Ingolstadt
Befreite Kuchenkinder

"Hänsel und Gretel" mit Malte Arkona bei den Sommerkonzerten

24.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:44 Uhr

Reizvolle Kammerfassung: Szene aus "Hänsel und Gretel" bei den Audi-Sommerkonzerten. - Foto: Sauer

Ingolstadt (DK) Eine private Aufführung im Familienkreis, allenfalls ein Singspiel hatte es Anfang der 1890er-Jahre ursprünglich werden sollen; aufgrund des enormen Anklangs und ihrer eigenen Begeisterung entschieden sich der Komponist Engelbert Humperdinck und seine Schwester Adelheid Wette als Librettistin aber dann doch für die Ausarbeitung zu einer großen Oper nach der Vorlage des Grimmschen Märchens. Seitdem gehört "Hänsel und Gretel" zum festen Repertoire der Opernhäuser und erfreut sich bei großen und kleinen Zuhörern ungebrochener Beliebtheit.

Bei den Audi-Sommerkonzerten erklang Humperdincks "Märchenspiel" nun im Rahmen des "Horch mal!"-Kinderkonzerts als reizvolle Kammerfassung von Andreas N. Tarkmann für kleines Streicherensemble, Cembalo und Akkordeon - und kam damit vermutlich der originalen Intention der Komposition ziemlich nahe.

Humperdincks aparte Musik verträgt diese verschlankende Metamorphose in der Tat: Das Georgische Kammerorchester unter seinem Chefdirigenten Ruben Gazarian interpretiert die überzeugende, kompakte musikalische Bearbeitung mit fast heimelig, familiär-vertraut anmutenden Klangfarben, unterstreicht so zusätzlich das volkstümlich-spätromantische Kolorit. Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist auch diesmal natürlich der bekannte TV- und Konzertmoderator Malte Arkona: Mit jeweils verstellter, zu den Figuren passender Stimme bzw. Stimmung erzählt er das Geschehen einfühlsam neu und anders, eröffnet sowohl Kindern als auch Erwachsenen zusätzliche Blickwinkel auf das Grimmsche Märchen und Humperdincks Vertonung. Im Lebkuchen-Shirt haucht er den einzelnen Charakteren anhand der verbindenden, spannend kindgerecht formulierten Textpassagen Leben ein. Nicht die Mutter im Jähzorn, sondern die beiden Kinder beim übermütigen Tanz stoßen hier den von der Nachbarin geschenkten Milchkrug um. Eva Bauchmüller als entzückende Gretel im sonnengelben Kleid und Julia Mattheis als burschikoser Hänsel in Hose und Weste geben ein gesanglich wie schauspielerisch hinreißendes Geschwisterpaar, das in seinen Duetten bezaubert.

Auf ganz andere Weise zieht Kerstin Descher als dämonisch zischende Hexe mit zerzausten Haaren, zunächst eine Lesebrille auf der Nase, die Zuhörer in ihren Bann, wenn sie Hänsel und Gretel mit einem Fluch belegt ("Hokus pokus, Hexenschuss") und in gieriger Vorfreude auf ihr "Abendessen" wild auf ihrem Besen durch den Saal reitet ("Hurr hopp hopp"). Dem gegenüber wird "Sandmännchen" Leonor Amaral mit ihrem warmen Sopran beim Auftrittslied im typischen nachtblauen Kapuzenumhang zum lyrischen Ruhepol. Am Ende können glücklicherweise alle gefangenen und in Lebkuchen verwandelten Kinder befreit werden: Zum triumphalen Finale erhebt sich ein rund 70-köpfiger Schülerchor der fünften bis neunten Klassen des Reuchlin-Gymnasiums (Einstudierung: Eva-Maria Atzerodt). Es ist den 10- bis 16-jährigen "Kuchenkindern" förmlich anzusehen und anzuhören, als welch großes Erlebnis sie es empfinden, mit solch ausgezeichneten Profikünstlern auftreten zu dürfen. Der immense Probenaufwand während des laufenden Unterrichts und im Rahmen eines zweitägigen Probencamps in Bayreuth samt Stimmbildnerin Agnes Preis haben sich damit vollends gelohnt.

Glückliche Chorkinder, stolze Eltern, ihre Partien feinfühlig ausgestaltende Solisten, ein hoch motiviert spielendes Orchester unter seinem souverän agierenden Dirigenten, sowie ein brillant erzählender Moderator, gefeiert von einem begeistert applaudierenden Publikum - was will man mehr