Ingolstadt
Piepsen, surren, scheppern

Interaktiv: Das MKK Ingolstadt zeigt ab morgen die phänomenalen Klangobjekte von Peter Vogel

21.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:32 Uhr
  −Foto: Fotos: Fehr

Ingolstadt (DK) Ruhe herrscht im Museum für Konkrete Kunst (MKK).

Solange niemand im Raum ist. Sobald die Besucher sich den Kunstwerken der neuen Ausstellung nähern, sprechen, klatschen, Schatten werfen, sich vor den Exponaten hin und her bewegen, geht es los: Piepsen, surren, scheppern, klingeln, einzelne Töne, ganze Tonfolgen dringen ans Ohr und in den Raum. Vertraut, verfremdet, minimalistisch, elektronisch, leise, laut - und ganz laut. Peter Vogels interaktive Klangobjekte sind akustische und ästhetische Wunderwerke. Wundersame Soundmaschinen.

Aus hoch aufragenden oder langen feinen Drahtgestellen, elektromagnetischen Sensoren, Photozellen, Lautsprechern, Mikrofonen, Dioden, mit Schaltkreisen und allerlei Bauteilen hat der gebürtige Freiburg, der im vergangenen Jahr eben dort 80-jährig gestorben ist, seine kinetischen Werke konstruiert. Hochkomplexe Klangmaschinen und blinkende Lichtskulpturen. "Der Besucher wird aus seiner Passivität herausgelockt und wird zum Mitspieler mit Systemen, die mit Bewegung, Klang oder Licht seine Aktionen beantworten", hat Peter Vogel einmal geschrieben.

Für das MKK ist es eine Premiere: Zum ersten Mal werden die Werke, die ein Sammler der Stiftung für Konkrete Kunst und Design Ingolstadt 2015 überlassen hat, hier ausgestellt. Der Münchner Kunstfreund hatte all die Objekte in der Wohnung verteilt. "Da hat es ständig überall gepiepst und geklingelt", erzählt die Direktorin des MKK, Simone Schimpf, die die Schenkung als "Glücksfall" wertet. Vogel gilt in der internationalen Kunstszene als einer der herausragenden Wegbereiter der elektrischen und interaktiven Objektklangkunst. "Es ist überraschend, wie früh Vogel, schon 1969, die Objekte konstruiert hat. Wie er mit dem Moment des Zufalls spielt, wie er Musik und Licht übersetzt. " Und welche eigene Ästhetik die fragilen Werke mit den bunten Bauteilen entwicklen.

Peter Vogel war Physiker, hat in Basel bei einem Pharmaunternehmen in der Hirnforschung gearbeitet, bevor er sich ganz der Kunst zuwandte. Er war Maler, Musiker, Komponist, hat am Theater gearbeitet, sich mit Bewegungsformen auseinandergesetzt. Und eben diese Vielseitigkeit, "die zu den Werken im Schnittfeld von Technik und Kunst, Musik und Skulptur, Performance und Interaktion führte", fasziniert Julia Steinbach, die Kuratorin der Schau.

Behutsam und mit Fingerspitzengefühl packen sie und der Technische Leiter Simon Templer gestern die letzten der fragilen Werke aus den mit Schaumstoff ausgekleideten Kisten aus. Restaurator Florian Ebinger hat die Exponate begutachtet, getestet, die Spannung geprüft. Und zum Beispiel den Motor eines langsam drehenden Plattenspieler aus der Schweiz, den Vogel verbaut hatte, repariert. Nicht ausgetauscht. "Dieser Motor ist ja Teil der Gestaltung", sagt der Münchner Fachmann. Nun funktioniert er auf jeden Fall wieder und setzt eine der großen Installationen, das "Aleatorische Orchester", unterstützend zum bewegten Besucher in Gang: Trommeln, eine Glocke, Saiten, einen Propeller.

Am morgigen Samstag wird die fabelhafte Schau im MKK eröffnet. Trotz Fußballs, wie Direktorin Simone Schimpf lachend bemerkt. Bei der langfristigen Planung der Ausstellung war klar, dass die WM läuft. Dann musste man um eine Woche verschieben. Und damals konnte wahrlich niemand wissen, dass die DFB-Elf an eben dem Vernissagenabend nun ein derart entscheidendes Spiel vor sich hat. "Wir werden ganz pünktlich anfangen", verspricht Simone Schimpf den fußballbegeisterten Kunstfreunden und den kunstsinnigen Fußballfans. Vernissage in Ingolstadt um 19 Uhr, Anpfiff in Sotchi um 20 Uhr.

Katrin Fehr