Ingolstadt
Die Uhr tickt

Calle Fuhr inszeniert "Heilig Abend" im Studio Morgen ist Premiere

30.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:08 Uhr

Schlagabtausch zwischen Bürgerprotest und Staatsgewalt: Victoria Voss und Olaf Danner in "Heilig Abend". - Fotos: Fuhr

Ingolstadt (DK) Das Stadttheater Ingolstadt verlegt "Heilig Abend" bereits auf den 2. Dezember. Dann nämlich wird die Premiere des gleichnamigen Stücks von Daniel Kehlmann im Studio gefeiert. "Titel und Zeitpunkt wecken allerdings Assoziationen, die wir nicht erfüllen", sagt Regisseur Calle Fuhr (kleines Foto). Denn: "Weihnachtlich wird es bei uns nicht." Dafür wird es spannend. Denn im Stück geht es um ein Verhör zwischen einem Polizisten und einer Professorin, die terroristischer Umtriebe verdächtigt wird. Der Vorwurf: Sie soll eine Bombe gelegt haben, die an Heiligabend um Mitternacht explodieren wird. Dem Polizisten bleiben 90 Minuten, um herauszufinden, wo die Bombe ist, falls es sie gibt, und sie zu entschärfen. Im Kern geht es also um die Frage, wie weit der Staat gehen darf, um Rechtsstaatlichkeit und Freiheit zu sichern. Es spielen: Victoria Voss und Olaf Danner. "Beide sind ja Große-Bühne-Kandidaten. Und die zwei so ungefiltert und hautnah im kleinen Studio zu erleben, ist schon Klasse", schwärmt der 23-jährige Regisseur, der zum ersten Mal in Ingolstadt inszeniert.

Gespielt wird übrigens in Echtzeit, was die Inszenierung nicht ganz einfach macht. Die Uhr - hier hat man sich für eine Digitaluhr entschieden - gibt den Takt des Stückes vor. "Trotzdem war mir wichtig, dass die Spieler die Zeit vergessen dürfen", sagt Fuhr und verrät: "Wir werden die Uhr technisch ansteuern können, falls etwas passiert."

Warum er Regisseur geworden ist? "Zufall", sagt Fuhr. "Und Glück." Denn eigentlich war er im Jugendclub des Düsseldorfer Schauspielhauses, um dort zu spielen. Doch dann ging der Regieassistent, der diesen Club leitete, und man suchte Ersatz. Die Wahl fiel auf Fuhr, der gerade sein Abitur gemacht hatte - und er sagte zu. Ein Jahr arbeitete er dort. Dann ging er zum Altgriechisch-Studium nach Berlin. Um schnell festzustellen, dass doch eher das Theater sein Metier war. "Parallel kam ein Anruf von DuÅ¡an Parizek, für den ich in Düsseldorf schon assistiert habe. Er hat mich gefragt, ob ich Interesse hätte, mit ihm ans Wiener Volkstheater zu gehen. Das hat sich also perfekt gefügt." Dort inszenierte er etwa "Der reizende Reigen" von Werner Schwab und "Philoktet" von Heiner Müller. Seit diesem Jahr lebt er wieder in Berlin.

Das Kehlmann-Stück fand Fuhr äußerst reizvoll: "Selten hat man beim Theaterstücklesen so einen Pageturner vor sich." Der Konflikt zwischen Freiheit und Sicherheit: "Diese Debatte wird ziemlich heftig geführt. Aber Daniel Kehlmann macht das ganz klug. Er wirft nicht eine weitere Meinung in die Diskussion, sondern zwingt mich dazu, mich permanent zu positionieren. Und zwar in der Frage: Ist diese Frau schuldig oder nicht" Denn beide Figuren sind ambivalent geschrieben.

"Unter politischem Theater wird ja oft verstanden, dass man eine politische Meinung vorgibt, die das Publikum dann übernehmen kann oder in der es sich bestätigt fühlt", meint Fuhr. "Ich finde, politisches Theater muss Reibungsflächen erzeugen. Mit meinen mittlerweile sehr rudimentären Griechischkenntnissen kann man den Begriff sehr simpel aufschlüsseln: Politisch heißt die Polis betreffend, also die Bürgerinnen und Bürger betreffend. Und sobald mich Theater trifft oder betrifft, ist es meiner Meinung nach politisch." Sicherheit oder Freiheit? "Daniel Kehlmann gibt gute Argumente für beide Seiten", meint Fuhr. "Mir wäre es recht, wenn jeder seine Meinung nach diesem Abend noch mal hinterfragt."

Premiere ist am 2. Dezember um 20 Uhr im Studio im Herzogskasten. Kartentelefon (08 41) 30 54 72 00.