Ausstellung in Ingolstadt
Gesichter und Geschichten

Die Städtische Galerie im Theater zeigt Porträts von Erwin Lanzensberger

12.09.2021 | Stand 23.09.2023, 20:46 Uhr
Der Künstler und sein Werk: Erwin Lanzensberger steht neben seiner Fotoreihe "Faces" in der Theatergalerie. −Foto: Schulze-Reimpell

Ingolstadt - "Faces" heißt eine Werkreihe von Erwin Lanzensberger, die die Städtische Galerie im Theater gerade zeigt: Nichts als "Gesichter" in ihrer radikalsten und reduziertesten Form.

Denn der gebürtige Ingolstädter präsentiert die menschlichen Antlitze wirklich genau so schnörkellos und präzise wie sie sind - bildfüllend, immer frontal fotografiert und in schwarz-weiß.

So werden die Kontraste der Gesichtslandschaften betont, bei den älteren Menschen die Berg- und Talfahrten zwischen den tiefen Falten, die enormen Furchen, die Leben und vergehende Zeit in die Haut gegraben haben, die harten Stoppeln der Bärte, die ausfransenden Haare; und bei den jüngeren Menschen die leicht ab- und anschwellenden Grautönungen der Wangen. Lanzensberger kommt den Gesichtern, die in riesigen Formaten in der Theatergalerie hängen, dabei fast schon indiskret nahe. Er hat die Menschen mit der fast überscharfen Mittelformat-Kamera abgelichtet. Die Tiefenschärfe ist so enorm, dass bereits oft die Nasen ins Ungewisse der Unschärfe verschwinden.

Der Ingolstädter Fotograf und Kameramann zeigt nach diesem Muster Prominente des öffentlichen Lebens, Menschen, die er schätzt und verehrt: Musiker, Models, Sportler, Schauspieler. Leute, die es gewohnt sind, vor Publikum zu agieren, die man in vielen Fällen bereits in der Zeitung oder im Fernsehen erlebt hat, und die man doch noch nie so sehen konnte, wie Lanzensberger sie fotografiert hat - mit dieser gnadenlosen Ehrlichkeit. Die Menschen, die immer starr in die Kamera blicken, offenbaren ein Stückweit ihre Seele - der Bergsteiger Reinhold Messner, indem er fast sorgenvoll in die Ferne blickt, als ginge er einem klar erkennbaren Ziel entgegen. Der Schauspieler Heino Ferch steht da mit fast mürrischem Blick, bei dem Komiker Dieter Hallervorden weiß man nicht, ob er mit gläsernen Augen eher nach außen oder nach innen sieht. Fast alle tragen einen ernsten Gesichtsausdruck, in sich ruhend, abseits vom hektischen Alltagsleben.

Als Kontrapunkt zu den "Faces" zeigt Lanzensberger noch eine weitere, völlig andere Porträt-Reihe - diesmal in Farbe. Die Menschen stehen dabei in einem inszenierten Umfeld, die Situationen sind arrangiert und kommentieren Persönlichkeit und Beruf des Porträtierten markant, manchmal fast schon satirisch.

Der Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann etwa wird mit Schirm dargestellt, eine Frau auf einem Podest neben ihm begießt ihn gleichzeitig aus einer Gießkanne: ein Witz für den Witzigmann. Oder der Altachtundsechziger und Kommunarde Reinhard Langhans wird ganz in Weiß neben seinem zerwühlten Bett gezeigt - was auf ein wildes Liebesleben schließen lässt. Die Schauspielerin Josefine Preuß sitzt locker auf einem Podest, der Boxer Graciano Rocchigiani hebt seine gefährlichen Fäuste in roten Handschuhen. Diese kleinen Szenen wirken wie in Augenblicken festgefrorene Geschichten. Sie sind einleuchtend und oft mit einem Funken Humor versehen, sie charakterisieren die Menschen auf elegante Weise.

Nichts als Gesichter, nichts als Leute sind in dieser Ausstellung zu sehen. Aber Erwin Lanzensberger zeigt uns, dass es manchmal kaum etwas Faszinierenderes gibt, als das Menschliche, Allzumenschliche in Porträts zu ergründen.

DK


Erwin Lanzensberger, Work in Progress, Städtische Galerie im Theater Ingolstadt: bis 3. Oktober, Donnerstag bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr. Zur Schau gibt es einen Katalog.

Jesko Schulze-Reimpell