ein Buch abliefert. Wohl am prominentesten in dieser Reihe war im Jahr 2017 eine Turmschreiberin – die bekannte Bestseller-Autorin Tanja Kinkel. Den Auftakt als erster Turmschreiber machte im Herbst 2004 Reinhard Knodt, der im Dezember in Berlin verstarb, unter anderem folgten dann Gerd Scherm (2007) und mit Bernhard Lassahn (2010) ein Verfasser der Käpt’n Blaubär-Geschichten. Finanziert wird die Stelle von einem Zweckverband, zu dem die Stadt Abenberg, der Landkreis Roth und der Bezirk Mittelfranken zählen, um ein bescheidenes Literaturstipendium zu gewähren: Dem Turmschreiber stehen ein Taschengeld von 2000 Euro, ein Auto und freie Logis zu, wofür er das kulturelle Leben durch Lesungen bereichern und ein Buch über den Aufenthalt schreiben soll.

Das Stipendium war für Oswald als wohlbestallter Hochschullehrer wohl kaum ein Anreiz, die angebotene Stelle anzunehmen, auf die er über Knodt aufmerksam wurde. Vielmehr reizte den Künstler die fränkische Keuper-Landschaft, die er als „unspektakulär spektakulär“ bezeichnet, denn sie stecke „voller Überraschungen“. Er liebt die typische Baukultur, die vielen Wälder und kleinen Weiher sowie Felsformationen wie den von Sagen umwobenen Druidenstein im Abenberger Land.

Geboren wurde Oswald 1960 in Würzburg; er wuchs in Karlstadt und Aschaffenburg auf, wo er 1978 das Abitur absolvierte. Nach dem Zivildienst studierte er Germanistik und Kunst in Augsburg und ging als Galerist nach Günzburg, bevor er wieder in Augsburg an der Uni über „Farbwahrnehmung“ promovierte. Seit rund zwei Jahrzehnten hat er eine Professur an der PH Weingarten inne, auch leitet er die Galerie Weingarten. Oswald ist seit 1994 verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Kaum zu glauben, wie Oswald sein gewaltiges Arbeitspensum bewältigt: Unter anderem als Prorektor, Mitglied des Hochschulrats, des Senats, des Fakultätsrates und als Fachsprecher Kunst ist er in den Niederungen der akademischen Gremienarbeit unterwegs und gehört diversen Beiräten an. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift „Oberland“, leitet ein „Kunst-Camp“ und ist Kurator von Kulturprojekten. Die Bibliographie seiner Publikationen erstreckt sich über mehrere Seiten. Eine beeindruckend lange Liste seiner Ausstellungen summiert sich auf fast 50 Events: Seine Werke stellte Oswald seit 1984 in einer imposanten Reihe von Orten aus, die alphabetisch von Aschaffenburg, Augsburg, Bamberg und Cham über Friedberg, Feldkirch und Leutkirch bis hin zu Bad Waldsee, Wolfegg und Weingarten reicht. Selbst in Mantua und in Valetta auf Malta waren seine Werke schon zu sehen. Demnächst folgen Vernissagen in Dessau und Berlin. Künstlerisch setzt er sich mit dem Thema Landschaft auseinander und hinterfragt in seinen Zeichnungen scheinbar intakte Oberflächen, um die darunterliegenden Geschichten und Versehrtheiten angeblicher Naturidyllen aufzuzeigen, wie zuletzt in der Ravensburger Ausstellung „Gezeichnetes Land“.

Eine Lesung voller Schalk und Hintersinn

Als Autor gewann das Publikum bei einer Abenberger Eröffnungs-Lesung durch Prosa-Miniaturen voller Schalk und Hintersinn, auch ist ihm Lyrik nicht fremd, wie er sie für die Kabarettprogramme des Duos „Mehlprimeln“ schrieb. In seinem ins Auge gefassten Buch will er sich von den Werken der bisherigen Turmschreiber unterschieden, die meist in die Vergangenheit blickten: Sein Thema ist das Franken der Gegenwart; er will Stimmen und die Stimmung des Ortes einfangen und unternahm während seiner Residenz Wanderungen zu den Ortsteilen, wo ihm „Transformationen des Dorfes“ auffielen: „Die Zahl der Wirtshäuser wird geringer“. Das Buch soll ein Roman werden, der sich aus Prosa-Skizzen addiert; in ersten Texten hat er liebevoll die Stimmung um den Stillabrunnen des Ortes eingefangen oder leicht ironisch Honoratioren der Stadt karikiert, Auch der Titel steht schon fest: „Deutschland-Roulette - 30 Tage Abenberg“. Man darf gespannt darauf sein.

DK