München
In die Zukunft blicken

Mirjam Zadoff stellt ihr Programm für das NS-Dokuzentrum München vor

15.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:39 Uhr
Aufbruch und viele Debatten: Direktorin Mirjam Zadoff. −Foto: Connolly

München (DK) Eine schöne Ente hat die österreichische Tageszeitung "Der Standard" da kürzlich in Umlauf gebracht. Und mit einiger Wirkung. Dass Nicolaus Schafhausen, der aus "politischen Gründen" vorzeitig scheidende Direktor der Kunsthalle Wien, im Münchner NS-Dokumentationszentrum eine führende Position erhalten soll, klang zwar merkwürdig. Doch diese Aussicht hat immerhin zu beträchtlichem Andrang bei der Jahrespressekonferenz geführt.

Ohne Zweifel wäre diese Berufung ein deutliches Statement der Landeshauptstadt. Im Mai 2018, wenige Monate nachdem in Österreich die konservative ÖVP mit der rechten FPÖ eine Koalition eingegangen war, sah Schafhausen in der "nationalistischen Politik" des Landes "die Wirkungsmächtigkeit von Kulturinstitutionen wie der Kunsthalle Wien für die Zukunft in Frage gestellt". Der 53-jährige Kunsthistoriker aus Düsseldorf kündigte an, nicht wie vorgesehen bis 2022, sondern nur bis März 2019 zu bleiben.

Tatsächlich saß Schafhausen bei der Vorstellung des Programms zwischen Münchens Kulturreferent Hans-Georg Küppers und dessen Nachfolger Anton Biebl - allerdings auch neben der neuen Direktorin Mirjam Zadoff, die die Wiener Ente amüsiert kommentierte: "Jetzt bin ich gerade mal seit Mai hier in München und habe eigentlich schon vor, eine Weile zu bleiben". Also keine Co-Direktion oder dergleichen.

Schafhausen wird dennoch einiges am NS-Dokuzentrum zu tun haben: Ende November ist eine ambitionierte Ausstellung geplant, für die er bereits die Künstler zusammensucht. Unter dem Titel "Tell me about yesterday tomorrow" sollen zeitgenössische künstlerische Positionen in einen Austausch mit der Erinnerungsarbeit der Institution gebracht werden. Für die rund 15 angedachten Werke wird im NS-Dokuzentrum kein Platz sein. Deshalb soll das Projekt auf verschiedene Orte ausgeweitet werden. Fest stehen die Kammerspiele, das Lenbachhaus oder die Ludwig-Maximilians-Universität, und auch der Vorplatz des Hauses könnte auf diese Weise endlich ein Ort der Auseinandersetzung werden.

Bereits zugesagt haben die Künstlerinnen Keren Cytter, Annette Kelm und Ydessa Hendeles (unter dem Titel "Partners" war ihre eigene Sammlung - etwa mit Maurizio Cattelans kleinem Hitler - im Haus der Kunst zu sehen) sowie der omnipräsente Olaf Nicolai. Wobei der Blick in die Zukunft überhaupt für die Neuausrichtung des Hauses stehen soll. Die Entwicklungen weltweit zeigten, dass sich Erinnerungskultur auch verändern müsse, erklärte Mirjam Zadoff. Also werde sich das neue Programm verstärkt aktuellen und politischen Fragestellungen widmen - mit den Schwerpunkten Rassismus, Genozid, Holocaust. Dazu gehöre genauso der (Anti)Rassismus in der Popkultur.

Zudem will Zadoff intensiver in einen Austausch mit Münchner und internationalen Institutionen treten. Das kann im Rahmen einer Ausstellung mit der nahen Berufsfachschule für Farbe und Gestaltung stattfinden ("Nicht Schwarzweiß") oder einer Kooperation mit dem Jüdischen Museum Augsburg Schwaben und der gemeinsamen Wechselschau "Die Stadt ohne. Juden Ausländer Muslime Flüchtlinge". Außerdem werden Referenten wie der australische Historiker und Bestsellerautor Christopher Clark (31. Januar) oder der britische "New York Times"-Kolumnist Roger Cohen (4. Juli) eingeladen, der zu den bekanntesten Kritikern Donald Trumps zählt.

Das klingt nach Aufbruch und vielen Debatten, für das NS-Dokuzentrum und seinen Auftrag kann das nur gut sein. Und was Nicolaus Schafhausen betrifft, könnte man seinen Einsatz auch als Schaulaufen für weitere Aufgaben in der Stadt begreifen. Seine dezidiert politischen Ausstellungen kamen in Wien zwar nicht an, die Besucherzahlen blieben weit unter den Erwartungen. Doch ein interessanter Kopf mit mutigen Positionen ist er allemal.

Und da wir schon bei den Zahlen sind: Ins NS-Dokuzentrum kamen 2018 mit 118000 Besuchern fast 20 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Christa Sigg