Ingolstadt
Rote Rosen

Victoria Voss brilliert als Hildegard Knef in "So oder so" im Studio

21.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:44 Uhr
Berliner Göre und Hollywood-Star: Victoria Voss spielt sich in Ingolstadt durch das facettenreiche Leben der Hildegard Knef. −Foto: Olah

Ingolstadt (DK) Der Applaus will nicht enden.

Johlen. Jubel. Immer wieder werden Victoria Voss und Benedikt Streicher auf die Bühne zurückgeklatscht. Natürlich, weil es ein phänomenaler Abend war. Einer, der das Publikum berührt - durch die Lieder, die Geschichte, durch große Emotionen, große Kunst. Aber vielleicht wird noch ein bisschen mehr geklatscht, weil man noch das Eingangslied im Ohr hat: "Applaus". "Was ist der Grund für den Beruf - nur der Applaus. Wie eine Sucht, die man verflucht - ist der Applaus", hat Hildegard Knef getextet. Und Victoria Voss hat es mit Leidenschaft gesungen.

"So oder so - Hildegard Knef" heißt das biografische Stück von Gilla Cremer, das Mona-Julia Sabaschus am Freitagabend auf die Studiobühne des Stadttheaters Ingolstadt gebracht hat. Mit Victoria Voss in der Titelrolle und Benedikt Streicher als der Mann am Klavier, der mit großer Behutsamkeit, aber auch anmutiger Leichtigkeit das musikalische Universum der Knef durchmisst.

Die Knef - eine Legende. Geliebt, gehasst, verehrt. Charismatisch, scharfzüngig, spröde, schlagfertig, tollkühn, zäh. Mit einem Leben wie eine Achterbahnfahrt. Mit ihrer Nacktszene in "Die Sünderin" löste sie einen der größten Skandale der deutschen Kinogeschichte aus. Später feierte sie Triumphe am Broadway, verfasste Buch-Bestseller, machte als Sängerin Karriere, sorgte in der Yellow Press für Schlagzeilen - mit Brustkrebs, Ehekrach, Face-Lifting. Das Stück "So oder so" erzählt das alles in Schlaglichtern - und noch viel mehr. Verwebt es doch Aufstieg, Absturz, Hochgefühl und Niederlagen, Ängste und Schmerz mit deutscher Geschichte: Kriegs- und Nachkriegszeit, Wirtschaftswunder und Betulichkeit, Freiheitsdrang und gedankliche Enge. Und mittendrin Hildegard Frieda Albertine Knef (1925-2002) mit ihrem unbedingten Willen zum Erfolg: "Ich muss es zwingen. "

Dazwischen Lieder wie "Applaus", das titelgebende "So oder so", "Eins und eins, das macht zwei", "In dieser Stadt", "Das Glück kennt nur Minuten", das selbstironische "Von nun an ging's bergab", das herzzerreißende "Für mich soll's rote Rosen regnen" oder das trotzige "Ich gebe alles auf". Lieder, die berücken und beglücken, die nicht Beiwerk sind, sondern Innenschau betreiben. Und von Victoria Voss kongenial interpretiert werden. Was für ein Glücksfall ist sie für diese Rolle. Nicht nur, weil sie äußerlich - mit Kunstwimpern und Hilde-Frisur - ein verblüffendes Lookalike abgibt, sondern weil sie eine großartige Schauspielerin ist, die sich durch alle emotionalen Ausnahmezustände spielen kann, die das Stille und das Laute kennt, das Introvertierte und die Vermessenheit, den Zweifel und die Verzweiflung, den Mut und die Wut, die Rastlosigkeit und die physische Erschöpfung. Sie ist Kind, Geliebte, Mutter, Star. Was für ein Kraftakt ist diese Rolle! Und wie furios ihr Spiel!
Regisseurin Mona-Julia Sabaschus hat schon mehrfach unter Beweis gestellt, wie prägnant und präzise ihr Zugriff auf die unterschiedlichsten Stoffe ist. Auch dieser Knef-Abend ist ein eindrucksvolles Zeugnis einer hochkomplexen Regiearbeit.

Auf karger Bühne (Ausstattung Charlotte Labenz) begibt sie sich mit dem Publikum auf Zeitreise. 15 Fernsehapparate offenbaren neben den medialen (Zerr-)Bildern auch die die private Hildegard Knef, bescheren Blitzlichtgewitter oder amerikanische Impressionen. Klug fügt Sabaschus die atmosphärischen, zeichenhaften Videos von Andreas Drosdz in ihre Erzählsprache ein, findet immer wieder überraschende Bühnenlösungen für diese musikalische Biografie, die nicht auf eine Greatest-Hits-Revue setzt, sondern auf tiefgründiges, spannendes, erfindungsreiches, berührendes Theater. Eine Hommage an Hildegard Knef. Und ein Geschenk fürs Publikum.

Die nächsten Vorstellungen bis November sind bereits ausverkauft. Infos unter Telefon (0841) 30547200.

Anja Witzke