Fleißbildchen und Tornister

09.09.2009 | Stand 03.12.2020, 4:40 Uhr

Der erste Schultag einst und heute steht im Mittelpunkt der Museumsnacht an diesem Samstag im Heinrich-Stiefel-Schulmuseum. Gabriele Neumaier sichtet das Material. - Foto: Derstroff

Ingolstadt (DK) Wie viel? Die Chefin des Heinrich-Stiefel-Schulmuseums zögert. "Wir haben ja schon allein dreieinhalbtausend Bücher und Hefte", sagt, Blick an den Regalen entlang, Gabriele Neumaier. Dazu – in der Ecke des vollgestopften Zimmers ein dicker Rollenturm – Biologie- und Erdkundekarten ohne Ende.

Und dann: die Schulmöbel, die alten Schreibmaschinen, die ersten PCs! Federmäppchen, Fleißbildchen, Spiele! Ach ja, natürlich noch die 80 historischen Tornister, die nun in der Nacht der Museen auf den Rücken der "MuWis" "100 Jahre Schulranzenmode präsentieren. "Und die Schränke im Turm Baur sind auch voll!", seufzt Neumaier. Also? "Also 8000 sind’s leicht." Ermittelt wird die genaue Zahl der Exponate im jüngsten Museum Ingolstadts derzeit von Carola Klinke, die das Archiv betreut. Ordnen, erfassen, katalogisieren – "ohne sie wäre ich aufgeschmissen", sagt Neumaier. Und ohne ihren Mann, den Künstler Thomas Neumaier, der das Erscheinungsbild der Ausstellungen gestaltet (wie derzeit den "ersten Schultag" für die Museumsnacht), aber auch Neuzugänge abholt, Möbel schleppt, Kisten in die Archivräume räumt. Und ohne Konrektorin Sabine Pannwitz, die als "große Unterstützerin" die schulinterne Organisation der Ausstellungen managt. Das ist es auch schon, das Schulmuseums-Team, das seit 2001 den Bestand von "hätte in drei Vitrinen gepasst" auf jene 8000 Stücke in insgesamt drei übers Gelände verteilten Räumen aufstockte und daraus bisher immer spannende, oft politische Ausstellungen zur Schul- und Zeitgeschichte strickte. Eine Verbindung, die Museumschefin Neumaier explizit am Herzen liegt.

Sie liebt ihre Aufgabe, und, man merkt’s beim Vorführen des Archivs, auch die Dinge, die darin lagern. Da ist die Kartenserie der Sprachheilschule Ingolstadt: Die Klebefiguren aus den 50ern, zur Wortfindung an Filztafeln anzubringen, erzählen vom Zeitgeist und lassen sich, amüsante Pause im Interview, zu komischen Szenen hängen. Da ist die "Schenkung Dorothea Albrecht", jenes Erinnerungskonvolut einer 72-jährigen Ingolstädterin, das vom gehäkelten Federmäppchen aus den 40ern bis zur 60seitigen Handschrift "Über meine Schulzeit von Ostern 1936 bis Juni 1947" reicht. Voll Achtung streicht Neumaier über das Heft. "Das dokumentiert Schulzeit im Krieg unglaublich spannend!"

Längst rekrutiert sich der Museumsbestand vorwiegend aus solchen Schenkungen, privat und von Institutionen wie der Sprachheilschule oder des Gymnasiums Weilheim, das mit 80 Jahre alten Biologiekarten einen Sammlungsschwerpunkt bedient. Spezielles, wie für die Ausstellung "Jugend im Nationalsozialismus", kauft Neumaier dazu. Freilich: Einen festen Etat hat sie nicht; heuer sind "keine Ankäufe möglich". So nimmt sie dankbar alles, was ihr in Kisten und Briefen, als sperriges Gut oder zierliches Bildchen überlassen wird, sei es von 1830 oder aus heutiger Reformpädagogik. Nur was doppelt vorhanden ist, wird weitergegeben, allzu Zerrupftes weggeworfen. Der Rest kommt ins Archiv – zur baldigen Verwendung.