Trotzdem jetzt ein Festival

06.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:24 Uhr
Auch volkstümlich wird es beim Ingolstädter Festival zugehen, etwa wenn die Band Göltnschmierer musiziert. −Foto: Berger, Ludwig, Brunnen, Berger, Ludwig, Lenting

Ingolstadt - Das Ingolstädter Kulturleben steckt tief in der Krise.

 

Seit dem Shutdown am 23. März sind Künstler, Theaterleute und Musiker kaum mehr in der Öffentlichkeit wahrnehmbar. Das allerdings soll nun anders werden, zumindest für die Musikszene. Denn unsere Zeitung und die Ingolstädter Gemeinnützige Veranstaltungs-GmbH planen für den 22. Mai ein Streaming-Festival. Unter dem Titel #trotzdemjetzt präsentieren sich Ingolstädter Musiker aller Genres: von Klassik bis Pop, Rock, Volksmusik und Jazz.

Die Krise ist diesmal in gewisser Weise ein Glücksfall. Denn den Musiker fehlen die Engagements, sie haben also mehr als genug Zeit, aufzutreten. So war es nicht besonders schwer, mit ihnen zusammen einen Konzerttermin zu finden.

Tatsächlich ist der Hunger nach Auftrittsmöglichkeiten groß in der Kulturszene. Als Mitarbeiter der Ingolstädter Veranstaltungs-GmbH und des DONAUKURIER in den vergangenen Wochen bei verschiedenen Musikern für das Festival anfragten, gab es eigentlich nur Zusagen. Die Begeisterung war allenthalben spürbar.

Das Festival ist in der Tat ungewöhnlich: Denn erstmals stellt sich die gesamte Ingolstädter Musikszene vor. Kaum ein Genre wird fehlen, äußerst vielfältig werden die Formationen des Festivals sein. Lediglich die Chöre können nicht mitmachen. In Zeiten der Seuche ist die Ansteckungsgefahr unter den Sängern derzeit noch zu groß. Dennoch wird sich zeigen, wie umfassend das Musikangebot in der Donaustadt ist, wie viel die eingeladenen Künstler abdecken.

Das Angebot reicht von erfolgreichen Klassikkünstlern, wie dem Cellisten Alexander Suleiman, der derzeit in China als Professor an einer Musikhochschule lehrt, bis hin zur Gruppe Austria4+. Ensembles wie das pfiffige Volksmusik-Ensemble SchutterNeun, das Hausorchester der Unterhaltungsshow "Wer dablost's", das Georgische Kammerorchester mit seinem Chefdirigenten Ruben Gazarian und die Band Bonfire treten kurz nacheinander auf. Da gibt es keine Hemmschwellen und Berührungsängste zwischen den Stilarten.

Zusagen für das Festival liegen inzwischen auch von der Band Kapuze vor, dem Stadttheater Ingolstadt, dem in Ingolstadt lebenden, armenischen Pianisten Vardan Mamikonian, vom Linzer Dirigenten Markus Poschner, von Bernhard Hollinger, dem Musikduo Roswitha Radikal, der Band Pam Pam Ida, Claudius Konrad, dem künftigen künstlerischen Leiter des GKO Ariel Zuckermann, den Volksmusikern Göltnschmierer, dem Organisten Franz Hauk, der Pianistin und Stadträtin Agnes Krumwiede. Besondere Grüße entrichten Konzertverein und die Audi-Sommerkonzerte. So spielt etwa die bekannte Cellistin Raphaela Gromes für das Ingolstädter Festival.

An dem Musikabend beteiligen will sich übrigens auch der neue Ingolstädter Oberbürgermeister Christian Scharpf. Er musiziert regelmäßig als Klarinettist in einer Volksmusik-Gruppe. Und die Ehefrau des Politikers, die Ärztin und Pianistin Stefanie Geith, wird ebenfalls mit von der Partie sein. Sie spielt im Duo mit dem Cellisten Alexander Suleiman.

Für Tobias Klein, Geschäftsführer von INkult, der Gemeinnützigen Ingolstädter Veranstaltungs-GmbH, die zusammen mit dem DONAUKURIER das Livestream-Festival ausrichtet, ist der Konzertabend "ein Hoffnungszeichen in einer auch für die Kulturszene schweren Zeit".

"Mit dem Festival wollen wir Mut machen, es soll das Selbstbewusstsein der Ingolstädter Kulturszene zum Ausdruck bringen", betont Klein. "Deswegen wollen wir allen Künstlerinnen und Künstlern, selbst wenn ihr Beitrag nur sehr kurz ist, ein angemessenes Honorar zahlen. Künstlerische Leistungen dürfen nicht umsonst zu haben sein. Insofern darf das derzeitige Modell des kostenlosen Online-Streamings nicht zur Gewohnheit werden. Es gilt, den Wert der Kultur zu schätzen. " Natürlich ist ein so großes Streaming-Festival kostspielig. Denn für den Musikgenuss werden keine Eintrittsgelder erhoben, jeder der will und einen internetfähigen Computer besitzt, kann sich das Konzert anhören und ansehen. Erfreulich ist es daher, dass die Sparkasse Ingolstadt-Eichstätt bereit ist, sich als Hauptsponsor beim Festival zu beteiligen, die Telekommunikationsfirma Com-In und die Gebrüder Peters werden ebenfalls das Festival unterstützen.

#trotzdemjetzt ist ganz und gar ein Ingolstädter Festival. Deshalb wird auch aus einigen der wichtigsten Veranstaltungsorte der Stadt gestreamt: dem Festsaal des Stadttheaters, dem Kulturzentrum Neun und der Kleinkunstbühne Neue Welt. Alle Konzertorte werden während des Abends weitgehend leer sein, nur die Musiker und einige Techniker agieren dann in den Sälen. Für die Festivalleitung steht die Gesundheit aller Mitwirkenden an erster Stelle. Sie arbeitet deshalb eng mit den Ingolstädter Behörden zusammen. Abstandspflicht zwischen den Musikern und Technikern und die Atemschutzmasken, wo immer das sinnvoll ist, sind eine Selbstverständlichkeit.

Damit zwischen den sehr unterschiedlichen Programmteilen ein Zusammenhang entsteht, bedarf es eines hervorragenden, musikalisch bewanderten Moderators. Der wurde mit Andreas Hofmeir gefunden. Der gebürtige Geisenfelder ist längst einer der bekanntesten deutschen Musiker. Er kennt sich gleichermaßen mit U- und E- Musik aus, spielte in wichtigen Orchestern mit, etwa bei den Berliner Philharmonikern oder dem Bruckner Orchester Linz. Er war aber auch jahrelang Mitglied der Kultband LaBrassBanda. 2013 wurde der Tubist mit dem Echo Klassik ausgezeichnet, inzwischen arbeitet er als Professor am Salzburger Mozarteum. Seine CDs stehen regelmäßig in den Charts. Gleichzeitig ist Hofmeir auch Buchautor, Kolumnist unserer Zeitung und erfolgreicher Kabarettist, der etwa in Passau mit dem kleinen Scharfrichterpreis geehrt wurde. Erfahren ist Hofmeir zudem als Moderator, seit Jahren ist er Gastgeber der Ingolstädter Show "Wer dablost's".

So vorzüglich Andreas Hofmeir als Moderator ist: Fast noch eindrucksvoller ist er als Tubist. So ist es ein Glücksfall, dass er dazu bereit ist, auch als Musiker bei dem Festival mitzuwirken. Dazu hat er einen weiteren Musiker aus Salzburg mitgebracht, einer der international wichtigsten Geigenvirtuosen überhaupt: Benjamin Schmid.

Die Kombination von Tuba und Violine mag merkwürdig anmuten. Wer allerdings das Konzert der beiden beim Konzertverein Ingolstadt im Februar dieses Jahres erlebt hat, wird eines Besseren belehrt sein. Hofmeir und Schmid spielen hinreißend, sind witzig und unterhaltsam. Sie eröffnen dem klassischen Konzertwesen neue Dimensionen. Für das ohnehin schon hervorragend besetzte Festival werden sie ein weiteres musikalisches Highlight setzen.

DK