Berlin
Unbekanntes Kapitel jüdischen Widerstands

Wie Juden in Berlin dem Holocaust entkamen: Das ARD-Dokudrama "Die Unsichtbaren"

15.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:39 Uhr
Untergetaucht: Eugen Friede (Aaron Altaras, hier mit Andreas Schmidt als Hans Winkler) wurde von Nazi-Gegnern versteckt und war bald selbst Teil einer Widerstandsgruppe, die mit Flugblättern gegen die Nazi-Diktatur kämpfte - trotz aller Risiken. −Foto: NDR/Tobis Film

Berlin (DK) Von 7000 untergetauchten Juden in Berlin überlebten während des Zweiten Weltkriegs 1500 in der Stadt. Vier von ihnen erzählen in dem Dokudrama "Die Unsichtba-ren - Wir wollen leben", wie sie dem Holocaust entkommen sind. In den dokumentarischen Porträtaufnahmen schildern sie ihre Geschichten. Die hat Filmemacher Claus Räfle kunstvoll verbunden mit zahlreichen Spielszenen, die weit mehr sind als ein Nachstellen der Ereignisse. So ist ein emotionaler, spannender Film entstanden.

Cioma Schönhaus, Ruth Gumpel, geborene Arndt, Eugen Friede und Hanni Lévy, geborene Weißenberg, sind die "Unsichtbaren", die bis zum Kriegsende mitten in Nazi-Deutschland, mitten in der Reichshauptstadt Berlin, das vom Regime 1943 offiziell für "judenrein" erklärt wurde, in permanenter Angst vor Entdeckung (über-)lebten. Sie alle mussten ständig ihre Aufenthaltsorte und Schlafplätze wechseln. Cioma Schönhaus fälschte heimlich Pässe und versuchte so das Leben anderer Verfolgter zu retten. Die junge Hanni Lévy blondiert sich die Haare, um als scheinbare Arierin unerkannt zu bleiben. Eugen Friede versteckte sich in der Uniform der Hitlerjugend bei einer deutschen Familie und später bei einem Widerstandskämpfer außerhalb Berlins. Ruth Gumpel arbeitete als Kriegswitwe getarnt bei einem NS-Offizier. Nie waren sie wirklich frei, aber sie gaben den Kampf für die Freiheit nie auf.

Räfles Doku-Drama ist ein bewegendes zeitgeschichtliches Zeugnis über ein eher unbekanntes Kapitel des jüdischen Widerstands im Dritten Reich. Der Film zeigt auch, dass es im Nazi-Deutschland trotz aller Angst und Gefahr couragierte Menschen gab, die ihren jüdischen Mitbürgern halfen.

Alice Dwyer als Hanni Lévy, Max Mauff als Cioma Schönhaus, Ruby O. Fee als Ruth Arndt und Aaron Altaras als Eugen Friede zeigen einfühlsam, wie die realen Vorbilder in der Illegalität lebten und allen Widrigkeiten von Hunger bis Verfolgung trotzten. Dokumentarische Filmausschnitte in Schwarz-Weiß belegen das Alltagsleben in Berlin. Am eindringlichsten aber sind, trotz der sehr gelungenen Spielszenen, die Schilderungen der vier Zeitzeugen. Regisseur Claus Räfle und seine Ko-Autorin Alejandra López haben lange Interviews mit ihnen geführt und diese zum Herzstück des Films gemacht. Mit welcher Offenheit, Lebendigkeit und großer Achtung vor denjenigen, die ihnen geholfen haben, die vier Überlebenden erzählen, ist beklemmend und befreiend zugleich. "Die Unsichtbaren" ist ein Film, der nicht nur ins Fernsehen, sondern auch in jeden Geschichtsunterricht an unseren Schulen gehört.

Heute, Mittwoch, 20.15 Uhr: Das Erste zeigt "Die Unsichtbaren" anlässlich des Holocaust-Gedenktags am 27. Januar. Am Dienstag, 22. Januar, läuft der Film "Das Geheimarchiv im Warschauer Ghetto".

Volker Bergmeister