Wendelstein
Zwei Weltstars in Wendelstein

Manu Dibango und Stanley Clarke beim "Jazz & Blues Open"

28.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:48 Uhr
Der Multiinstrumentalist Manu Dibango (oben) aus Kamerun ist mittlerweile 85 Jahre alt und passt in keine keine Stil-Schublade. Er mischt zusammen, was zwischen New York, der Karibik und Afrika die Menschen zum Tanzen bringt. In Wendelstein traf er auf Stanley Clarke (67, links). Über 40 Alben und vier Grammys haben ihm den Ruf einer lebenden Legende eingebracht, die wahre Pionierarbeit im Jazzrock und Fusion geleistet hat. −Foto: Leitner

Wendelstein (DK) Die Marktgemeinde Wendelstein vor den Toren Nürnbergs leistet sich seit nunmehr 26 Jahren das Festival "Jazz & Blues Open", eine Veranstaltung, die in der Tat für Aufsehen sorgt, und zwar wegen ihrer perfekten Durchführung, des exzellenten Sounds sogar in einer Halle, in der ansonsten Tennis gespielt wird, unzähliger freiwilliger Helfer und wegen der Leiterin des Bildungs- und Kulturreferats Andrea Söllner, die als Organisatorin vorab alles akribisch geplant hat.

Hier legt sogar der Bürgermeister vor Ort mit Hand an und am 1. Mai wird kurzerhand der komplette historische Marktplatz gesperrt, weil dann Jazz & Blues "open air" geht und nahezu die gesamte Bürgerschaft anlässlich dieses Ereignisses erfahrungsgemäß kopfsteht.

Das "Open" im Festivaltitel kommt nicht von ungefähr, denn es ist Andrea Söllners besonderes Anliegen, neben verschiedenen Spielstätten und Altersschichten auch möglichst viele stilistische Facetten anzubieten. Am Abend zuvor hat die britische Sängerin Lisa Stansfield ihr Auditorium mitgerissen, heute stehen mit Manu Dibango und Stanley Clarke wieder zwei herausragende Vertreter ihres jeweiligen Genres auf der großen Bühne der Eventhalle. Ungefähr 600 Leute wollen sich dieses musikalische Spektakel nicht entgehen lassen, und es dürfte wohl keiner darunter sein, der am Ende sein Kommen bereut hätte.

Manu Dibango macht den Anfang. Der Tenorsaxofonist der aus dem Kamerun stammt und in Frankreich lebt, vermischt seit vielen Jahren die traditionelle Musik seines Heimatlandes, nigerianischen Highlife, Funk, Reggae, Hip Hop und Bebop zu einem fast hypnotischen Gebräu, bei dem die Soli der Beteiligten gar nicht mal das Entscheidende sind, wohl aber der Groove. Man spürt geradezu die magische Kraft, die von dem im Grunde nie abreißenden Beat ausgeht, man kann nachempfinden, dass diese Rhythmen ursprünglich eine spirituelle Funktion hatten. Als im Mittelteil, während sich der 85-Jährige eine Auszeit gönnt, der magische Flow einmal kurz abreißt, vermisst ihn man denn auch sofort und merkt sehr schnell, dass Call & Response, Dibangos Sprechgesang, seine Saxofonkürzel und der federnde Groove der Band unabdingbar zusammengehören. Die Musik Dibangos ist nicht spektakulär, aber ungemein dicht, und vor allem: sie "wirkt". Getanzt wird zwar nur vereinzelt, zumindest mitgegroovt aber wird kollektiv.

Bei Stanley Clarke freilich ist es endgültig vorbei mit der Zurückhaltung. Der halbe Saal steht vorne an der Bühnenrampe. Man will schließlich nicht nur hören, sondern auch sehen, was diese Galionsfigur am E-Bass und am Kontrabasses zu bieten hat. Virtuos ist er allemal, das weiß man spätestens seit seinen Tagen mit "Return To Forever", aber wird er seine blendende Technik, seine ganz spezielle Stilistik, seinen Hang zu akrobatischen Kabinettstücken vereinbaren können mit dem dramaturgischen Konzept, das nun mal jedes Konzert braucht? Bis auf wenige Passagen kann er das tatsächlich, nur ab und zu verliert sich er - oder einer der ebenfalls glänzenden Solisten seiner Band - in Kraftmeierei oder allzu ausufernde Eskapaden. Waren vorher bei Dibango die Soli eher Beiwerk, sind sie hier entscheidend. Und sie sind wahrlich aller erste Sahne, nicht selten regelrecht spektakulär. In der Stanley Clarke Band darf jeder zeigen, was in ihm steckt, eine Gelegenheit, die vor allem der sensationelle Geiger Evan Garr, der ja auch schon mit Al DiMeola auf Tour war, weidlich für sich nutzt. Den Schlusspunkt setzt Clarke mit einer komplett runderneuerten Version des Chick Corea-Klassikers "No Mystery", in die er auch ein paar seiner eigenen älteren Stücke mit hineinwebt.

Nach einer kurzen Zugabe geht schließlich das Saallicht an. Es ist kurz vor Mitternacht, die Halle leert sich und wird sofort präpariert für den nächsten Tag. Da wird dann Tom Gaebel auf der Bühne der Eventhalle stehen und komplett andere Musik machen. Was natürlich völlig beabsichtigt ist. Immerhin trägt dieses so überaus sympathische Festival ja das "More" im Namen.

 

Karl Leitner