München
Ein ganz großer Wurf

Joachim Meyerhoffs "Ach, diese Lücke" im Münchner Metropoltheater

07.02.2019 | Stand 02.12.2020, 14:41 Uhr
Alltag mit den Großeltern: James Newton, Thorsten Krohn und Lucca Züchner im Metropoltheater. −Foto: Turmes

München (DK) Authentisch ist hier alles und eine großartige Satire dazu.

Die Schauspielschule als Irrenhaus. Wegen der so ungemein amüsant geschilderten Insider-Beschreibung des Theaterwahnsinns ist Joachim Meyerhoffs Roman "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke" bereits im Erscheinungsjahr 2015 zum Bestseller aufgestiegen. Und die Fortsetzungen verleiten nicht minder zum Dauerschmunzeln. Denn Meyerhoff, Schauspieler am Wiener Burgtheater und am Hamburger Schauspielhaus, mehrmals zum "Schauspieler des Jahres" gewählt und mit dem renommierten Nestroy-Preis ausgezeichnet, breitet hier seine Erfahrungen mit dem Theaterwahnsinn aus. Ein Insider erklärt höchst vergnüglich den Backstage-Firlefanz, und Gil Mehmerts Bühnenfassung im Metropoltheater ist nun die kongeniale Umsetzung dieser Familiensaga auf den Brettern, die für die Mimen die Welt bedeuten. Ein ganz großer Wurf.

Autobiografisch lässt es Meyerhoff ja auch ganz gewaltig knallen: Aus einem norddeutschen Provinznest kommt er nach München, in die im Theaterglanz sich sonnende Kulturmetropole. Als Zivildienstler will er eigentlich in einem Krankenhaus anheuern, doch es zieht ihn zur Schauspielerei. An der hiesigen Otto-Falckenberg-Schule bewirbt er sich. Endziel: natürlich umjubelter Star am Wiener Burgtheater. Zu seiner Überraschung wird er zur Aufnahmeprüfung zugelassen. Das Vorsprechen freilich ist eine Katastrophe. Trotzdem wird er zur Probe aufgenommen. Doch das versammelte Leitungsteam dieser Schauspielschule ist die geballte Inkompetenz: Allesamt nur Wichtigtuer, drittklassige Regisseure, Knallchargen und Ego-Shooter, männlich und weiblich. Der Irrsinn schlechthin. Die aberwitzigsten Atemtechniken und Sprechübungen samt allen möglichen und unmöglichen Arten des dramatischen Gestaltens werden hier von verbissenen Dozenten gelehrt. Aber auch in der Gruppe mit dem anderen entweder turbo-ehrgeizigen oder völlig untalentierten Mimennachwuchs (Vanessa Eckart, Sophie Rogall, Nicolas Wolf und Lean Fargel) muss Meyerhoff die rhythmischen Bewegungen einer Maschine als gruppendynamischen Prozess pantomimisch nachstellen.

Doch damit nicht genug. Wegen der horrenden Mieten in München darf Meyerhoff zu seinen Großeltern in die hochherrschaftliche Villa am Nymphenburger Schlosspark ziehen. Der Horror geht weiter. Die Großmutter (als wär's eine Figur von Thomas Bernhard) ist eine mondäne, reichlich exaltierte, aber abgetakelte Schauspielerin, die einst alle großen Frauenrollen der Weltliteratur als hyperdramatische Aktrice verkörpert hat und der das Publikum natürlich zu Füßen lag. Und der unter ihrer Dominanz leidende und doch gehörig Kontra gebende Göttergatte: Philosophieprofessor im Ruhestand ist er, schwerhörig und leicht vertrottelt. Zwei schauspielerische Glanzleistungen von Thorsten Krohn und Lucca Züchner, die allein schon den Besuch dieser Aufführung lohnen.

All diese skurrilen Episoden aus der Realität der Klapsmühle Theater und der darin Beschäftigten lässt Gil Mehmert als Regisseur in seiner kongenialen Bühnenfassung in herrlich aberwitzigen Szenen abrauschen. Dazu Christl Weins Muster einer Probebühne mit dem klassischen roten Vorhang und allerlei Requisitenramsch, Hans-Peter Bodens staunenswerte Lichteffekte und Stefan Noelles smarte Percussion-Begleitung.

Doch die Sensation ist freilich James Newton in der Rolle des Joachim Meyerhoff. Nicht nur dass er als Einspringer für den erkrankten Hauptdarsteller innerhalb weniger Tage den so hintergründig-witzigen wie anspruchsvollen Part übernommen hat, sondern den schlaksigen, so sympathischen Möchtegern-Nachwuchsmimen verkörpert er so glaubhaft und hinreißend, dass er eigentlich ein würdiger Meyerhoff-Nachfolger als "Schauspieler des Jahres" wäre. Kurzum: Ein Theaterabend zum Schwärmen schön.

ZUM STÜCK
Theater:
Metropoltheater München
Regie:
Gil Mehmert
Bühne und Kostüme:
Christl Wein
Läuft bis:
9. März
Kartentelefon:
(089) 32 19 55 33