Leben ohne Auto?

Die Münchner Rathausgalerie zeigt eine Ausstellung zur Stadtentwicklung

27.02.2020 | Stand 02.12.2020, 11:52 Uhr

München - Sich mit der Entwicklung der Stadt beschäftigen - das kann man seit etwa zehn Jahren in der ersten Ausstellung im Jahr in der Münchner Rathausgalerie.

Das Planungsreferat (amtlich exakt: Referat für Stadtplanung und Bauordnung) präsentiert unter immer anderen Aspekten seine Ideen zum Wandel der Stadt. Mal geht's um Wohnen, mal um Freizeit, mal um Grün. Diesmal: "#mitmünchnern - Jetzt ist Zukunft".

Dabei will man mit den Bürgern, von denen nicht selten über 20000 die Veranstaltung besuchen, ins Gespräch kommen und bietet deshalb auch ein umfangreiches Begleitprogramm mit Workshops, Stadtspaziergängen, Diskussionen an.

Natürlich kann die recht plakative Schau ihr großes, in drei Teile gegliedertes Thema nur anreißen. Mit "Digitalisierung - das ist unser Weg" fängt die Zukunft an. Mit "Zusammen, sozial, grün" geht's weiter. Und mit der "Verkehrswende - das ist unser Plan" wird abgeschlossen.

Die Ausgangslage ist einfach:
Die Einwohnerzahl Münchens wächst ständig, die Flächen stagnieren. Das bedeutet, dass immer mehr Menschen neben Wohnraum auch Infrastruktur oder Freizeitareale benötigen. Und sich auf ziemlich gleich bleibenden Verkehrsflächen von A nach B bewegen müssen. Es wird also insgesamt enger - und auf Geh-, Fahrradwegen und Straßen auch gefährlicher.
Der automobile Verkehrsinfarkt ist Realität. Der Münchner steht durchschnittlich 140 Stunden pro Jahr im innerstädtischen Stau. Das ist volkswirtschaftlich unsinnig, absolut nicht nachhaltig und produziert überflüssige klima- und gesundheitsschädliche Abgase.

Über den Wohnungsinfarkt muss man nicht groß reden. Hunderte von Bewerbern für Mietwohnungen und unbezahlbare Preise für Eigentum sprechen eine beredte Sprache. Klar ist: Bezahlbarer Wohnraum muss her, am besten sofort und nicht erst in der Zukunft. Wer dafür zuständig ist bleibt unklar.

Selbst Erholungs- und Freizeitflächen sind vom Infarkt bedroht. Jedenfalls ist das der Eindruck, wenn man unter Tausenden an schönen Tagen im Englischen Garten oder an der Isar flanieren will. Bedroht von rasenden Radfahrern. Gegensteuern sagt das Planungsreferat.

Etwa mit neuen Technologien. Mit Hilfe von Pilotprojekten untersucht man, was sinnvoll ist und was nicht. In Neuaubing-Westkreuz und Freiham werden intelligente Lichtmasten und E-Mobilitätsstationen im EU-Projekt "Smarter Together" getestet. Im Ko-Gestaltungsprozess dürfen Bewohner bestimmen, was dann eingesetzt wird. Der Lichtmast stellt etwa kostenloses W-Lan bereit, erfasst Umwelt-, Wetter- und Verkehrsdaten. Woraus Prognosen und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden sollen.

In der Stadt der Zukunft muss ein Leben ohne Auto möglich sein. Deshalb die Mobilitätsstationen. Acht davon existieren im Testgebiet. Dort können Fahrräder, E-Bikes für die lange Strecke, Lastenräder für den großen Einkauf oder Autos ausgeliehen werden. Interaktive Karten mit Mobilitätsangeboten, Fahrrad- und Fußwegen geben einen Überblick - in einer App gebündelt.

Um die Münchner möglichst umweltbewusst, sprich: ohne Auto, zur Erholung zu bringen, wird eine bessere Erschließung des Grüngürtels als stadtnaher Erholungsraum vorgeschlagen. Ein Schlüsselprojekt der langfristigen Freiraumentwicklung: die Verbesserung des Wegekonzepts unter dem Titel "Wege machen Landschaft".

Geplant ist der massive Ausbau und die Verbesserung des Radwegenetzes - auch innerstädtisch - und durchgehende sternförmig ins Umland führende Radschnellwege.

Damit die Menschen das auch nutzen, gibt es eine "Landschaftsschatzkarte", auf der die besonders idyllischen Plätzchen verzeichnet sind.

Aber auch mitten in der Stadt soll's an der Isar erholsamer werden. Rund ums Deutsche Museum, am Alpinen Museum, bei St. Lukas zwischen Reichenbach- und Luitpoldbrücke verbessert man behutsam die Aufenthaltsqualität im sensiblen Naturraum. Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen, werden Bäume mitten in der Altstadt am Georg-Kronawitter-Platz gepflanzt. Auf der Prinz-Eugen-Kaserne wächst Deutschlands größte zusammenhängende Holzbaussiedlung. Das speichert CO2.

Das EU-Projekt "Civitas Eccentric" testet im Modellquartier Domagkpark (1600 Wohnungen) im Münchner Norden Sharing-Konzepte, Elektromobilität und Logistiksysteme. Dort heißt es: Mit dem E-Lastenrad in den Supermarkt zum Einkaufen fahren, mit dem Leihrad ins Grüne oder die gar nicht weit entfernten Isarauen (oder auch viel weiter) - und per Fahrgemeinschaft in die Arbeit. Denn gerade in neuen Wohngebieten am Stadtrand werden gerne eigene Autos genutzt - für die man Alternativen anbieten möchte. Die Ergebnisse dieser bis August laufenden Studie sollen dann zum Vorbild für "zukunftsfähige Stadtentwicklung und stadtverträgliche Mobilität" in ganz Europa werden.
Was man mit frei werdenden Straßenflächen (das ist freilich noch Zukunftsmusik) anstellen könnte, war im Sommer im Westend zu beobachten. Dort wurden auf acht temporär gesperrten Parkplätzen sogenannte "Parklets" gebaut: lustige Brettergestelle mit Sitzgelegenheiten, Pflanzentrögen und Bücherschrank, in denen man laue Sommernächte auch lautstark durchfeiern kann.

Wer diesbezüglich mitreden will, darf dies in der Mobilitäts-Werkstatt tun, die das Planungsreferat im Rahmen des Mobilitätsplans für München betreibt. Denn man weiß dort: "Grundlegende Veränderungen brauchen einen breiten gesellschaftlichen Konsens. "

DK


Noch bis zum 5. März, täglich 11 bis 19 Uhr, Eintritt frei.