München
Absurde Bewegung

Im neuen Münchner ''Tatort'' geht es um Reichsbürger in Niederbayern

01.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:24 Uhr
Grenzerfahrung der besonderen Art: Ivo Batic (Miroslav Nemec, links) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) in "Freies Land", dem neuen "Tatort" am Sonntag. −Foto: Heiden/BR/Claussen+Putz Filmproduktion/dpa

München (DK) Die bayerische Landeshauptstadt ist seit 27 Jahren ihr Revier. Doch im neuen "Tatort" mit dem Titel "Freies Land" zieht es die Kommissare Batic und Leitmayr raus aus der Stadt. "Wir zwei jenseits der S-Bahn. Wann war'n mir des schon mal?", fragt Leitmayr seinen Kollegen. Und schon geht es ins niederbayerische Outback, in den fiktiven Ort Traitach.

Der vermeintliche Suizid des jungen Florian Berg - er wird mit aufgeschnittenen Pulsadern, aber ohne Klinge, in der Badewanne gefunden - ist der Grund für den Ausflug. Der Mann war "Freiländer", wie sich die Gruppe nennt, die nahe der tschechischen Grenze auf einem alten Hof wohnt, ihr Land zum Staatsterritorium erklärt hat und die Bundesrepublik Deutschland als Staat nicht anerkennt. Die Kommissare landen nicht nur in einer anderen Region, sondern auch in einer anderen Welt. Ihr polizeilicher Status gilt bei den "Freiländern" um ihrem charismatischen Anführer Ludwig Schneider (imposant: Andreas Döhler) nichts. Und die örtliche Polizei zeigt sich nicht kooperativ.

Die "Freiländer" im Film stehen für die sogenannten Reichsbürger, deren Zahl in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Laut bayerischem Innenministerium leben 3850 der bundesweit geschätzten rund 16500 Anhänger im Freistaat. Viele von ihnen haben waffenrechtliche Erlaubnisse. Der Krimi von Holger Joos nimmt dieses aktuelle und brisante Thema auf: "Die Idee entstand vor drei Jahren, als ich eine Dokumentation über Peter Fitzek sah, in der er sich vor seinen Anhängern zum obersten Souverän des ,Königreich Deutschland' krönen ließ. Fasziniert von der Ernsthaftigkeit seiner Anhänger, die ihren König gekrönt hatten, fragte ich mich: Was erhoffen sich diese Menschen?", sagt Joos, der eine Gruppe dieser Leute in den Mittelpunkt rückt, die aus der Gesellschaft gefallen, verzweifelt auf der Suche nach einem neuen Zuhause sind und einen Ort finden, der ihnen einfache, klare Antworten auf eine komplizierte Welt bietet.

Offenzulegen, was psychologisch dahintersteckt - das gelingt dem Film leider nicht. Andreas Kleinert, preisgekrönter Regisseur, zeigt vielmehr die Absurdität dieser Bewegung und schickt die Kommissare auf eine Grenzer-fahrung der besonderen Art, die beide sehr unterschiedlich erleben: Während Batic sehr ruhig und distanziert agiert, lässt sich Leitmayr emotional involvieren.

Was bei diesem Krimi herausragt, ist das Szenenbild von Myrna Drews. Das wie eine verlassene Westernstadt anmutende Dorf, die Festung der "Freiländer", die Dienststube, in der sich Dorfpolizist Mooser (herrlich: Sigi Zimmerschied) nicht aus der Ruhe bringen lässt und die Staatsleugner als "zug'reiste Spinner" abtut, das karge Wirtshaus mit Fremdenzimmer namens "Zum alten Eber" - all das sind eindrucksvolle Locations, die Kleinert mit viel Gespür für Atmosphäre und starken Bildern (Kamera: Johann Feindt) in Szene setzt.

"Tatort: Freies Land", ARD, Sonntag um 20.15 Uhr.
 

Volker Bergmeister